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Massenentlassungen bei der polnischen Zeitung "Trybuna"

4. Dezember 2002

- Journalisten drohen mit Streikaktionen

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Warschau, 3.12.2002 PAP, poln.,

28 Journalisten der Zeitung "Trybuna", d.h. genau der Hälfte der dort beschäftigten Journalisten, ist gekündigt worden. Die übrigen erhielten eine Änderungskündigung, die ein niedrigeres Gehalt bedeutet. Die Verhandlungen der Gewerkschaft "Journalisten-Syndikat" mit dem Verleger brachten keine Ergebnisse.

Die neuen Arbeitsbedingungen sehen Gehaltskürzungen um fast 50 Prozent vor. Die Journalisten erhalten außer dem Gehalt zusätzlich noch Honorare, die jedoch in letzter Zeit ebenfalls um 25 Prozent gekürzt wurden. Manche Journalisten behaupten, dass sie nach den neuen Arbeitsverträgen insgesamt etwa 1 500 Zloty (ca. 375 Euro) netto verdienen würden.

Aleksander Frydrychowicz, der Vorsitzende der Gewerkschaft "Journalisten-Syndikat" bei der Zeitung "Trybuna", ist davon überzeugt, dass die Herausgabe dieser Zeitung in der bisherigen Form und dem bisherigen Umfang durch das um die Hälfte reduzierte Journalistenteam nicht möglich sei: "Falls es doch gelingen sollte, würde dies auf Kosten der Qualität der Zeitung geschehen, zumal die übriggebliebenen Journalisten keine Motivation haben, um mehr zu arbeiten, weil sie dafür 50 Prozent weniger Geld bekommen werden", sagte Aleksander Frydrychowicz der Polnischen Presseagentur.

Seine Befürchtungen werden vom Verleger der Zeitung jedoch nicht geteilt: "Wir sind davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, gerade mit solch einer Besetzung das Niveau der Zeitung aufrechtzuerhalten, da über die aktuelle Form der Zeitungsausgabe vor allem der Chefredakteur entscheidet, mit dem die neue Besetzung der Redaktion abgestimmt wurde. Das ist eine absolut bewusste Entscheidung", sagte Krzysztof Spychalski, der Direktor des Verlagshauses "Ad Novum" gegenüber der Polnischen Presseagentur.

Zur Zeit leitet der ehemalige stellvertretende Chefredakteur Marek Baranski die Zeitung "Trybuna", der auch als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift NIE tätig ist. Ihm wurde die alleinige Leitung der "Trybuna" übertragen, nachdem der ehemalige Chefredakteur Wojciech Pielecki und sein Stellvertreter, Piotr Lapa, ihres Amtes enthoben wurden.

Krzysztof Spychalski betonte, dass es keine andere Wahl außer den Kündigungen und den Gehaltskürzungen gäbe, weil "die Gesellschaft nicht mehr ausgeben kann als sie verdient. Es ist gelungen, diese ofensichtliche Wahrheit auch dem Journalistenteam beizubringen", behauptet er.

Eine ganz andere Meinung vertritt die Gewerkschaft "Journalisten-Syndikat", die zwar gewissen Gehaltskürzungen zustimmte, sich jedoch gegen jegliche Kündigungen aussprach. Aus diesem Grunde ist es auch zu einem Gruppenkonflikt mit dem Verleger gekommen. Die Verhandlungen, die daraufhin stattfanden, brachten jedoch kein Ergebnis: "Wir werden weiterhin protestieren. Die Leitung des Verlages "Ad Novum plus nie" redet nicht mit uns. Nach dem geltenden Recht sind wir in solch einem Fall dazu berechtigt, in einen unangekündigten Streik zu treten. Morgen oder übermorgen werden wir den Verleger darüber informieren" kündigte Aleksander Frydrychowicz an.

Bisher ist nicht bekannt, wie viele Journalisten sich mit den neuen Arbeitsbedingungen einverstanden erklärt haben. Das Gesetz räumt den Gekündigten die Möglichkeit ein, ihre Entscheidung bis zum Ablauf der Hälfte der Kündigungsfrist zu treffen, d.h. bis Mitte Januar. Aleksander Frydrychowicz ist jedoch der Meinung, dass nicht alle Journalisten den neuen Bedingungen zustimmen werden: "Sie werden einfach eine neue, eine bessere Arbeit finden und dann weiß ich nicht, wie die "Trybuna" überhaupt noch erscheinen soll", sagte er.

Die Verkaufszahlen der "Trybuna" sind im letzten Jahr um 25 Prozent gesunken. Das Verlagshaus "Ad Novum" schätzt, dass die Gesellschaft durch die "Trybuna" Verluste in Höhe von etwa 300 000 Zloty im Monat hinnehmen muss. Seit Mai d.J. hat das Verlagshaus die Sozialabgaben für die Journalisten, die an die Versicherungsanstalt ZUS abzuführen sind, nicht abgeführt. Der Vorstand entschied vor kurzem, den Umfang der "Trybuna" zu reduzieren. (Sta)