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Berlinale-Tagebuch

12. Februar 2010

Auch das hat das Berlinaleteam zum Jubiläum hingekriegt. Schnee und Eis, klirrende Kälte und grauer Himmel. So war das doch schon einmal. Bestimmt. Ich war dabei.

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Kulturredakteur Jochen Kürten hat sich selbst fotografiert. Februar 2010
Kulturredakteur Jochen Kürten unterwegs auf der BerlinaleBild: DW

In den 80er Jahren war die Berlinale immer verschneit, immer kalt, immer etwas abweisend und - ganz ehrlich - immer GRAU. Alle erinnern sich jetzt, es ist ja auch so eine Art Erinnerungsberlinale, 60 Jahre alt, runder Geburtstag, überall wird zurückgedacht an die gute alte Zeit. Aber Halt, da war doch was, in der Stadt war doch irgendwas anders…

Menschen in einem geteilten Land

Mittendrin stand eine Mauer, hässlich, roh, auch grau und unglaublich abweisend. Und die Berlinale fand auch nur im Westen statt, am Kurfürstendamm, im Zoopalast, im Delphi. Der Osten war weit weg, auch wenn man manchmal zwischendurch rüber ging und das Zwangsumtauschgeld in ein paar Klassiker investierte. Alte Kamelle werden jetzt manche sagen, gerade jetzt, ist ja Karneval. Aber mir geht das nicht aus dem Kopf, so lange ist das ja alles nicht her, die Erinnerung ist noch frisch, gerade weil die Situation so unglaublich absurd war, eine geteilte Stadt mit Kontrollen mitten im Zentrum, mit Stacheldraht und Grenzposten.

Warum mir das gerade jetzt wieder einfällt? Auch wegen des Schnees, früher stampfte man tatsächlich noch öfters durch Matsch und Wasser, Dreck und Schmutz zwischen den Kinos, von Vorstellung zu Vorstellung. Aber auch wegen des Eröffnungsfilms. Denn der zeigt eine unglaubliche Geschichte aus einem geteilten Land und was die Trennung durch Mauern und Grenzen mit den Menschen macht. "Tuan Yuan" aus China von Regisseur Wang Quan'an blickt auf die Langzeitfolgen einer solchen Teilung, ganz leise und unspektakulär, darum aber umso intensiver und eindringlicher.

Der Eröffnungsfilm ist ein Erinnerungsgeschenk

Da hat die Berlinale einen guten Riecher gehabt. Das ist wirklich ein Coup, ein Erinnerungsgeschenk, mal nicht auf pompös-leeres Ausstattungskino zu setzen zu Beginn des Wettbewerbs, sondern auf eine Geschichte, die wirklich zu Herzen geht und die zeigt, dass China sehr nah sein kann. Ganz nah an Berlin und seinen Menschen, auch wenn man das hier - in Westdeutschland - fast schon wieder vergessen hat. Statt Nicole Kidman und George Clooney, Lisa Lu und Ling Feng auf dem Roten Teppich, das hat doch was, öffnet die Augen für ganz andere Berlinalewelten.

Und dann erwarten uns in den nächsten Tagen auch noch Filme aus Russland und aus den jugoslawischen Nachfolgestaaten. Daran hatte es doch so sehr gehapert in den letzten Jahren, Filme aus dem Osten des Kontinents. Auch da war doch mal was. Die Berlinale war eine Brücke zwischen Ost und West, fruchtbarer Austausch. Auch wenn sich die politischen Verhältnisse geändert haben, Russland ist uns doch manchmal ferner als China. Filme können da helfen zu verstehen. Glückwunsch Berlinale für den guten Start zum 60sten!

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Sarah Judith Hofmann