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Marek Krajewski: Der Kalenderblattmörder

Ulrich Noller4. August 2006

Ein Kriminalfall aus dem Breslau der 1920er Jahre. 2004 wurde das Buch in Polen zum "Krimi des Jahres" gewählt.

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Die Populärkultur Polens ist in Deutschland immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Junge Filmemacher, Popmusiker, Schauspieler aus unserem Nachbarland sind hierzulande kaum bekannt. Das Gleiche gilt für Kriminalschriftsteller. Immerhin, einen kann man jetzt besser kennen lernen: Marek Krajewski, geboren 1966, Sprachwissenschaftler aus Wroclaw beziehungsweise Breslau.

Buchcover: Marek Krajewski - Der Kalenderblattmörder

"Es gibt zwei Gründe dafür, dass ich Krimiromane geschrieben habe. (..) Der erste Grund ist meine Faszination von der Geschichte Breslaus, wo ich geboren bin. Der zweite Grund basiert darauf, dass ich ein starker Krimifan bin. Und diese zwei Faszinationen habe ich verbunden."

Liebhaber der Philologie und der Kneipen

"Der Kalenderblattmörder", Krajewskis gerade ins Deutsche übersetzter Roman, entführt in das Jahr 1927, und wie immer in den Romanen dieses Autors ist ein deutscher Polizist namens Eberhard Mock die Hauptfigur.

"Eberhard Mock ist ein Polizist, ein Jagdhund (..) und er ist Zyniker, er (..) trinkt zu viel, er hat mit mir sehr viel zu tun, zum Beispiel ist er klassischer Philologe. Er liebt die lateinischen Phrasen und Sentenzen und er ist begeistert von der antiken Kultur. (..)"

Alte Morde neu inszeniert

Der Kriminalrat, der seine Freizeit am liebsten in Wirtshäusern und Bordellen verbringt, ermittelt den Fall eines Serienmörders, der seine Opfer nach geschichtlichem Vorbild richtet: An bestimmten Tagen inszeniert er Morde, die sich in Breslau im Lauf der Geschichte ereignet haben, noch einmal, und das auf grausige Weise. Ein spannender Fall - aber Krajewski erzählt noch mehr als diesen Krimiplot, nämlich jede Menge Wissenswertes aus der Geschichte seiner Heimatstadt.

Eine Welt, die Krajewski irritierte, weil sie in der polnischen Geschichtsschreibung, aber auch im Stadtbild, wie er sagt, lange Jahre verdrängt und getilgt wurde. Das wollte der Experte für antike Sprachen nicht hinnehmen - und beschloss, das alte, das deutsche Breslau in seinen Geschichten wieder aufleben zu lassen. Mit erstaunlichen Folgen: Die Romane wurden in Polen zu Bestsellern.

Deutsch-polnisches Erbe

Wie unvoreingenommen die Polen sich dieses Themas, dieser Herangehensweise an das deutsch-polnische Erbe annehmen, beweist die Tatsache, dass Marek Krajewski mittlerweile der erfolgreichste Kriminalschriftsteller Polens ist. Und, obwohl man seinen Geschichten durchaus anmerkt, dass sie von einem Wissenschaftler geschrieben wurden; thematisch, sprachlich und in der komplexen Anlage. Auf die Idee zu seinen Krimis stieß Marek Krajewski übrigens beim Arbeiten, er fand sie sozusagen direkt vor der eigenen Nase.

"Das Institut für klassische Philologie und antike Kultur, wo ich arbeite, war bis Ende der 20er Polizeipräsidium in Breslau. Also vielleicht arbeitete Eberhard Mock, meine Hauptfigur, in demselben Zimmer, wo ich heute sitze. Das ist vielleicht ein genius loci. "

Marek Krajewski
Der Kalenderblattmörder
dtv, 2006
ISBN 3-423-24539-5
EUR 14,50