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Deutsche Rockfestivals boomen

23. Juni 2009

CDs klaut man im Internet, die Popkomm ist abgesagt und Musik wird als Flatrate verramscht. Das Popgeschäft ist so tot wie Arcandor und Märklin. Wenn da nur die ganzen Rock-Festivals nicht wären.

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Sothside Festival (Quelle: Uli José Anders)
Das Southside Festival in Neuhausen op EckBild: DW

Anfang Juni stürmten 160.000 Musiknarren das Bruderfestival "Rock Am Ring" und "Rock im Park". Letztes Wochende zogen die Schwesterfestivals "Southside" bei Tuttlingen und das "Hurricane" bei Scheessel erneut knapp 120.000 Besucher. Das M´era Luna, Area 04, das Wacken und viele viele kleine Folgen noch. Wenn es so weiter geht werden diesen Sommer über eine Million Menschen Richtung verlassener Flughafengelände und alter Industrieparks aufbrechen.

Festivalbesucher (Quelle: Uli José Anders)
Matsch - das Camouflage der FestivalbesucherBild: DW

Faszination Matsch

Dabei ist der Besuch eines Festivals auf offener Wiese bei erster Betrachtung genau so, wie man sich ein tolles Wochenende nicht vorstellt. Man zeltet im Nirgendwo zwischen tausenden lärmender, feiernder Irrer, die sanitären Verhältnisse sind katastrophal, das Essen ist teuer, das Bier dünn und es regnet garantiert. Doch statt gegen die Veranstalter Sturm zu laufen passiert etwas völlig Überraschendes. Die Menschen lieben es. Keiner schimpft über den Dauerregen, viele schmeißen sich in den Matsch. Statt sich über den Lärm zu beschweren tanzt man lieber wie ein Derwisch die Nacht durch und seinem lauten Zeltnachbarn gibt man noch lächelnd Feuer. Festivalsommer in Deutschland - das ist Wahnsinn mit System und einer ganzen Menge Spaß.

65 Bands in drei Tagen

Das musikalische Programm auf dem Southside- und Hurricane-Festival hat es in sich. Duffy besingt ihre Warwick Avenue während auf der nächsten Bühne "The Mars Volta Samba" mit progressive Jazz mischen und die frisch wiedervereinigten Crossover Legenden "Faith No More" spielen gegen die deutschen Elektronik Urgesteine Kraftwerk. "Große Menschenmengen, unterschiedliches Publikum, das ist es. Ich liebe es vor Menschen zu spielen, die uns sonst nie angucken würden", schwärmt David Draiman, Sänger der amerikanischen Metalband Disturbed, "ich will die Masse erobern, das ist meine Herausforderung.“ Es gelingt. Samstagnacht, bei einer Außentemperatur von sechs Grad Celsius und Nieselregen jubeln 20.000 Menschen der Band beim Southside zu. Viele davon hören Disturbed zum ersten Mal. Das läßt die Umsätze steigen und das bringt wieder mehr Menschen in die Konzerthallen der Band. Für David Draiman sind die einbrechenden CD-Verkaufszahlen dabei angeblich unwichtig. "Es geht uns ums Livespielen. Wir machen die CDs nur, damit wir live spielen können. Sie sind nur der Auslöser für alles. Wir mögen es zwar uns zurückzulehnen und unsere eigene Musik zu hören, aber es ist nur die Grundlage, dass wir touren können."

Festivalbühne (Quelle: Uli José Anders)
Wenn das Licht angeht, sind Matsch und Regen vergessenBild: DW

Wer nicht mittendrin ist erlebt es nicht

"Was auf einem Festival passiert kann man nicht downloaden", fasst Andreas Sengebusch, Festivalleiter beim Southside- und Hurricane- Festival das Erfolgsrezept zusammen. Mittlerweile im elften Jahr ist das Festival jedes Jahr stetig gewachsen. Für Sengebusch liegt die Magie eines Festivals nicht alleine in der Kombination der Bands. Genauso wichtig sind für ihn die Alternativangebote wie Bungee-Springen, ein Besuch der Hochbar und die Möglichkeit des hemmungslosen Feierns. "Das Festival geht ja nicht erst dann los, wenn die erste Band die Bühne betritt, sondern die Leute kommen hier am Donnerstagabend an und feiern schon. Man kommt mit seinen Freunden her und man trifft 50.000 andere neue Freunde."

Der Tag danach

Frederic ist 36 Jahre und hat jedes Jahr Southside miterlebt. Nach einer Sommernacht mit Temperaturen um den Nullpunkt und Nieselregen schält er sich aus dem Zelt. Seine Kleidung über und über mit Matsch bedeckt. "Nächstes Jahr tue ich mir das nicht noch einmal an", schwört er und lacht, "nein...natürlich komme ich wieder und schlage mehrere Fliegen mit einer Klappe". Für ihn ist es wichtig möglichst viele Bands zu sehen, mit Freunden zu zelten und zu feiern. 2010 wird es dann die zwölfte Auflage des Schwesterfestivals Southside/Hurricane geben. Für Andreas Sengebusch mit einer Änderung, nach zehn Jahren kein Wachstum, allerdings nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Der Platz wird zu eng. "Ja, wir haben hier die Flächen so ausgenutzt wie wir können. Im Take Off Gewerbepark ist ein weiteres Wachstum nur schwer vorstellbar", sagts und lächelt. Maximale Auslastung eines Standortes in schweren wirtschaftlichen Zeiten - Planziel erfüllt.

Autor: Uli José Anders

Redaktion: Matthias Klaus