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Mehr als nur ein Lied

Das Gespräch führte Uli José Anders22. Januar 2003

Die Geschichte von einem Korsen der aufgebrochen ist um die Welt zu verändern. Alain Bernardini im Gespräch mit DW-WORLD über sein neues Album "Umani".

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Alain Bernardini und sein Bruder Jean-FrançoisBild: EMI

Wenn man ihr neues Album "Umani" zum ersten Mal hört, fühlt man sich sofort ans Mittelmeer versetzt und erlebt diese Mischung aus traditioneller Musik und leichter Melancholie. War das Absicht?

Vielleicht. Die Musik klingt immer nach dem Land, aus dem man kommt. Also wenn man uns hört, bekommt man ein Gespür für Korsika. Seine Berge, das Meer - aber unsere Absicht war das nicht.

Wenn man sich intensiver mit "Umani" beschäftigen will und die Texte liest, stutzt man erst einmal. Sie wechseln andauernd Sprachen, Akzente und Dialekte. Warum dieses Verwirrspiel?

Wir Korsen sind eine unterdrückte Minderheit - wie viele andere auch. Entschieden wird das von Mächten, denen die einzelnen indignen Völker nicht wichtig sind. Deswegen habe ich gelernt alle Sprachen der Welt zu lieben. Es handelt sich für mich um mehr als nur Wörter und Sätze. Sie ist unsere Seele und unsere Haut. Wir benutzen gerne das Okzitanische, das Bretonische und Baskisch. Sprachen von denen jeden Tag Hunderte zerstört werden - auch in Europa. Manche Linguisten meinen sogar, dass die Ausrottung dieser Kulturen ein echtes humanitäres Problem darstellt. Aber das ist nicht der Grund warum wir in so vielen Sprachen singen. Bei "I Muvrini" gibt es ja nicht nur Korsen. Wir haben Afrikaner, Spanier, Franzosen und Schweizer. Es ist eben unsere Art zu zeigen, dass wir Korsen sind. Wir akzeptieren alles um uns herum.

Aber hinter dieser melancholischen Musik und den vielen Sprachen verbirgt sich doch sicher eine politische Haltung. Wie wollen Sie dem Hörer vermitteln sich intensiv mit den Texten zu beschäftigen?

Wir wollen den Hörer über die Emotionalität der Musik angeln. Der Hörer muss sie mögen, um mehr darüber erfahren zu wollen. In "Jalálábad" versuchen wir den Kampf der Frauen in Afghanistan darzustellen. Sie leben nach 20 Jahren Krieg entrechtet in einem völlig zerstörten Land. Aber gleichzeitig sind sie uns das beste Beispiel für Widerstand. Diese Frauen tun alles dafür, dass ihre Kinder lesen und schreiben lernen dürfen. Für sie gibt es keine bessere Investition in die Zukunft als Bildung. Diese Frauen glauben daran und werden dafür verfolgt. Wir können nur von ihnen lernen.

Gleichzeitig fordern Sie aber auch in "Diteli" die Kinder zu belügen. Wie passt das zusammen?

Ich habe dieses Lied schon vor Jahren geschrieben, es aber lange nicht beendet. Mir fehlte die richtige Aussage. Als ich dann aber Roberto Beninis Film "Das Leben ist schön" gesehen habe, war mir klar, worüber sich "Diteli" drehen muss. Benini rettet im Film die Seele seines Sohnes dadurch, dass er ihm in Auschwitz erzählt, dass all die Geschehnisse dort nur ein Spiel sind. Er sagt ihm: die Welt ist ein schöner Ort. Eines Tages muss er ihm dann die Wahrheit erzählen. Aber bis dahin lebt der Kleine ohne Angst. Der Zeitpunkt, an dem die Welt ihn weckt, kommt früh genug. Doch bis dahin hat er durch die Liebe seines Vaters so viel Kraft gesammelt, dass er für eine bessere Welt kämpfen kann. Und genau das versuchen wir auch durch unsere Arbeit zu erreichen. Picasso sagte einmal: Ich male Bilder nicht nur um sie an die Wand zu hängen. Und ein Lied ist nicht immer nur ein Lied.