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Marketing für Migranten

4. August 2009

Mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Wer sie als Kunden gewinnen will, muss ihre Sprachen und Gewohnheiten gut kennen und sein Marketing darauf ausrichten.

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Foto: Aida Cama
Stromanbieter Clevergy umwirbt speziell MigrantenBild: DW

Was nutzt der beste Energiemix nebst individuellem Servicepaket, wenn fast jeder fünfte potenzielle Kunde das ausgefeilte Angebot gar nicht richtig versteht? Gar nichts, dachten sich die Marketingstrategen von Clevergy, einem Newcomer auf dem deutschen Strommarkt. In zehn Sprachen kann man das Angebot des Leipziger Anbieters im Netz nachlesen, von Bosnisch über Russisch bis Türkisch ist alles dabei.

Geschäftsführer von Clevergy: Thorsten Hansen (Foto: Clevergy)
Thorsten Hansen wirbt für MigrantenBild: Clevergy

Clevergy ist erst seit gut einem Jahr im Geschäft und setzt mit seinem Konzept gezielt auf den Markt der Migranten. „Wir orientieren uns da an den größten Zielgruppen, den größten ethnischen Gruppen in Deutschland“, erklärt Geschäftsführer Thorsten Hansen. „Das geht los mit den rund 2,7 Millionen Türken. Danach kommen die Italiener, dann die Russen und Polen.“ Die mehrsprachige Homepage ist für Hansen allerdings nur der Anfang einer breiten Marketingstrategie, mit der er möglichst viele der mehr als 15 Millionen potentiellen Kunden, sprich Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, von einem Wechsel zu seiner Firma überzeugen will.

Wissen, wie die ethnischen Gruppen ticken

Dass auch die Servicehotline mehrsprachig ist, versteht sich für den Chef von selbst. Doch diese ersten Schritte reichen bei Weitem nicht aus, um die begehrten Kunden mit ausländischen Wurzeln in Scharen zu gewinnen. Man müsse die Gruppen kennen und wissen, wie sie ticken, so Firmenchef Hansen, nach welchen Werten sie handeln, sprich konsumieren. „Bei den Türken ist zum Beispiel Mund-zu-Mund-Propaganda sehr wichtig, weil die untereinander sehr stark vernetzt sind und so Kaufanreize durch Freunde und Empfehlungen entstehen. Und wenn man das weiß, kann man natürlich auf diese Instrumente setzen. Man muss Multiplikatoren finden, dann ist das fast ein Selbstläufer.“ Clevergy will deshalb mit Verbänden und speziellen Läden ins Geschäft kommen, in denen türkisch gesprochen wird.

Muslimische Frauen stehen mit Kopftüchern an einer Haltestelle in Duisburg Marxloh. (Foto: AP)
Menschen mit Migrationshintergrund haben andere Gewohnheiten und BräucheBild: AP

Um in der russischen Gemeinde bekannt zu werden, die vor allem in Ostdeutschland zu Hause ist, sollen spezielle Prepaid-Modelle entwickelt werden. „Russen planen ihre Ausgaben gern über Vorauskasse, ähnlich wie die Italiener“, hat Hansens Marktforschung ergeben. Ethnomarketing wird in der Strombranche bislang kaum genutzt, so der Clevergy-Chef, er selbst arbeitet allerdings seit Jahren in diesem Bereich und kennt das Potenzial. Als Marketingleiter des Telefonanbieters O.tel.o, habe er erreicht, dass von etwa einer Million Kunden ungefähr ein Drittel Türken beziehungsweise türkischstämmige Deutsche waren. "das heißt, wir haben damals vor acht Jahren schon Ethnomarketing mit großem Erfolg gemacht.“

Marktforschung nach dem Baukastenprinzip

Nun soll das Konzept auch im Strommarkt funktionieren. Der Markt ist da, weiß Hansen, und die Mitbewerber scheinen zu schlafen. Kaum einer hat wenigstens mehrsprachige Versionen seiner Angebote auf der Homepage. Clevergy ist da schon weiter. Über ein Baukastenprinzip kann sich jeder Kunde auf der Website sein individuelles Paket zusammenbauen, selbst entscheiden, wie sein Strom erzeugt wird, welchen Service er braucht und wie er bezahlen will.

Türkische Frauen, unter ihnen Muslime mit Kopftuch, beim Einkauf auf dem Wochenmarkt in Berlin
Migranten sollen auf sie zugeschnittene Angebote erhaltenBild: dpa

Perfekt für die Marketingabteilung: Filtert man die Migranten heraus, weiß man, was sie wollen. „Wir können sehen, welche Kunden aus welchen Segmenten auswählen. So haben wir tagtäglich Marktforschung und wissen auch, wer Türke oder Russe ist und welche Produktkombination er genommen hat.“ Je nach Ergebnis sollen den einzelnen Gruppen in Zukunft gezielt Angebote gemacht werden, lange Laufzeiten mit Preisgarantie etwa oder eben besondere Prepaid-Modelle.

50.000 Kunden hat Clevergy in gut einem Jahr bundesweit gewinnen können, ein Großteil sind bisher allerdings Deutsche. Das darf sich gern ändern, so der Firmenchef. "Wir haben mittelfristig das Ziel, 300.000 bis 400.000 Kunden im Bestand zu haben." Etwa ein Viertel, hofft Thorsten Hansen, könnten dann Kunden mit Migrationshintergrund sein.

Autor: Ronny Arnold
Redaktion: Insa Wrede