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Mehr oder weniger Europa in der Nato?

1. Dezember 2003

Truppen für weltweite Einsätze, europäisches Streben nach mehr Eigenständigkeit und amerikanisches Misstrauen dagegen – die Nato ist im Umbruch. Die Diskussion darüber ist auf der Nato-Herbsttagung in vollem Gange.

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Lord Robertson fordert ein starkes Engagement der Nato in der WeltBild: AP

Der scheidende Nato-Generalsekretär George Robertson hat mit Blick auf Afghanistan an die Mitgliedstaaten der Allianz appelliert, im Kampf gegen den internationalen Terror mehr Soldaten zu stellen. "Die Nato-Regierungen müssen den politischen Willen haben, ihre Streitkräfte in viel größerer Zahl als zurzeit zu stationieren und zu nutzen", sagte Robertson auf der Herbsttagung der Nato-Verteidigungsminister am Montag (1.12.2003) in Brüssel. "Wir müssen in Afghanistan Kurs halten, wie wir dies auf dem Balkan getan haben."

Lücken schließen

Der deutsche Bundesverteidigungsminister Peter Struck äußerte die Zuversicht, dass die bestehenden militärischen Lücken in Afghanistan geschlossen werden könnten. Er wies aber darauf hin, dass "Deutschland eine Menge dazu geleistet hat." Jetzt seien andere gefragt. Robertson richtete seinen Blick noch weiter in die Zukunft. "Schließlich müssen wir uns auch darauf vorbereiten, Dinge morgen zu tun, die heute noch als unvorstellbar oder unmöglich erscheinen", sagte der Brite, der sein Amt Ende 2003 an den Niederländer Jaap de Hoop Scheffer übergibt.

Dies alles ist auch eine Frage der Kapazitäten. Die Europäer hinken hier der Führungsmacht USA hinterher, die wesentlich mehr Geld für die Rüstung ausgibt. Die Europäer sollen mehr leisten, fordern die USA. Dafür allerdings fordert Europa auch mehr Eigenständigkeit, was wiederum in Washington auf Kritik stößt.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld kritisierte, dadurch dürfe die Nato nicht in Gefahr gebracht werden. Darauf reagierte Verteidigungsminister Struck gelassen. Das Vorgehen der Europäischen Union diene dem Ziel, den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken. Dies müsse auch im Interesse der USA sein. Insofern sei "das überhaupt keine Konkurrenzveranstaltung zur Nato". Rumsfeld hatte beim Gipfel in Neapel (30.11.03) darauf hingewiesen, dass die Nato funktioniere und nicht in Gefahr gebracht werden dürfe.

Europäischen Pfeiler stärken

Die EU-Außenminister hatten sich in Neapel darauf verständigt, einen bereits bestehenden Militärstab in Brüssel aufzustocken, damit dieser auch operative Aufgaben übernehmen kann. Zugleich soll aber auch eine im militärischen Nato-Hauptquartier SHAPE bestehende EU-Planungszelle permanent eingerichtet werden. Neben der Lage in Afghanistan und den Beziehungen zur EU wollten die Minister auch über einen bis Ende 2004 geplanten drastischen Truppenabbau auf dem Balkan beraten.

Im Gespräch ist laut Diplomaten eine Verkleinerung des SFOR-Kontingents in Bosnien von derzeit 12.000 auf 7000 Soldaten und des KFOR-Kontingents im Kosovo von derzeit 17.500 auf 6300. Zudem sei es wahrscheinlich, dass die Mission in Bosnien Ende 2004 von der EU unter Rückgriff auf Nato-Strukturen übernommen wird.

Am Rande der Herbsttagung stellte die Nato ein eigenes Schutzbataillon gegen atomare, biologische und chemische Waffen vor. Das multinationale Team soll auch gegen Angriffe mit radioaktiven Waffen, so genannten "schmutzigen" Bomben gewappnet sein. (dk)