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Mehr Lehrstunde als sinnlicher Gang durch die Geschichte

Silke Bartlick, Berlin 2. Juni 2006

Nach 20-jähriger Diskussion hat Deutschland nun mit einer ständigen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin ein eigenes Nationalmuseum. Hier kann man 2000 Jahre Geschichte an sich vorbeiziehen lassen.

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Erinnerungen an die Zeit der Rösse, Rüstungen und SchwerterBild: AP

Am Anfang steht ein römischer Grenzstein, am Ende weist Christos verhüllter Reichstag in die Zukunft. Dazwischen liegen 2000 Jahre Geschichte und 8000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die sich über die beiden Hauptgeschosse des historischen Zeughauses in Berlin erstrecken. "Die Ausstellung des Museums organisiert sich in ganz besonderer Form," sagt Hans Ottomeyer, Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums (DHM). "Es ist ein Durchgang durch die Geschichte, nicht einseitig chronologisch, nicht einseitig thematisch gegliedert. Sondern die Besucher durcheilen den Geschichtszusammenhang, in den ein Volk hineingewachsen ist und in dem es sich verändert hat, in einem großen Parcours, an den sich Themenräume anschließen. Themenräume, die dann wieder in Erschließungskabinetten eine weitere Beantwortung und Vertiefung erfahren."

DHM Deutsches Historisches Museum in Berlin Eröffnung
Altkanzler Helmut Kohl, Kulturstaatssekretär Bernd Neumann und Kanzlerin Angela Merkel zur DHM-Einweihung (v. l.)Bild: AP

Keine nationale Nabelschau

Museen, sagt Ottomeyer, sind das visuelle Gedächtnis Europas. Aber anders als im späten 19. Jahrhundert sind sie längst kein Ort der nationalen Nabelschau mehr. Deshalb habe man die deutsche Geschichte in der neuen Berliner Ausstellung ganz bewusst in den europäischen Kontext gestellt und benennt Brüche, Widersprüche und Fehlentwicklungen sowie die unterschiedlichen Beurteilungen durch die jeweiligen Zeitgenossen: "Geschichte hat Konjunktur. Wir brauchen sie, um uns besser in einer kontroversen Welt zurecht zu finden und nachhaltige Entwicklungen zu verstehen, die auf uns eindrängen.Weltgeschichte sei nicht der Boden des Glücks, und was vergangen ist, lässt sich nicht mehr ändern. Andern lässt sich nur das Bild von Geschichte", so Ottomeyer.

Zugrunde gelegt werden der deutschen Geschichte in der Berliner Ausstellung nun die in ihrer Sprache verbundenen Völker und Stämme Mitteleuropas, der jüdisch-christliche Jenseitsglaube sowie die Wertvorstellungen der griechisch-römischen Bildungswelt. Sie haben Gemeinschaften geeint, die über die Jahrhunderte hinweg zu monarchischen Reichen wurden, zu Territorialstaaten, einem Kaiserreich, einer Republik, einem Nationalstaat.

Wenig Leben, viel Macht

Deutsches Historisches Museum in Berlin
Das Deutsche Historische Museum von außenBild: AP

8000 Exponate - Gemälde, Handschriften, Münzen, Rüstungen, Plakate, Handwerkszeug oder Geschirr - illustrieren diesen wechselvollen Lauf der Geschichte und deuten an, wie aus Hass Krieg wurde, welche Strategien zum Frieden führten, wie Wohlstand entstand und wieder vertan wurde oder wie politische Persönlichkeiten Macht und Ideen auf sich konzentrierten. "Wir haben dezidiert in der Ausstellung nicht bühnenbildnerisch gearbeitet und rekonstruierend, sondern wir haben versucht, die Objekte nicht hoch- und nicht hinunter zu inszenieren, sondern sie so an ihre Stelle gesetzt, wie sie ursprünglich einmal intendiert waren. In Gebrauchszusammenhängen, in Präsentationsformen oder in Verwahrzusammenhängen", sagt der Generaldirektor des DHM.

All das klingt recht akademisch. Tatsächlich erweist sich der Gang durch das Haus denn auch mehr als historische Lehrstunde, die dem Betrachter einiges an Aufmerksamkeit abverlangt, als ein sinnlicher Spaziergang durch die Jahrhunderte. Einblicke in die Lebenswelten unterschiedlichster Zeiten sucht man hier jedenfalls vergeblich. Und es sind vor allem die Insignien der Mächtigen und Reichen, mit deren Hilfe man sich die Abgründe der Geschichte erschließen darf.

Bildgalerie Das Deutsche Historische Museum Trabant
Der ostdeutsche Trabant darf in der Ausstellung natürlich nicht fehlenBild: AP

Geliebte Alltagsprojekte

Allein das 20. Jahrhundert macht da eine Ausnahme: Nicht nur mit den Bildern der Vernichtungsfeldzüge und des Holocaust, sondern auch mit den Symbolen der deutschen Teilung. Mit Mauer und Grenzzäunen, Trabant und VW-Käfer, Pop-Ikonen, Fernsehstars und selbstredend den führenden Politikern wie ihren erklärten Feinden.