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"Mehr demokratischen Wettbewerb in Russland zulassen"

6. Dezember 2007

Andreas Schockenhoff, Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, meint, Putin sei unumstritten, aber er müsste die Größe haben, nach den Wahlen das Land zu öffnen.

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Andreas Schockenhoff sieht VeränderungenBild: www.andreas-schockenhoff.de

DW-Russisch: Herr Dr. Schockenhoff, die Wahlen in Russland sind gelaufen. Sie waren nach dem Urteil vieler Beobachter nicht frei und fair. Ich möchte dem ein Zitat von Wladimir Putin gegenüberstelle, der bei seinem Besuch im Deutschen Bundestag 2001 gesagt hat: "Wir teilen die gemeinsamen gleichen Werte". Glauben Sie noch daran?

Andreas Schockenhoff: Ich glaube daran. Zumindest müssen wir darauf hin arbeiten, dass wir die gleichen Werte auch praktizieren. Deutschland und Russland haben die Charta des Europarates unterschrieben. Die Erfüllung der darin enthaltenen Wertvorstellungen müssen wir einfordern. Putin hat jetzt eine angepasste Duma, einen angepassten Staatsapparat. Das führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Bürokratie und Korruption, widerspricht damit der Wahlplattform, die die Partei "Einiges Russland" vor diesem Wahlkampf verabschiedet hat. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, jetzt die Diskussion in Russland mit zu führen, mit zu beeinflussen, damit sich das Land öffnet, damit Russland sich in Richtung Demokratie entwickelt. Dazu brauchen wir Geduld und einen langen Atem. Die Wahl war eher ein Rückschritt auf diesem Weg als ein Fortschritt.

Sie sagen: Einfluss nehmen auf die Diskussion, die in Russland geführt wird. Wie erleben Sie denn die Gesprächsbereitschaft auf russischer Seite beim Thema Menschenrechte und Demokratie?

Man muss unterscheiden, mit wem man spricht. Viele Nichtregierungsorganisationen, aber auch Abgeordnete aus der Duma sprechen in der privaten Unterhaltung sehr offen. Das ist eine Veränderung, die es früher nicht gegeben hat. Es kann sich jeder persönlich äußern. Es sind zwar viele in den Medien von der Berichterstattung ausgeschlossen, aber das persönliche Gespräch in Russland ist frei. Das hat es früher nicht gegeben. Das ist eine Entwicklung, die sich meiner Meinung nach auch nicht mehr zurückdrehen lässt. Deshalb brauchen wir mehr zwischengesellschaftliche Kontakte, mehr persönliche Begegnungen zwischen den Menschen, zwischen Deutschen und Russen, zwischen Europäern und Russen. Das macht die Beziehungen belastbarer, das wird Russland aber auch im Inneren verändern. Deswegen brauchen wir nicht nur Zusammenarbeit im Energiebereich, in der Großindustrie, sondern vor allem auch eine engere wirtschaftliche Verflechtung zwischen kleineren und mittleren Betrieben, die die Menschen zusammenbringt.

Nun ist das offene Gespräch so eine Sache. Welche Wege sehen Sie denn, konkret noch mehr Menschen in Russland dazu zu bringen, sich für Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Pressefreiheit einzusetzen?

Ich glaube, dass die wirtschaftliche Modernisierung wirklich ein Schlüssel ist. Je mehr Menschen an Bildung teilhaben, je mehr Menschen an der Modernisierung der Industrie, der Wirtschaft teilhaben, desto mehr Menschen kommen auch mit dem Ausland in Kontakt, und desto mehr Menschen fragen sich, warum nicht auch Russland eine moderne Demokratie sein kann

Auch die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Opposition ist nicht einfach: Es wird in Russland eine Angst geschürt vor ausländischem Geld, vor der angeblichen Anzettelung von Revolutionen. Es wird in den Massenmedien, die durch den Kreml gelenkt werden, massiv Stimmung gemacht gegen ausländischen Einfluss. Was kann man dem von deutscher Seite entgegensetzen, damit da kein Misstrauen aufkommt?

Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Die Bundeskanzlerin hat gegenüber Putin das Vorgehen russischer Sicherheitsorgane gegen Demonstranten offen angesprochen. Die Bundeskanzlerin hat sich mit Nichtregierungsorganisationen, auch mit Oppositionellen in Moskau getroffen, und damit auch in der russischen Öffentlichkeit ein Zeichen gesetzt, das wirkt.

Mit welchen Gefühlen oder Befürchtungen blicken Sie auf die Präsidentschaftswahlen in Russland in drei Monaten?

Wir sehen jetzt, dass Putin der starke Mann ist, dass der russische Präsident die Fäden in der Hand hält, dass er den ganzen Apparat auf sich zuschneidet. Wie das dann ausgehen wird, das weiß ich nicht. Aber wir müssen in unseren Gesprächen mit russischen Partnern auch unsere Erwartung äußern, dass nach der Präsidentschaftswahl Russland die Möglichkeit hat, sich auch wieder stärker zu öffnen, mehr freie Medien zuzulassen, mehr demokratischen Wettbewerb zuzulassen. Denn im Grunde genommen hat sich die Macht des Kreml in Russland unter Putin erheblich gefestigt. Putin ist unumstritten, auch das zeigt diese Wahl. Dann müsste er eigentlich die Größe haben, das Land zu öffnen und mehr Wettbewerb zuzulassen.

Das Gespräch führte Britta Kleymann, DW-Russisch