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Mazedonien, Kosovo, Bosnien - Die friedenssichernden Engagements der Bundeswehr auf dem Balkan

Nina Werkhäuser26. Oktober 2001

Längere Präsenz erforderlich

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Das Lager Bunardzik liegt in der Nähe der mazedonischen Hauptstadt Skopje, ringsum freie Sichte über die Felder. Die Soldaten der Nato-Truppe "Amber Fox", bernsteinfarbener Fuchs, haben sich erst vor wenigen Wochen hier eingerichtet. Auf dem Feld vor dem Lager demonstrieren die Soldaten, was ihre Mission ist: Im Ernstfall zivilen Beobachtern zur Hilfe zu kommen. In der Übung geraten zwei internationale Beobachter in Gefahr. Gepanzerte Fahrzeuge umkreisen das Feld, ein Sanitätshubschrauber jagt im Tiefflug heran.

Alles nur eine Demonstration: Bisher sei keiner der internationalen Beobachter zu Schaden gekommen, sagt Nato-Sprecher Peter Altmannsperger. Die Soldaten halten sich in der dritten Reihe auf: Vorne stehen die zivilen Beobachter und die mazedonischen Sicherheitskräfte.

"Die 'Task Force Fox' ist nicht im Gelände präsent, die ist nicht zu sehen. Die wird in der Hinterhand gehalten, und die kommt zum Einsatz erst für den Fall der Fälle."

Eine kaum sichtbare Mission also, anders als die im Kosovo, wo mit Streifen und Kontrollen Präsenz gezeigt wird. Hier in Mazedonien geht es um Erkundungen, um Beobachtung. Die 700 Soldaten der Task Force Fox sind ein Anker für die Sicherheit der zivilen Beobachter und die Stabilität im Land. Sorgen macht der militärischen Führung, daß die politische Lage in Mazedonien schwer kalkulierbar ist. Das Parlament zögert die zugesagten Änderungen der Verfassung hinaus, und Ministerpräsident Georgievski wirft dem Westen Parteinahme für die albanische Bevölkerung vor. Wie stabil ist die Lage? Verteidigungsminister Rudolf Scharping:

"Es gibt hier und da den Versuch, zu provozieren, wobei man nicht so genau unterscheiden kann, wer provoziert da eigentlich? Manchmal könnten das auch Paramilitärs auf mazedonischer Seite sein, die dann so tun, als sei es eine albanische Provokation und umgekehrt. Aber das hat sehr, sehr deutlich abgenommen."

Scharping hofft, daß das mazedonische Parlament im November die zugesagten Verfassungsänderungen beschließt. Das Mandat der Nato-Truppe Fox geht bis Dezember. Wird das reichen?

"Den Eindruck hatte ich von Anfang an nicht, aber das ist zunächst einmal eine Frage an die mazedonische Regierung und den mazedonischen Staatspräsidenten. Denn die Grenzen der Handlungsmöglichkeiten einer solchen Task Force ergeben sich aus der Souveränität des Staates, in dem man zu Gast ist und dem man versucht zu helfen."

Ein Verlängerung halten auch die Soldaten für wahrscheinlich. In der Task Force Fox stellen die Deutschen das größte Kontingent, und zum ersten Mal in ihrer Geschichte führt die Bundeswehr eine internationale Nato-Truppe an. Mazedonien ist nunmehr das dritte Balkan-Land, in dem die Bundeswehr sich im Rahmen einer internationalen Friedensmission beteiligt, insgesamt mit über 7.000 Soldaten.

Auch das Mandat im benachbarten Kosovo ist auf Dauer angelegt. Im Feldlager Prizren im Süden des Kosovo sagt Scharping den deutschen Soldaten, daß die Bundeswehr künftig mehr Geld bekommen wird und daß deshalb besseres technisches Gerät auch für die Einsatzgebiete gekauft werden kann. Scharping rechnet jährlich mit 1,5 Milliarden Mark mehr. Pressesprecher Udo Gröbner freut das: Als Soldat im Einsatz hat er die Diskussion über den Bundeswehretat satt.

