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Rating statt Ranking: Wie man Hochschulen bewertet

Svenja Üing23. November 2012

Welche Uni ist die Beste? Das sollen Hochschulrankings darlegen. Doch die sind in Deutschland derzeit in der Kritik. Der deutsche Wissenschaftsrat entwickelt mit seinem Rating seit einigen Jahren eine eigene Alternative.

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Prof. Wolfgang Marquardt, Vorsitzender des Wissenschaftrats (Foto: David Ausserhofer / Wissenschaftsrat)
Bild: Wissenschaftsrat/David Ausserhofer

An Deutschlands Hochschulen hat eine Diskussion über Aufwand und Nutzen von Rankings begonnen, von Ranglisten also, die Hochschulen und Forschungsinstitute nach bestimmten Kriterien miteinander vergleichen. Studierende stehen Rankings skeptisch gegenüber und auch namhafte Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) und der Deutsche Historikerverband (VHD) üben Kritik am Ranken. Währenddessen entwickelt der Wissenschaftsrat, das wichtigste wissenschaftspolitische Beratergremium in Deutschland, ein eigenes Forschungsrating. Das Rating des Wissenschaftsrates, das sich noch in der Pilotphase befindet, konzentriert sich auf die Forschung und will differenziertere Beurteilungen vornehmen als die bekannten nationalen und internationalen Rankings. Im DW-Interview erläutert der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Wolfgang Marquardt, das Rating des Wissenschaftsrates.

DW: Herr Marquardt, Studierende stehen den Hochschulrankings skeptisch gegenüber. Einige Fachgesellschaften üben Kritik besonders am CHE Hochschulranking, dem Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Erste Hochschulen wie zum Beispiel die Universität Hamburg steigen sogar aus den Rankings aus. Sollte man in Deutschland Ihrer Meinung nach nicht ganz darauf verzichten, Hochschulen zu ranken?

Wolfgang Marquardt: Ich glaube, wir müssen das differenziert betrachten. Wir müssen auf jeden Fall unterscheiden, ob sich ein Ranking auf die Forschung bezieht oder auf die Lehre, die auch die forschungsorientierte Lehre beinhaltet.

Bei der Lehre haben wir grundsätzlich ein methodisches Problem, unabhängig von den Rankings. Es ist allein schon schwierig, einen Konsens darüber zu finden, wie man gute Lehre bewertet und bemisst. Wir haben zu wenig abgesicherte Methoden, um die Qualität von Lehre und die Qualität der erzielten Ergebnisse zu messen. Deshalb sollte man im Bereich der Lehre bei den Grundlagen anfangen und dort die Parameter und die Maße erst einmal festlegen.

Der Wissenschaftsrat arbeitet schon seit einigen Jahren an einem eigenen Ranking, das sich aber Rating nennt, und das dem Namen nach die Lehre erst einmal beiseite lässt; es heißt nämlich "Forschungsrating". Was wollen Sie mit Ihrem Rating besser machen als die anderen?

Das Pilotprojekt des Wissenschaftsrates fokussiert alleine auf die Forschung. Ganz pragmatisch und aus gutem Grund haben wir die Lehre ausgeklammert. Wir nennen das "Rating", weil es im Gegensatz zu den meisten anderen Rankings nicht einen Rangplatz als Ziel haben soll. In einem mehrdimensionalen Kriterienraum wird letztlich qualitativ die Forschungsleistung eines bestimmten Standorts in einem bestimmten Fach, also fachspezifisch, bewertet.

Diese fachspezifische Bewertung erlaubt es auch, dass wir die Kriterien an das Fach anpassen. Mit Hilfe der Experten aus diesem Fach legen wir Kriterien fest. Bei diesem Ansatz geht es nicht darum, aus irgendwelchen Daten, fast mit einer algorithmischen Mechanik, irgendeinen Rankplatz auszurechnen. Die Datenbasis geht ein in einen sogenannten Peer-Review, also in eine Expertengruppe, die mit ihrem Kontext dieses Fach an einem bestimmten Standort bewertet. Also ein ganz anderer Ansatz als beispielsweise Times Higher Education oder Shanghai Ranking.

Damit man sich ein besseres Bild machen kann von diesem Rating des Wissenschaftsrates: Was genau untersuchen Sie da? Vielleicht können Sie einige Beispiele nennen.

Wir haben insgesamt vier Fächer betrachtet. Am Anfang stand die Chemie, dann kam die Soziologie, dann die Elektrotechnik zusammen mit der Informationstechnik und im Moment läuft noch das letzte Verfahren im Bereich der Anglistik und Amerikanistik, das kurz vor dem Abschluss steht. Also Fächer aus allen Gebieten der Wissenschaft, von Naturwissenschaften über Geistes- bis hin zu Ingenieurwissenschaften.

Bei den einzelnen Fächern haben wir zunächst die Kriterien mit den Fachvertretern, also mit den Chemikern oder mit den Soziologen besprochen. Dazu gehörte auch der Prozess der Bewertung: Wie viel wird gelesen? Welche Daten werden erhoben? Wie stark werden die Daten gewichtet, zum Beispiel zu Publikationsleistungen oder zum Transfer von Ergebnissen in die Gesellschaften, in die Wirtschaft? All diese Fragen wurden mit der Peergroup, also mit diesen Experten beraten.

Auf der Basis der Kriterienkataloge wurden die Universitäten gebeten, die nötigen Daten abzugeben. Und diese Daten wurden dann in der Expertengruppe bewertet. Die Bewertung umfasste Parameter wie Forschungsqualität und Forschungseffizienz, also wie ist der Ertrag im Vergleich zu den Mitteln, die aufgewendet werden. Dann spielte auch die Auswirkung der Forschungsergebnisse eine Rolle. Da geht es unter anderem um den Transfer in die Gesellschaft. Als viertes Kriterium kommt dann noch die Nachwuchsförderung ins Spiel.

Wer soll denn nach Wunsch des Wissenschaftsrats von dieser Art des Ratings profitieren? Die Studierenden werden es wahrscheinlich nicht sein, wenn es gar nicht um die Lehre geht.

Die Studierenden sind an dieser Stelle nicht die Zielgruppe. Die Hauptadressaten sind die Hochschulleitungen. Die Hochschulleitungen, die verstehen wollen, wo ein bestimmtes Fach in ihrer eigenen Hochschule steht, zunächst einmal unabhängig vom Feld der Mitbewerber. Darüber hinaus ist es natürlich auch interessant zu sehen, in welchem dieser Bereiche man vielleicht nicht so stark ist wie man glaubte, im Vergleich zu irgendeinem anderen Standort in Deutschland.

Als Hochschulleitung kann man dann aus diesen Einsichten ganz verschiedene Schlüsse ziehen. Entweder man hebt weiter seine Stärken hervor oder man versucht einen Bereich, der nicht so stark ist, auf ein besseres Niveau zu bringen. Man kann auch feststellen, dass zu viele Fächer angeboten werden und dann muss sich die Hochschule entscheiden, welche Fächer sie langfristig aufgibt. All das sind Entscheidungen, die von einer umsichtigen und weitsichtigen Hochschulleitung getroffen werden müssen.

Das Interview führte Svenja Üing