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Politik

Martin Schulz fordert Merkel heraus

24. Januar 2017

Die SPD hat die K-Frage mit einem Paukenschlag geklärt. Martin Schulz, der frühere Präsident des Europaparlaments, soll die Nummer eins werden und auch den Parteivorsitz übernehmen. Sigmar Gabriel verzichtet.

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Martin Schulz und Sigmar Gabriel (Foto: Reuters/F. Bensch)
Freunde und politische Alphatiere: Schulz (l.) und GabrielBild: Reuters/F. Bensch

Am Abend gingen sie in der SPD-Zentrale gemeinsam vor die Presse: Sigmar Gabriel, Vizekanzler, Bundeswirtschaftsminister, langjähriger SPD-Chef und bis gestern heißester Anwärter auf das Amt des Kanzlerkandidaten seiner Partei. Und Martin Schulz, bis vor kurzem Präsident des Europaparlaments und - ebenfalls bis gestern - heißester Anwärter auf das Amt des Bundesaußenministers, das in knapp drei Wochen vakant wird.

Doch was die sprichwörtlichen Spatzen seit Wochen von den Dächern des Regierungsviertels zu pfeifen meinten, hat sich überraschend nicht bewahrheitet. Sigmar Gabriel verzichtet zu Gunsten von Martin Schulz. Wohl weil er einsehen musste, dass er nicht der richtige Mann zur richtigen Zeit gewesen wäre. "Ausschlaggebend ist, dass ich der festen Überzeugung bin, dass er die besten Chancen für eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur und eine erfolgreiche Bundestagswahl mit der SPD mit sich bringt", so Gabriel über Schulz. In einem Interview, das der 57-Jährige dem Magazin Stern gegeben hat, formuliert er es noch etwas drastischer: "Das, was ich bringen konnte, hat nicht gereicht."

Gabriel verzichtet auf Kandidatur

SPD-Parteitag im März

Das SPD-Präsidium hat nun einstimmig beschlossen, Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten und neuen Parteivorsitzenden zu nominieren. Am kommenden Sonntag muss zunächst der Parteivorstand zustimmen, dann soll Schulz auf einem außerordentlichen SPD-Parteitag Anfang März bestätigt werden. Dem Präsidiumsbeschluss zufolge soll Sigmar Gabriel Außenminister werden. Seine Nachfolgerin als Bundeswirtschaftsministerin soll Brigitte Zypries werden. Die ehemalige Justizministerin ist derzeit Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium.

Leicht fällt Gabriel der Verzicht auf die Kanzlerkandidatur nicht. Darüber konnte am Abend auch nicht die bemüht zur Schau getragene gute Laune hinweg täuschen. "Natürlich gibt es Ambitionen und Leidenschaften bei jedem Politiker, auch bei mir und natürlich ist das keine einfache Entscheidung gewesen", sagte Gabriel, der schon 2009 und 2013 auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hatte. Er sei sich aber sicher, dass es richtig so sei: "Deswegen bin ich jedenfalls sehr froh, dass die Entscheidung heute so gefallen ist."

Abschied vom SPD-Vorsitz

Noch schwerer fällt dem gebürtigen Goslarer aber der Rücktritt vom Parteivorsitz. "Ich danke der deutschen Sozialdemokratie, dass ich mehr als sieben Jahre ihr Vorsitzender sein durfte", sagte Gabriel und musste bei diesem Satz hörbar schlucken. "Zur Wahrheit gehört, ich habe es der SPD nicht immer leicht gemacht, umgekehrt auch nicht immer, aber es war eine tolle Zeit", schob er nach.

Martin Schulz hatte schon lange durchblicken lassen, dass er sich sehr wohl vorstellen könnte, als Spitzenkandidat der SPD in die Bundestagswahl zu ziehen. In diesem Fall, so hieß es, würde er allerdings auch den SPD-Vorsitz für sich beanspruchen. Sigmar Gabriel formulierte es nun so, dass die Kandidatur nur "glaubwürdig" sei, "wenn gleichzeitig die gesamte Partei eine einheitliche Führung hat und nicht noch einmal - wie beim letzten Mal - Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur getrennt sind." Das wolle das SPD-Präsidium auf keinen Fall und so will es vor allem Schulz nicht.

Von Brüssel nach Berlin

Es sei ein ganz besonderer Tag für ihn, der ihn tief bewege, sagte Martin Schulz, dem Gabriel die Kandidatur am vergangenen Samstag angetragen hatte. "Die Nominierung als Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender ist eine außergewöhnliche Ehre, die ich mit Stolz aber auch mit der gebotenen Demut annehme." Schulz würdigte Gabriel als "großen Vorsitzenden der SPD". Sein Leitmotiv sei gewesen, das Land durch die Sozialdemokratie zu verbessern.

Schulz kündigte an, er werde am Mittwoch bei einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion seine Bewerbung wiederholen und erläutern, mit welchem Programm er in den Wahlkampf ziehen wolle. "Wir wollen als Sozialdemokraten klar machen, dass es um viel geht in dieser Zeit. Es geht ein tiefer Riss durch die Gesellschaft, nicht nur in unserem Land." Dem Auseinanderdriften der Gesellschaft müsse man mit Mut und Zuversicht entgegentreten: "Wir wollen, dass es gerecht und fair zugeht, wir wollen, dass die Menschen sich respektiert fühlen."

SPD in Teilen überrascht

Ob sich auch die Partei bei der jetzt bekannt gewordenen Entscheidung respektiert fühlt, kann bezweifelt werden. Nur ein ganz kleiner Kreis um den Regierenden Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft scheint in die Diskussion über einen Verzicht Gabriels einbezogen gewesen zu sein. Am Dienstagnachmittag hatten zunächst das Magazin "Stern" und die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtet, dass Schulz statt Gabriel Kanzlerkandidat werde. Die Nachricht schlug auch in der SPD-Bundestagsfraktion, die sich zeitgleich zu ihrer turnusmäßigen Sitzung zusammenfand, wie eine Bombe ein.

Martin Schulz und Sigmar Gabriel (Foto: Reuters/F. Bensch)
Freunde und politische Alphatiere: Schulz (l.) und GabrielBild: Reuters/F. Bensch

Ursprünglich hatte die SPD darauf bestanden, den Schleier über der Kandidatenkür erst am kommenden Sonntag zu lüften. Auf die Frage, warum sich der Zeitplan zur Nominierung des Kanzlerkandidaten geändert habe, sagte Sigmar Gabriel, er habe "nie die Absicht gehabt, die Funktionäre der SPD am Sonntag zu überraschen". Er glaube, dass der Zeitplan ziemlich präzise eingehalten worden sei: "Gemessen an dem, was der SPD in der Kandidatendebatte vorhergesagt wurde, haben wir eine ziemliche Punktlandung gemacht."