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Dringender Appell

5. November 2009

Das Kinderhilfswerk Terres des Hommes und die Deutsche Welthungerhilfe haben wenige Wochen vor dem Welt-Klimagipfel eine Studie über die "Wirklichkeit der Entwicklungshilfe" vorgelegt und erheben schwere Vorwürfe.

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Symbolbild Blitz und Sonne mit Windrädern (Foto: AP/dpa)
Klimaschutz in der KriseBild: AP/DPA

Die Appelle klingen wie ein Hilferuf - ein Hilferuf, der seit Jahren ertönt und aus Sicht international tätiger Hilfswerke weitestgehend unerhört bleibt. "Terre des Hommes" und die "Deutsche Welthungerhilfe" sprechen von rund 100 Milliarden Dollar jährlich, die von den reichen Industrieländern aufgebracht werden müssten, um die Klimaschutz- und Anpassungsprogramme für die Länder des Südens zu finanzieren. Die würden am meisten unter dem Klimawandel leiden und seien ohne Unterstützung der Geberländer nicht in der Lage, ihn zu bewältigen. Dabei seien die Industrie- und Schwellenländer die Hauptversursacher der klimaschädlichen Schadstoffe.

"Inakzeptable Paralyse"

Wolfgang Jamman, der Generalsekretär der Welthungerhilfe, kritisiert scharf, dass die Mittel für die Entwicklungshilfe in den Zeiten der Krise bestenfalls stagnieren. Für den bevorstehenden Weltklima-Gipfel Anfang Dezember in Kopenhagen fordert er deshalb konkrete Zusagen und einen verbindlicher Fahrplan - von der Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft: "Bei der Finanzierung wartet jeder auf den anderen." Es sei völlig inakzeptabel, "dass hier ein Stillstand, fast eine Paralyse eintritt, weil sich niemand traut, den ersten Schritt zu machen. Wir verstehen es nicht. Wir erwarten, dass die Bundesregierung ihrem eigenen Anspruch nachkommt.“

Tote Kühe in Kenia (Foto: dpa)
Dürre in Kenia: Qualvoll verendete KüheBild: picture alliance / dpa

Tod und Elend in Kenia

Wolfgang Jamman hat sich den Ernst der Lage vor Ort angeschaut. Er war im ostafrikanischen Kenia und schildert die Bilder, die er im Kopf hat: "Das sind Kleinbauern, deren Felder vertrocknen, deren Vieh verendet. Das sind Mädchen, die von der Schule genommen werden, weil es den Familien wirtschaftlich schlecht geht. Das sind Frauen, die immer weiter laufen müssen, um Trinkwasser nach Hause zu bringen und dabei Leib und Leben gefährden.“

Mindestens ein Prozent

Klimaschutz ist für ihn ein ganz wesentliches Element der Entwicklungshilfe, das nicht auf Kosten anderer Ziele finanziert werden darf. Danuta Sacher, die Geschäftsführerin von "Terre des Hommes", verlangt deshalb von der Bundesregierung als mittelfristiges Ziel eine Aufstockung der finanziellen Mittel auf ein Prozent des Brutto-Nationaleinkommens. In diesem Jahr stellt Deutschland gerade einmal 0,38 Prozent zur Verfügung.

Ernährung und Gesundheit

Neben der Unterstützung des ländlichen Raums müssten die Bereiche Bildung und Gesundheit höchste Priorität haben, verlangt Danuta Sacher.

Kind in Uganda mit leerer Schüssel (Foto: dpa)
Recht auf NahrungBild: dpa

Sollten die Mittel gekürzt werden, hätte das langfristig irreparable Folgen: "Wenn Kindern in einem bestimmten Alter keine gute Ernährung oder Gesundheitsversorgung haben, dann hat das Schädigungen für ihr ganzes Leben zur Folge." Sie spricht deshalb von einer "absolut systemrelevanten" Finanzierung.

Scharfer Blick

Ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklungshilfe erwarten die beiden Hilfswerke von der neuen Bundesregierung mit ihrem neuen Entwicklungsminister Dirk Niebel. Dessen Partei, die Freien Demokraten, wollten das Ministerium ursprünglich abschaffen. Aber die kritischen Worte von "Terre des Hommes" und der "Deutschen Welthungerhilfe" begrüßt Niebel ausdrücklich. Sie "schärfen den Blick", heißt es in einer Presse-Erklärung.

Keine Außenwirtschaftspolitik

Dirk Niebel (Foto: AP)
Dirk NiebelBild: AP

Im Koalitionsvertrag seiner Partei und der konservativen Union stehe ein klares Bekenntnis zum Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz. Die Mittel seines Ministeriums für den Klimaschutz beliefen sich auf rund eine Milliarde Euro und müssten ausgebaut werden. Danuta Sacher von "Terres des Hommes" nimmt das Bekenntnis durchaus wohlwollend zu Kenntnis, ohne ihre Skepsis abzulegen: "Ein Entwicklungsministerium muss anderen Kriterien und Zielen folgen als eine Außenpolitik, die vorrangig außenwirtschaftliche Interessen befördert.“

Der Neue und neue Zahlen

Der neue Entwicklungsminister Niebel darf sich also weiter kritischer Beobachtung durch die Hilfsorganisationen sicher sein. Als Argumentationshilfe für einen aus seiner Sicht effektiveren Klimaschutz nennt Wolfgang Jamann von der "Deutschen Welthungerhilfe" schon mal zwei Zahlen, die reduziert werden müssten und eine Zahl, die es zu erhöhen gelte: 265 Milliarden Dollar hätten die Industrieländer 2008 für Agrar-Subventionen ausgegeben und sogar 300 Milliarden zur Subvention fossiler Brennstoffe. Dem stünden nur ganze drei Milliarden gegenüber, die die Länder des Südens für Klimaschutz- und Anpassungsprogramme erhalten hätten.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Sandra Petersmann