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Mehr Promis bitte ...

Marcus Bösch28. August 2002

Die Parteien setzen im Endspurt vor der Bundestagswahl auch auf die Hilfe von Prominenz aus Kultur, Showbiz und Sport. Aber können fade Lippenbekenntnisse eines Fußballers oder einer Ex-Miss-World die Wahl entscheiden?

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In der "Wir für Schröder"-Kampagne: Schriftsteller Günter GrassBild: AP

Der Rennrodel-Olympiasieger Georg "Schorsch" Hackl tut es. Die deutsche Miss World von 1956, Petra Schürmann, tut es. Und auch der ergraute Talkmaster Joachim Fuchsberger ist mit dabei. Die PR-Strategen der CDU/CSU haben das Trio sowie zahlreiche weitere Promis in ihren Wahlkampf eingespannt. Unter dem Motto "Köpfe für Stoiber" präsentiert die Union Größen aus Showbiz und Sport, die Edmund Stoiber am 22. September zum Wahlsieg verhelfen sollen.

Die SPD wirbt ebenfalls mit prominenten Unterstützern. Vereint in der "Wir für Schröder"-Kampagne sind beispielsweise der Ex-Fußballer Jürgen Klinsmann, der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass und der Teenie-Schwarm und Pop-Sänger Sasha. Wer die Wahl gewinnen will, so scheint es, muss heutzutage mit Prominenten anbandeln und die Sprache der Populärkultur sprechen.

Glamourös wie Amerika?

Vorbild für die mediale Inszenierung von Glamour und Zeitgeist in Wahlkampfzeiten sind die USA. Ein lässiger Bill Clinton, mit Saxofon in der einen und Barbara Streisand in der anderen Hand, gewann 1996 die US-Präsidentschaftswahlen. Eine ultra-prominente Unterstützergruppe ("Friends of Bill") von Hollywoodschauspielern und –regisseuren sorgte damals für ein massenkompatibles und smartes Kandidatenimage. Die Strategen von Union und SPD haben darüber nicht nur gestaunt. Sie bedienen sich auch zunehmend der Ideen von amerikanischen Politik-Profis.

Während in den USA finanzielle Wahlkampfhilfe eine zentrale Rolle spielt, beschränken sich die deutschen Stars und Sternchen allerdings meist auf mehr oder minder aussagekräftige Argumente für die jeweilige Partei. Prominent platzierte Zeitungsanzeigen werben für "eine zweite Halbzeit" des Bundeskanzlers. Bewundernd äußern sich Fernsehschauspielerinnen über die "Kompetenz und das Charisma" Edmund Stoibers, während Schlagerstars die "Weltoffenheit" Gerhard Schröders loben.

Romy Schneider, Derrick und die SPD

Engagement ist einfach geworden. Oft reicht schon eine Unterschrift unter einem Wahlaufruf. Ein schlichter Satz auf der Internetseite der SPD tut es auch. TV-Schauspielerin Esther Schweins schreibt dort, dass sie Gerhard Schröder wählt, "weil vier Jahre nicht genug sind, um 16 Jahre Prasserei auszugleichen". Mehr über ihre Motivation Gerhard Schröder zu unterstützen, erfährt man auf der Seite nicht. Vorbei sind die Zeiten in denen Günter Grass 1972, als eifriger Wahlkämpfer, allein 365 Mal auftrat, um wortstark für Willy Brandt zu werben.

Georg Hackl
Rennrodler Georg Hackl unterstützt Unions-Kanzlerkandidat StoiberBild: AP

Drei Jahre vorher, im Wahlkampfsommer 1969, hatte die Liaison der deutschen Prominenten mit der Politik begonnen. Golo Mann, Günter Grass, Romy Schneider und bald auch "Derrick"-Kommissar Horst Tappert bekannten sich öffentlich zur SPD unter Willy Brandt. "Damals war es etwas überraschendes, dass sich Prominente outen und mit einem Parteibuch herumlaufen", schreibt der Göttinger Parteienforscher Franz Walter. Eine Zeit der politischen Einmischung begann. Mit kritischen Aufsätzen, öffentlichen Vorträgen und Debatten.

Lippenbekenntnisse beim Frühstück

Doch heute findet eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den Wahlprogrammen der Parteien oder ein gesellschaftlicher Diskurs von Prominenten kaum noch statt. Selbst um ehemalige "moralische Großinstanzen" wie Günter Grass ist es, im vollkommen professionalisierten Wahlkampf, still geworden. Bei allen Lippenbekundungen der Stars und Sternchen, scheint politischer Inhalt fast vollkommen auf der Strecke zu bleiben. Gefragt nach der Motivation für sein parteipolitisches Engagement während der Bundestagswahl 1998, antwortete der Schauspieler Martin Semmelrogge: "Meine Stimme bekommt Schröder. Mit dem habe ich mal gefrühstückt."