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Mehr Schatten als Licht

Daniel Scheschkewitz 20. Januar 2003

Vor zwei Jahren wurde der neue US-Präsident George Bush vereidigt. Die Hälfte seiner Amtszeit ist nun herum. Viel ist seitdem nicht nur in den USA passiert. Zeit für eine Bilanz.

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So wahr ihm Gott helfeBild: AP

Am Montag (20. Januar 2003) ist es zwei Jahre her, dass der republikanische US-Präsident George Bush sein Amt antrat. Anlass für eine Halbzeitbilanz. Die gewaltige Unterstützung, die er nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 erfahren hat, als die geschockte Nation sich hinter dem Präsidenten scharte, hat - was nicht überrascht - natürlich abgenommen. Aber immer noch halten 60 Prozent der Amerikaner ihn für einen guten Präsidenten. Trotzdem nimmt die Unzufriedenheit zu, aus wirtschaftlichen wie außenpolitischen Gründen. Eins steht fest: Ob Bushs politischer Stern sinkt oder steigen wird, wird vom Ausgang des Irak-Abenteuers bestimmt.

Sinkender Stern

Jüngste Meinungsumfragen belegen es: Präsident Bushs Stern, der im Zeichen der terroristischen Bedrohung nach dem 11.September 2001 so richtig aufgegangen war, ist auch in den USA im Sinken begriffen. Nur rund 60 Prozent der Amerikaner halten ihn für einen guten Präsidenten - im Herbst 2001 waren es noch 90 Prozent. Was ist seitdem geschehen?

Bush hat innenpolitisch zwar mehrfach die Initiative ergriffen, um der stagnierenden US-Wirtschaft nötige Schubkraft zu verleihen - doch seine vertrauenbildenden Maßnahmen nach den Finanzskandalen beim Energiekonzern Enron und dem Telekommunikationsriesen WorldCom haben die Anleger nicht wirklich überzeugen können.

Hohe Arbeitslosenzahlen

Und auch die Perspektive weiterer Steuersenkungen vor allem für die gut Verdienenden und die Abschaffung der Dividendenbesteuerung - auch das hat das Tief an der US-Börse Wall Street nicht beenden können. Auf dem Arbeitsmarkt tummeln sich zudem mehr Arbeitslose als je zuvor in den vergangenen drei Jahrzehnten.

Die Unsicherheit eines drohenden Kriegszenarios im Irak lässt Konsumenten und Investoren gleichermaßen zögern. Wer weiß schon, wie stark die Energiepreise anziehen werden, wenn im Irak der Krieg ausbricht und der sich nicht so schnell gewinnen lässt, wie die Strategen im US-Verteidigungsministerium hoffen?

Zweierlei Maß

Außenpolitisch hatte Bush vor einem Jahr mit der Formulierung von der Achse des Bösen den Horizont abgesteckt. Es folgte die Doktrin vom legitimen Präventivschlag überall dort, wo die USA von Diktatoren mit Massenvernichtungswaffen bedroht werden. Doch der militärischen Vorbeugung sind enge Grenzen gesteckt. Das muss die einzig verbliebene Supermacht gerade in diesen Wochen in der Nordkorea-Krise schmerzhaft erfahren.

Manch ein Amerikaner reibt sich verwundert die Augen, angesichts der massiven Drohkulisse gegenüber Saddam Hussein einerseits und der sehr zurückhaltenden Diplomatie im Falle Nordkoreas andererseits. Zudem fragen sich mehr und mehr Amerikaner, warum ihr Präsident ihnen den überzeugenden Beweis für die Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen immer noch schuldig bleibt.

Wenig Rücksicht auf Europa

Auch in Deutschland und Europa hat sich Bush in den letzten Monaten sicher nicht beliebter gemacht - vielleicht mit Ausnahme der Nato-Beitrittsstaaten in Mittel- und Osteuropa. In Deutschland, in Frankreich, aber auch beim engsten Verbündeten Großbritannien sind die Vorbehalte gegenüber Bush in der Bevölkerung wohl eher noch gewachsen. Bush hat die Regierungen dieser Länder zwar fast alle konsultiert, so wie er das vor den Vereinten Nationen versprochen hatte, doch nicht nur im Falle des Irak verstärkt sich der Eindruck, dass die Rücksichtnahme im Weißen Haus auf Europas Interessen nur schwach ausgeprägt ist.

Anders als sein Vater vor zwölf Jahren wird der amtierende Präsident wohl kaum mit einem breiten Staatenbündnis in den Krieg gegen den Irak ziehen. Bush junior muss das alles nicht sonderlich beunruhigen. Wenn es ihm gelingt, die Irak-Krise ohne Tausende von Toten zu lösen und ohne dass die US-Wirtschaft in eine Rezession rutscht - dann werden ihn die Amerikaner 2004 wiederwählen, zumal ein überzeugender Herausforderer bei den Demokraten nicht in Sicht ist.