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Medien in Südosteuropa: Vergangenheitsbewältigung und zähe Reformen

3. August 2006

Viele Länder Südosteuropas haben Schwierigkeiten beim Übergang von ehemaligen Staatssendern zu öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Reformen scheitern, Führungspositionen werden politisch besetzt.

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Häufig hat die Politik die Hand am ReglerBild: AP

Während in Europa die digitale Ausstrahlung von TV- und Radioprogrammen auf den Weg gebracht wird, steht dieser Prozess in Serbien erst am Anfang. Dort wurden noch nicht einmal die grundlegendsten Fragen geklärt. Dragan Kremer, der als Berater für die internationale Medienorganisation IREX Pro Media unter anderem die serbische Medienszene beobachtet, bewertet im Gespräch mit der Deutschen Welle die jetzige Lage der serbischen Medien und gibt eine Antwort auf die Frage, warum die dortige Medienreform so langsam in Gang kommt.

Schmerzliche Geburtswehen in der Politik

«Die dringend notwendigen Reformen, nicht nur im Medienbereich, wurden in Serbien jahrelang auf die lange Bank geschoben. Erst nach dem Fall des Milosevic-Regimes, am Anfang dieses Jahrhunderts, fing man an, einige Gesetze zu verabschieden, die die Medien-Sphäre regulieren. Und zwar mit schmerzlichen Geburtswehen», sagt Kremer. Alle diese Gesetze seien schon im Prozess der Verabschiedung mehr oder weniger «verstümmelt» worden. Sie seien einfach nicht gut, nicht detailliert und nicht effizient genug, fügt er hinzu. Im Prozess der Implementierung der neuen Mediengesetze zeichne sich auf der einen Seite deren unkonsequente Anwendung ab. Auf der anderen Seite habe man praktisch noch nicht begonnen, das zentrale Problem, nämlich die Transformation des Staatssenders RTS Radio-televizija Srbije in einen öffentlich-rechtlichen Sender, anzupacken.

Es fehlt der politische Wille

«Egal, was der von der Regierung installierte RTS-Direktor Tijanic oder die Regierung selbst behaupten, man hat auf diesem Gebiet noch keinen Fortschritt erzielt», kritisiert Dragan Kremer. Man könne natürlich neue Schilder aufstellen und sagen, man habe nun einen öffentlich-rechtlichen Sender in Serbien, aber die breite Öffentlichkeit wisse nicht einmal, was dahinter stecke, erläutert der IREX-Berater. In Serbien fehle es am politischen Willen. Dies beziehe sich nicht nur auf die jetzige Regierung, viel besser sei es auch unter Ministerpräsident Zoran Djindjic nicht gewesen. «Ich fürchte, auch die nächste Regierung in Belgrad wird sich nicht anders verhalten. Der politischen Klasse passt es einfach nicht, wenn Medien unabhängiger werden, sie marktwirtschaftlich organisiert sind und wenn starke politische Parteien kaum Einfluss auf die Medien in Serbien ausüben können», sagt Kremer.

Ungeprüfte Informationen werden «serviert»

Nach seinen Worten ist das Resultat solcher Politik schon auf den ersten Blick erkennbar: «Es tummeln sich einfach viel zu viele Medien auf diesem ökonomisch sehr schwachen Markt. Die Auswirkung ist ein konstanter Qualitätsverlust in der journalistischen Berichterstattung. Es gibt jede Menge politische Manipulationen, es werden andauernd ungeprüfte Informationen serviert, Informationen, die meistens aus den Geheimdienst-Archiven stammen», zählt Kremer auf. Man dürfe sich nicht wundern, wenn in einem solchen Umfeld die Privatsphäre vollkommen missachtet und die Glaubwürdigkeit der Einzelpersonen oder Institutionen folgenlos ruiniert werde.

Reformen werden verschoben

Serbische Behörden zögern mit der wesentlichen Reform der Medienbranche durch die Implementierung neuer Gesetze. Währenddessen sichern sich die Medienkonzerne, die zu den Zeiten des autoritären Regimes von Slobodan Milosevic entstanden, ihre Marktpositionen. Das wurde vor kurzem in einem Bericht der Europäischen Kommission festgestellt. Ein besonderes Problem sei die langsame Transformation des staatlichen Senders RTS, betonte die Kommission.

Wann bekommt Serbien also einen wirklich öffentlich-rechtlichen Sender? Dragen Kremer von der IREX hat nach eigenen Angaben absolut keine Vorstellung, wann dies passieren wird: «Wir sehen, dass die Reform immer wieder und auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Die Probleme häufen sich. Ich sehe keinen, weder die regierenden Parteien, noch die Opposition, der eine klare Position bezüglich der Medien bezieht, oder irgendeinen Plan vorzeigen kann, wann und wie das Ganze geregelt werden könnte».

Ivica Petrovic, Belgrad,
DW-RADIO/Serbisch, 28.3.2006, Fokus Ost-Südost