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Maximales psychologisches Trauma

Nancy Isenson, Daryl Lindsey, sam29. November 2002

Die Raketen haben den israelischen Passagierjet verfehlt - und sie zeigen doch große Wirkung. Experten warnen, dass die zivile Luftfahrt vor solchen Attentaten kaum zu schützen ist.

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Afghane mit US-amerikanischer Stinger-RaketeBild: AP

Annähernd zeitgleich zur Detonation der Bombe waren am Donnerstag (28.11.2002) zwei Flugabwehrraketen auf ein israelisches Charterflugzeug abgefeuert worden, das von Mombasa Richtung Tel Aviv startete. Die Rakete verfehlte nur knapp den Jet mit 270 Passagieren an Bord. Schon seit langem fürchten Terrorismusexperten, dass tragbare Boden-Luft-Raketen für solche terroristische Angriffe benutzt werden könnten - spätestens seit Al-Kaida-Schulungsvideos für diese Waffen auftauchten. Diese Befürchtungen scheinen sich nun bewahrheitet zu haben.

Sicherheitsexperten schätzen, dass Osama bin Ladens Terrornetzwerk Al-Kaida mindestens dreißig Stinger-Raketen besitzt - die afghanischen Mujaheddin hatten in den achtziger Jahren mehr als 900 dieser Waffensysteme zur Bekämpfung sowjetischer Kampfflugzeuge vom amerikanischen CIA erhalten. Zwar konnten die amerikanischen Truppen nach dem Fall der Taliban viele Raketen wieder in ihren Besitz bringen - es fehlen aber immer noch etliche.

Raketenangriff Nummer 43

Während der vergangenen Monate haben Terrorismusexperten in den USA und in Europa immer wieder auf die Gefahr eines Angriffs auf Verkehrsflugzeuge mit Flugabwehrraketen hingewiesen. Mehr als 27 terroristische Organisationen sollen inzwischen entsprechende Raketenwerfer aus amerikanischer oder russischer Produktion verfügen. Diese können von einem Mann transportiert und von der Schulter aus abgefeuert werden. Ihr Ziel finden die Projektile automatisch, indem ihre Hitzesensoren sie zu den heißen Triebwerken von düsenbetriebenen Maschinen lotsen. Dass diese Raketen auch eingesetzt werden, ist prinzipiell nicht neu: Nach Angaben der US-Regierung wurden seit 1970 mindestens 42 Angriffe auf Flugzeuge mit solchen Raketen verübt, mindestens 900 Passagiere starben.

Am Donnerstag gab es noch unterschiedliche Meinungen, welche Raketen genau auf das Flugzeug in Mombasa gefeuert wurden: sowjetische "Strela 2"-Raketen oder die vergleichbaren amerikanischen "Stinger". "Alles weist darauf hin, dass Stinger-Raketen von Afghanistan aus nach Afrika gebracht und bei dem Angriff verwendet wurden", sagt Dr. Kai Hirschmann von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik gegenüber DW-WORLD. "Wir können nicht ausschließen, dass diese Raketen auch nach Europa gebracht wurden."

Leicht zu bekommen, leicht zu bedienen

"Niemand weiß, wie viele tragbare Raketen in Europa sich in terroristischer Hand befinden", bestätigt auch Jim O'Halloran, Herausgeber der renommierten Fachzeitzeitschrift "Jane's Land-Based Air Defense" gegenüber DW-WORLD. "Man kann solche Raketen ziemlich leicht kriegen, wenn man das Geld und die Kontakte hat. Sie sind billig und einfach zu benutzen."

Vor allem aber kann man sich kaum vor solchen Angriffen schützen: "Man kann sich nicht gegen jemanden schützen, der auf einem Gebäude oder auf der Straße steht und eine Rakete abfeuert", sagt Clair Brunavs, eine Sprecherin der Militär-Experten von "Jane's". Die Stinger-Raketen können auf eine Entfernung von bis zu 8 Kilometern ein Flugzeug abschießen. "Bei einer solchen Reichweite muss man nicht mal in der Nähe einer Rollbahn sein."

Das FBI hatte unlängst vor spektakulären Anschlägen gewarnt, die ein "maximales psychologisches Trauma" auslösen sollten. Den israelischen Jet haben die Teroristen nicht getroffen, ein Trauma konnten sie aber fraglos auslösen. Ein Gefühl der Sicherheit bei Flugreisen wird ein Illusion bleiben.