"Natürlich macht das Probleme! Man hört ja die Zahlen, die immer hin und her geschoben werden. Man ist ja hier draußen im Einsatz. Das, was wir kriegen hier für den Einsatz, ist im Prinzip immer alles sichergestellt worden, da kann man nicht meckern. Aber man hat ja einen Bereich, den man auch zu Hause wieder vertritt. Man kann es nur unterstreichen, daß die Diskussionen geführt werden, aber leider auf dem Rücken der falschen Personen."

Schritt für Schritt begleitet die KFOR, die Kosovo Force, den Aufbau einer Zivilgesellschaft. Im November wird im Kosovo ein Parlament gewählt - die KFOR sichert das Umfeld. Udo Gröbner:

"Ich glaube doch, daß das der Weg ist in die richtige Richtung ist: Wenn dann die Parlamentswahlen stattgefunden haben, sich bestimmte Ministerien gegründet haben, daß man dann sagt: Wir können vielleicht auch die Stärke dieser Situation neu anpassen, also die Gesamtstärke von KFOR."

Möglicherweise also weniger Soldaten, aber sie werden auf Dauer in der südserbischen Provinz stationiert sein. Die KFOR kontrolliert die Grenze zu Mazedonien, damit nach dem Ende der Mission 'Essential Harvest' möglichst wenige neue Waffen hinübergeschmuggelt werden. Ganz dicht sei die Grenze aber nicht, sagt Pressesprecher Gröbner, denn sie führt durch das Hochgebirge. Und in einem weiteren Punkt geht es nicht voran: Zwar besuchen serbische Flüchtlinge ihre Dörfer wieder, aber sie ziehen nicht zurück, weil das Umfeld feindselig ist. Im Kosovo ist die D-Mark Zahlungsmittel, also wird auch dort in gut zwei Monaten auf den EURO umgestellt - die KFOR hilft mit der Absicherung des Geldumtauschs.

Ganz anders ist die Lage in Bosnien, wo knapp 1.800 deutsche Soldaten stationiert sind. Auch im Feldlager Rajlovac nahe Sarajevo schaut der Minister vorbei und sagt den Soldaten, daß ihr Engagement nicht vergessen sei. Seit Anfang 1997 ist die SFOR, die "Stabilization Force" im Einsatz, seitdem ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gesunken. Die Soldaten räumen Minen, 135 Jahre bräuchten sie noch bei dem jetzigen Tempo, bis Bosnien minenfrei ist. Sie sichern Exhumierungen ab, sie unterstützen die Rückkehr von Flüchtlingen und den wirtschaftlichen Wiederaufbau.

Für die Soldaten der SFOR hat der 11. September die größten Auswirkungen gehabt. Das Lager Rajlovac wurde stärker abgesichert, das Haupttor verlegt. Der abendliche Ausgang nach Sarajevo ist für die Soldaten gestrichen. Verteidigungsminister Rudolf Scharping:

"Das hängt damit zusammen, daß in Bosnien-Herzegowina noch etwa 600 Mudschahedin leben, daß es erkannte Verbindungen auch zum internationalen Terrorismus gibt, und daß man den Versuch machen muß, sich dagegen zu schützen und gleichzeitig gemeinsam mit dem Staat und seiner Polizei alles zu tun, um Terroristen nicht nur zu erkennen, sondern auch festzunehmen."

Die amerikanischen SFOR-Soldaten hätten bereits Verdächtige festgenommen, berichtet Scharping. Brigadegeneral Bernd Kiesheyer, der Kommandeur des deutschen Heereskontingents, erklärt, daß die ehemaligen Mudschahedin zum Teil falsche Pässe hätten - nach dem Krieg wurden in Bosnien 11.000 Pässe ohne Nachweis ausgegeben - sie seien finanziell gut ausgestattet und arbeiteten teilweise für Hilfsorganisationen aus arabischen Ländern. Für die deutschen Truppen heißt das: Die Fähigkeiten zur Nachrichtengewinnung verbessern, und zwar nicht nur über technisches Gerät, sondern auch durch persönliche Erkundungen. Gerade auf diesem Gebiet, so ein Soldat, müsse die Bundeswehr noch dazulernen.