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Massenentlassungen im polnischen Bergbau

21. November 2002

- Massive Proteste der Kumpel beeindruckten die Regierung nicht

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Warschau, 21.11.2002, ZYCIE, poln.

Die Regierung hat sich gestern (20.11.) trotz massiver Proteste der Gewerkschaften dazu entschlossen, die Restrukturierung der Bergbauindustrie in Angriff zu nehmen und rund 35 000 Beschäftigte aus diesem Sektor zu entlassen.

Das Programm für die Restrukturierung des Bergbaus sieht vor, fast 35 000 Leute bis zum Jahr 2006 zu entlassen, wobei 19 000 von ihnen in den Ruhestand geschickt werden sollen. Ferner ist die Schließung von mindestens sieben Bergwerken geplant sowie eine Reduzierung der Kohleförderung auf 12,5 Millionen Tonnen im Jahr. Außerdem soll eine neue "Kohlegesellschaft" ins Leben gerufen werden.

Nach Meinung der Regierung sind diese Maßnahmen notwendig, da sich die Gesamtverschuldung des Bergbaus auf über 20 Milliarden Zloty (etwa fünf Millionen Euro) beläuft. Die Regierung beabsichtigt, das neue Programm für den Bergbau mit Hilfe eines Kredites der Weltbank in Höhe von etwa 1,9 Milliarden Zloty zu finanzieren.

"Dieser Wirtschaftssektor wird von einer Insolvenz in unvorhersehbarem Maße bedroht und man muss etwas unternehmen, um ihn zu retten. Wir nehmen an, dass dank dieser Maßnahmen dieser Sektor schon 2006 wieder rentabel wird", sagte Wirtschaftsminister Jacek Piechota.

Der bereits fünfte Versuch seit 1990, den Bergbau in Polen zu reformieren, sieht außerdem, eine Erhöhung des Gewinns aus dem Kohleverkauf auf 1,15 Milliarden Zloty (etwa 287 Millionen Euro) bis zum Jahr 2006 vor, wobei sich der Gewinn aus dem Kohleverkauf in diesem Jahr auf etwa 300 Millionen Zloty (etwa 75 Millionen Euro) beläuft.

Aus den Plänen der Regierung geht hervor, dass im Januar 2003 die Entscheidung über die Stilllegung der Kohleförderung in den betroffenen Beregwerken im zweiten und dritten Quartal des kommenden Jahres getroffen werden soll. Die Schließung der betroffenen Bergwerke soll nach den Plänen der Regierung bis Juni 2003 abgeschlossen sein und für das Jahr 2004 ist eine Reduzierung der Verschuldung um etwa 13,5 Milliarden Zloty geplant. Im Jahr 2006 soll dann auch die Privatisierung dieses Wirtschaftssektors vollzogen werden.

Marek Kossowski, der Vizeminister im Wirtschaftsministerium sagte, dass die Kosten für die Umsetzung dieses Programms auf 1,8 Milliarden Zloty geschätzt werden. Das Geld wird aber nicht nur in die Stilllegung der Bergwerke investiert, sondern auch in die erneute Eingliederung der Bewohner Oberschlesiens in das Berufsleben. Die entlassenen Kumpel werden den Sonderurlaub für Bergleute jedoch nicht in Anspruch nehmen können. Sie werden auch keine Abfindungen bekommen, wie das bisher praktiziert wurde. " Wir möchten die Tradition brechen, den Entlassenen Geld in die Hand zu geben und sie bei der Arbeitssuche allein zu lassen. Wir werden eher die bereits bestehenden Firmen unterstützen, neue Arbeitsplätze für die Entlassenen zu schaffen" sagte Marek Kossowski.

Die Gewerkschaften in der Bergbauindustrie haben dieses Programm scharf kritisiert. "Das Programm der Reformen ist in dieser Form für uns inakzeptabel. Wir sind auf einen Krieg vorbereitet. Wenn sich Premierminister Miller dazu entschlossen hat, den zwölf Gewerkschaftszentren den Krieg zu erklären, so bedeutet dies entweder, dass es jemandem in der Regierung nicht klar ist, was er tut, oder dass der Premierminister von jemandem aus seiner Umgebung getäuscht wird", sagte Marek Klementowski, der Vizevorsitzende der Bergbaugewerkschaft Solidarnosc. (...) (Sta)