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Neuanfang mit Obama

16. November 2008

Versöhnliche Töne aus dem Kreml: Die "Vertrauenskrise" zwischen Russland und den USA könne mit Obama beigelegt werden, sagt Präsident Medwedew. Und hofft auf einen Stopp der US-Raketenabwehr-Pläne.

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Russlands Präsident Medwedew auf dem G20-Gipfel (15.11.20028, Quelle: AP)
Die schlechten Beziehungen zu den USA könnten sich unter Obama verbessern, hofft MedwedewBild: AP

Das waren unerwartet harsche Töne aus dem Kreml, am 5. November. Dem Tag, an dem Barack Obama zum neuen US-Präsidenten gewählt wurde. Während Menschen in aller Welt den Sieg Obamas bejubelten, die Regierungschefs gratulierten und wieder auf bessere Beziehungen zu den USA hofften, erwähnte Russlands Präsident Dmitri Medwedew die Wahl seines künftigen Kollegen mit keinem Wort. Stattdessen kündigte er in einer Rede an die Nation an, in der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad Kurzstreckenraketen zu stationieren - als Antwort auf die geplante US-Raketenabwehranlage in Mitteleuropa. Nichts schien sich für Russlands Führung zu ändern durch den Stabswechsel im Weißen Haus – im Gegenteil, die Konfrontation zwischen den USA und Russland schien sich durch die Raketendrohung noch zu verschärfen.

Medwedew und Bush auf dem G20-Gipfel (15.11.20028, Quelle: AP)
Trotz herzlicher Begrüßung: Unter Bush haben die Beziehungen zu Russland gelittenBild: AP

Vorerst. Denn bei seinem ersten US-Besuch im Amt an diesem Wochenende hat Medwedew versöhnlichere Töne angeschlagen. Er begrüße die Wahl Obamas, und betonte, die "Vertrauenskrise" könne beigelegt werden. "Ich glaube, dass wir gute Chancen haben, unsere Beziehungen in vollem Umfang wieder herzustellen", sagte Medwedew nach dem G20-Treffen in Washington nach Angaben der Agentur Interfax. Er sei bereit, sich mit dem neuen Präsidenten Barack Obama schnell zu treffen, um etwa den Streit um die US-Raketenabwehrpläne in Mitteleuropa zu lösen. Der erste Schritt in der Raketenfrage, der müsste gleichwohl von Obama ausgehen.

Medwedew will gemeinsames System

Als Alternative zum verhassten US-Raketenschild in Mitteleuropa könne sich Russland ein gemeinsam entwickeltes System gegen ballistische Raketen vorstellen. Das ist nicht ganz neu: Schon Regierungschef Wladimir Putin hatte noch als Kremlchef den USA angeboten, gemeinsam eine Raketenabwehr aufzubauen. Im Fall eines Einlenkens der USA könne Russland von den Plänen, Kurzstreckenraketen in Kaliningrad zu stationieren, abrücken, sagte Medwedew.

"Man muss feststellen, dass wir in letzter Zeit eine Vertrauenskrise haben. Deshalb verbinden wir Hoffnung mit der neuen Administration", betonte der Kremlchef. Unter dem scheidenden US-Präsidenten George W. Bush sei es nicht gelungen, bei vielen Positionen eine gemeinsame Sprache zu finden. Moskau und Washington könnten ihre Zusammenarbeit auch verbessern, indem sie gegen den "gemeinsamen Feind", die Wirtschaftskrise, vorgingen, sagte Medwedew weiter. Es gebe die Perspektive einer strategischen Partnerschaft.

Kann Obama die Raketenpläne kippen?

Iskender-Kurzstreckenraketen-Station bei einer Parade (Archiv, Quelle: AP)
Russland drohte, Kurzstreckenraketen vom Typ "Iskender" in Kaliningrad zu stationierenBild: AP

Doch ob sich Obama von Bushs Raketenplänen so schnell verabschieden kann, wie es sich der Kremlchef wünscht, ist fraglich. Immerhin haben Polen und Tschechien mit den USA bereits Verträge zur Errichtung der Anlagen geschlossen. Und zumindest Polen scheint die nicht sofort wieder aufkündigen zu wollen: Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk warnte den EU-Ratspräsidenten, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, am Samstag vor einer Einmischung in diese Frage. Die geplante US-Raketenabwehr in seinem Land sei eine rein polnisch-amerikanische Angelegenheit. "Wenn die Amerikaner an diesem Projekt festhalten, werden wir (zur Umsetzung) bereit sein", sagte Tusk in Warschau nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP.

Sarkozy hatte vorgeschlagen, die Frage von Raketenschilden und einer neuen Sicherheitsarchitektur auf einem Gipfel der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Juni 2009 zu diskutieren. Washington und Warschau hatten im August den Bau eines US-Militärstützpunktes in Nordpolen vereinbart. Dort sollen zehn Abfangraketen stationiert werden. In Tschechien ist eine Radaranlage in Böhmen geplant. Die USA hatten erklärt, dass Abwehrsystem für mögliche Angriffe etwa aus dem Iran installieren zu wollen.

Russische Vergesslichkeit

Doch warum kommen die versöhnlichen Worte Medwedews nach dem Wahlsieg Obamas erst jetzt, mit zehn Tagen Verspätung? Medwedew lieferte an diesem Sonntag eine recht banale Erklärung: "Ich habe am 5. November bei aller Wertschätzung für die USA die amerikanischen Wahlen einfach vergessen". (mag)