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Mann des Jahres – aufgespießt!

Udo Bauer10. Dezember 2001

DW-TV-Korrespondent Udo Bauer über das Vorhaben des Time-Magazins, Osama Bin Laden zum "Mann des Jahres" zu küren.

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Es war noch nie ein Schönheitswettbewerb. Es soll vielmehr die journalistische Bewertung eines Mannes sein, der die Zeitungen in einem Jahr dominiert hat, ein sogenannter "Newsmaker" also, positiv oder negativ. 1938 wurde Adolf Hitler diese "Ehre" zuteil, zweimal war Josef Stalin der Mann des Jahres und einmal, 1979, Ajatollah Khomeini. Das war Jahre bevor die Amerikaner sich selbst das Kondom der "political correctness" überstülpten. Jetzt haben die USA in Osama Bin Laden einen neuen Antichristen, einen neuen Hitler, stellen sich aber öffentlich die Frage: Darf das Time Magazin diesen Mann so herausstellen?

Seit Tagen berichten Zeitungen und Nachrichtensender über dieses Thema. Quintessenz: Skandal, Skandal!, warum nehmt ihr nicht Rudolph Giuliani, den Chef-New Yorker, oder Donald Rumsfeld, dem jeder attestiert, ein schlechter Verteidigungsminister aber ein guter Kriegsminister zu sein? Vor allem dem Nachrichtenkanal CNN scheint das Vorhaben des Magazins eine echte Gegenkampagne wert zu sein. Was überrascht, zumal Time und CNN zum selben Konzern gehören.

Gefordert wird ein Held, kein Feigling

Dennoch: Nahezu täglich kommentieren CNN-Redakteure dieses Thema, präsentieren Alternativen. CNN-online fordert einen Helden, keinen Feigling. Eine Abstimmung von CNN-Zuschauern zeigt, dass knapp 80 Prozent der Amerikaner auch dieser Meinung sind. Übers Ziel hinausgeschossen aber hat eindeutig ein neues Gesicht im CNN-Anchorteam. Ein hemdsärmeliger Haudrauf, den die Sender-Verantwortlichen der penetrant-charmanten, superblonden Paula Zahn an die Seite gesetzt haben. Sein Kommentar: "Ich will Osamas Kopf nicht auf einer Magazin-Titelseite sehen, sondern auf einem Pfahl aufgespießt!" Der Mann macht aus seinem mordlustigen Herzen keine Mördergrube, und dass Paula Zahn einmal sprachlos ist, ist eine kleine Wohltat.

Ich finde, Bin Laden sollte "Mann des Jahres" werden, dann könnten die Time-Leser seinen Kopf millionenfach aufspießen, wenn’s denn unbedingt sein muss – mit ihren Darts-Pfeilen. Übrigens: Im letzten Jahr war George W. Bush der Mann des Jahres. Auch sein Portrait wurde auf den Darts-Scheiben der Nation durchbohrt, allerdings nur von den 49,99 Prozent der Amerikaner, nämlich von denen, die Al Gore gewählt hatten - oder irrtümlich George Bush.