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Meine Berlinale

20. Februar 2010

Redakteur Breandain O'Shea aus dem englischen Team mag an der Berlinale, dass sie auch kleine Filme von bisher unbekannten Regisseuren zeigt.

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Bild: Breandain O Shea

Es ist 6.30 Uhr. Mein Wecker dröhnt und mein ganzer Körper ächzt. Draußen sind es fast Minus 10 Grad, und ich weiß, wenn ich nicht bald mein winziges, aber warmes Berliner Appartement verlasse und dem Graupel, Schnee und Eis da draußen ins Auge blicke, werde ich die Filmvorstellung um 8.30 Uhr verpassen. Autsch! Mein Gesicht wird von tausenden Nadelstichen der eisigen Kälte getroffen - zu Hause in Brisbane, Australien, haben wir jetzt 35 Grad. Kann mir bitte jemand sagen was zum Geier ich hier tue?


Eine Welt jenseits

Als die Tram endlich auf dem Potsdamer Platz einfährt ist sie voll von Film-Junkies auf Schlafentzug - einige mit Brummschädel von der leeren Flasche, die sie heute morgen auf ihren Küchentischen fanden, einige wie Kinder nach einem unbeobachteten Besuch in der Süßwarenabteilung - vollgestopft mit einer Überdosis Film. Wie hungriges Herdenvieh strömen wir in den Berlinale Palast. Eine zwanghafte Sehnsucht nach der ersten Koffeindosis liegt in der Luft. Doch in wenigen Sekunden werden Kaffee und Kopfschmerzen völlig vergessen sein - beim Übergang in eine Welt weit jenseits der Leinwand.

In all meinen Jahren bei der Berlinale haben mich nur wenige Filme nicht berührt. Meine Berlinale spielt sich nicht bei den Blockbustern hochgejubelter Superregisseure ab - die kann man ja schließlich jeden Abend der Woche sehen. Sicher lassen sich auch unter den Hollywood - und Bollywoodfilmen der Berlinale der eine oder andere strahlende Stern für die Welt da draußen finden. Aber, man sollte sich von all dem Sternenlicht nicht ablenken lassen! Der Berlinale-Insider weiß: Es gibt viel mehr Goldstücke in dieser Galaxie der Filme. Meisterstücke von Filmemachern, die nie Hollywood-Regisseure waren und wahrscheinlich auch nie welche sein werden.

Weit entfernt von Sternenstaub

Armut, Ungerechtigkeit, Diskriminierung: Diese Menschen wagen sich an Geschichten, die bei dem Rest der Welt in Vergessenheit geraten sind. Sie arbeiten unter unmöglichen Bedingungen mit Budgets, die gerade mal an die Rechnung einer After-Work-Party Rechnung eines Blockbusters heranreichen. Filmemacher mit dem Drang eine Geschichte zu erzählen, die nicht das große Geld bringen wird, die sie nicht berühmt machen wird.

Wieso gerade die Berlinale? Nun, hier kann ich immer wieder die vielen Kämpfe spüren, die ausgefochten wurden und werden. Die Wunden, die zu Narben verheilt sind und zu der Erinnerung, dass man manchmal so mutig sein muss, auch eine unpopuläre Geschichte zu erzählen oder einfach neuen Boden zu betreten. Dieses Festival ist einzigartig darin sicherzustellen, dass auch solche Filme eine Plattform bekommen. Diese Filmemacher sind weit entfernt von Glamour und Sternenstaub - aber trotzdem sind sie die Helden meiner Berlinale.

Autor: Breándain O'Shea

Redaktion: Marcus Bösch