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Mehr Sicherheit für Großveranstaltungen

Marcus Lütticke16. Februar 2014

Nach der Katastrophe bei der Loveparade 2010 mit 21 Toten wurden die Sicherheitsbedingungen für Veranstaltungen überarbeitet. Für manche Events bedeuten die neuen Anforderungen das Aus.

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Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es war wohl das prominenteste Beispiel für die Absage einer Großveranstaltung als Reaktion auf die gestiegenen Sicherheitsanforderungen: Der NRW-Tag 2013 in der Kleinstadt Hückeswagen. Zu dem Event wurden über hunderttausend Besucher in dem nur 16.000 Einwohner zählenden Ort erwartet. "Nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg haben sich die Rahmenbedingungen für Großveranstaltungen drastisch verändert. Die Anforderungen an ein Sicherheitskonzept sind deutlich gestiegen. Dies ist nach heutigem Sachstand bei einem NRW-Tag in einer Kleinstadt kaum umsetzbar, der Aufwand hierfür steht nicht mehr in einem vertretbaren Verhältnis zum Erfolg", stellte Bürgermeister Uwe Ufer bei der Planung fest.

Für Veranstalter von Großereignissen wie Konzerten, Jahrmärkten oder Festivals hat sich durch die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg einiges verändert. In einem viel zu schmalen Zugang zum Veranstaltungsgelände des Techno-Events in der Nähe des Duisburger Hauptbahnhofes drängten sich am 24. Juli 2010 so viele Menschen, dass Panik entstand. In dem Druck der Massen kollabierten zahlreiche Besucher, 21 Menschen wurden zu Tode gequetscht, hunderte zum Teil schwer verletzt.

Die vollständige juristische Aufarbeitung des Unglücks steht noch bevor. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Duisburg Anklage gegen zehn Personen erhoben, die maßgeblich an der Planung der Loveparade 2010 beteiligt waren, darunter Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Veranstalters. Der Tatvorwurf lautet fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Körperverletzung im Amt.

Neue Konzepte

Unabhängig von der Suche nach den Schuldigen für die Katastrophe, hat das Land Nordrhein-Westfalen Maßnahmen eingeleitet, um zukünftig bessere Schutzmechanismen für große Events zu etablieren. So gab es im August 2010 einen Erlass von Innenminister Ralf Jäger, in dem von den Kommunen verlangt wurde, künftig für Großveranstaltungen vom Veranstalter Sicherheitskonzepte einzufordern und diese genau zu prüfen.

Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg (Foto: AP)
Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg 2010Bild: AP

Außerdem wurde im Innenministerium des Landes eine spezielle Projektgruppe eingerichtet. Fachleute aus den Bereichen Feuerwehr, Polizei, Veranstaltungsmanagement, Bevölkerungsschutz und Bauaufsicht sowie aus den Kreisen und Kommunen sollten gemeinsam Standards für sichere Großveranstaltungen entwickeln.

Bettina Gayk, Referatsleiterin für öffentliche Sicherheit und Ordnung im NRW-Innenministerium, hat die Gruppe geleitet. Sie ist überzeugt, dass nach der Katastrophe von Duisburg ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat. "Ich glaube die Sensibilität und die umsichtige Planung schon vor der Veranstaltung hat sich deutlich verbessert und trägt dazu bei, dass es auf Großveranstaltungen jetzt sicherer ist."

Kontrolle durch die Kommunen

Rein rechtlich ist für die Sicherheit eines Events zunächst einmal der Veranstalter verantwortlich - das war vor dem Unglück von Duisburg so und bleibt es auch weiterhin. Die Kontrolle darüber liegt auf der kommunalen Ebene, bei der Stadt oder beim Kreis. Ein sogenannter Orientierungsrahmen, ein Planungspapier das von der Projektgruppe im Innenministerium erstellt wurde, soll die Kommunen bei der Planung und dem Genehmigungsverfahren unterstützen.

Bisher gab es eine Vielzahl unterschiedlicher Behörden, die für Teilbereiche von Großveranstaltungen zuständig waren, nicht aber für das gesamte Sicherheitskonzept. "Wenn eine Veranstaltung eingezäunt ist, dann muss nach dem Baurecht eine Genehmigung eingeholt werden, weil durch das einzäunen Fluchtwege abgeschlossen werden", so Gayk. Für die Straßennutzung dagegen seien Vorschriften des Straßenverkehrsrechts zu beachten. Zukünftig soll die Kommune das gesamte Sicherheitskonzept prüfen und es für den Veranstalter einen zentralen Ansprechpartner geben.

Fehlende Expertise

Doch zur eingehenden fachlichen Prüfung sind die Kommunen oft gar nicht in der Lage. Das sagt zumindest Sabine Funk, die jahrelang als Veranstalterin großer Events tätig war, unter anderem für das Musikfestival Rheinkultur in Bonn. Auch sie hat in der Projektgruppe des Innenministeriums mitgewirkt. Mittlerweile bietet sie Schulungen und Beratungen zu Veranstaltungssicherheit für Kommunen und Veranstalter an.

Funk kritisiert die mangelnde Expertise bei den Kommunen, die nun Aufgaben wahrnehmen müssten, auf die sie oft gar nicht vorbereitet sind. "Sie haben oft keine Ausbildung für diesen Bereich, sie haben aber auch keine zusätzlichen Ressourcen bekommen." Die Ordnungsämter seien ohnehin meist überlastet. "Nun müssen sie auch noch zusätzlich ein Genehmigungsverfahren für eine Großveranstaltung umsetzen."

Aus Angst oder Unwissenheit schießen die Genehmigungsbehörden dann auch teilweise über das Ziel hinaus. "Es gibt sicherlich Auflagen, die vollkommen überzogen sind", so Funk. Das führe auf Seiten der Veranstalter dann häufig zu Frust. Hier könne nur eine bessere und vor allem standardisierte Ausbildung der zuständigen Mitarbeiter in den Behörden Abhilfe schaffen. Doch die Entwicklung geeigneter Angebote stecke in Deutschland noch in den Kinderschuhen.

Bettina Gayk, Referatsleiterin für öffentliche Sicherheit und Ordnung im NRW-Innenministerium (Foto: privat)
Bettina Gayk hat die neuen Sicherheitskonzepte mit erarbeitetBild: privat

Die Absage des NRW-Tages in der Kleinstadt Hückeswagen wahr wohl keine überzogene Reaktion, sondern dringend geboten. Das meint auch Bettina Gayk vom NRW-Innenministerium: "Eine Veranstaltung in der größe war in der Örtlichkeit einfach nicht zu realisieren. Das mussten wir einfach feststellen."