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Midterms entscheiden über die US-Demokratie

7. November 2022

Donald Trump ist zurück auf der politischen Bühne und dominiert die Zwischenwahlen in den USA. Nicht einmal seine eigene Republikanische Partei kann das ändern, meint Michaela Küfner.

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Donald Trump lässt sich auf einer Bühne mit drei US-Flaggen feiern
Hält sich immer noch für den Sieger der US-Wahlen 2020: Ex-Präsident Donald TrumpBild: Stephen Maturen/AFP/Getty Images

Ob Sie es mögen oder nicht: US-amerikanische Wählerinnen und Wähler haben ein Mitspracherecht in Ihrem Leben, egal wo Sie leben. Weil US-Amerikaner Bürgerinnen und Bürger einer Weltmacht sind, haben ihre persönlichen Entscheidungen an der Wahlurne weltweiten Einfluss, vor allem, wenn in Europa ein Krieg tobt.

Am Dienstag stimmen rund 154 Millionen Wähler in den Vereinigten Staaten über einen neuen Kongress und weitere Posten ab. Vor allem werden sie darüber entscheiden, ob Präsident Joe Biden in seinen verbleibenden zwei Jahren im Amt politisch noch etwas bewegen kann.

Falls Sie noch einen Beweis dafür brauchen, welche globale Macht diese Wählerinnen und Wähler haben, schauen Sie einfach einmal, welche Angst in den Augen hoher NATO-Verantwortlicher aufblitzt bei der Aussicht, dass Donald Trump 2024 erneut als Präsidentschaftskandidat antreten könnte. Sein jüngster Wink, dass das "sehr, sehr, sehr wahrscheinlich" sei, hat sich schneller und weiter verbreitet als jeder der Wahlslogans, für die die Kandidaten zusammen 16 Milliarden US-Dollar ausgegeben haben, womit es die kostspieligsten Zwischenwahlen in der Geschichte der USA sind.

DW-Korrespondentin Michaela Küfner mit DW-Mikrofon
DW-Korrespondentin Michaela KüfnerBild: DW

In vielen Bundesstaaten gibt es Kopf-an-Kopf-Rennen, aber insgesamt wird eine "rote Welle" vorausgesagt, die den Republikanern in beiden Kammern des Kongresses die Macht zurückgeben würde. Solch ein Rückschlag für amtierende Präsidenten in den Midterms gilt als "normal" im Kreislauf der US-amerikanischen Politik.

Bei diesen Wahlen allerdings ist gar nichts normal. Und zwar vor allem, weil Amerikanerinnen und Amerikaner darüber abstimmen, ob sie beim gegenwärtigen demokratischen Kurs bleiben oder ob der Hass und das Misstrauen zwischen Trumps "Make America Great Again"-Republikanern und so ziemlich allen anderen Menschen schon so tief ist, dass sie keine Niederlage akzeptieren, egal was die Stimmauszählung ergibt.

"Trump hat gewonnen" - diese Lüge hält sich

Bis heute beharrt Trump darauf, dass er weiterhin im Weißen Haus sitzen sollte, nicht Biden - unabhängig davon, dass selbst Anwälte der Republikaner festgestellt haben, dass die Wahl "verloren, nicht gestohlen" wurde. Sie haben davor gewarnt, dass es die Demokratie der USA gefährdet, wenn die Glaubwürdigkeit von Wahlen untergraben wird - erfolglos. Der Schaden ist angerichtet. Während das Vertrauen in Wahlen generell weiterhin hoch ist, misstraut fast ein Viertel der Republikaner dem Wahlsystem. Und eine neue Generation Trump ergebener republikanischer Führer schürt das Feuer.

Vor US-Midterms: Biden um Demokratie besorgt

Rund 300 Wahlleugner sind bei der Republikanischen Partei aufgestellt. Trump persönlich unterstützt hochrangige Kandidatinnen und Kandidaten, die seine Lüge vom "Großen Diebstahl" teilen. So wie die ehemalige Fox-TV-Moderatorin Kari Lake, die im Bundesstaat Arizona Gouverneurin werden will und sagt, Biden "sollte nicht im Weißen Haus sein". Lake ist überzeugt, dass sie "von Gott auserwählt" ist und lässt keinen Zweifel daran, dass sie nur einen Sieg als legitimes Wahlergebnis anerkennen wird. Ihr geschmeidiges Auftreten und ihre schamlosen Attacken auf ihre ehemaligen Kollegen in den Medien machen sie zu einer möglichen Vizepräsidentschaftskandidatin für Trump 2024.

2020 ist Trump damit gescheitert, Wahlleiter dazu zu bringen, die Stimmen "zu finden", die er brauchte. Jetzt gibt es die reale Möglichkeit, dass in vielen Bundesstaaten Wahlleugnerinnen und -leugner öffentliche Wahlämter übernehmen, und sie könnten dann die Präsidentschaftswahl 2024 organisieren und entweder amtlich beglaubigen oder anfechten. In der Folge könnte das "Finden" bestätigter Wählerstimmen bald das Ergebnis eines Aushandelns sein - nicht einer tatsächlichen Auszählung.

Die Saat von Hass und Misstrauen

Es gibt eine riesige Kluft, die das Vertrauen der Amerikaner zueinander zu zerstören droht. US-Bürger und -Bürgerinnen leben zunehmend in zwei parallelen Realitäten, je nach politischem Lager. Sie teilen zwar Sorgen - etwa über steigende Preise und wachsende Kriminalität, doch was sie verbinden könnte, spaltet sie noch mehr. Die Versuche der Demokraten, die wirtschaftlichen Härten für die Armen abzufedern, übersetzen Republikaner als "Sozialismus". Deren Antwort auf Verbrechen heißt mehr Waffen, während für die Demokraten Straftaten ein Grund sind, gegen Waffenbesitz durchzugreifen. Hinter verschlossenen Türen beklagen Senatoren, Senatorinnen und Abgeordnete, dass es kaum noch eine gemeinsame Basis für Debatten gibt. Wo es politischen Selbstmord bedeutet, sich für Kompromisse einzusetzen, wachsen ausschließlich Hass und Misstrauen.

Solange die kaum noch wahrnehmbare schweigende Mehrheit sich nicht an der Urne für ihr Amerika einsetzt, wird sie ihr Land möglicherweise bald in den Händen von Leuten sehen, die nur ihre eigene Freiheit verteidigen, nicht die von anderen, wenn sie sagen: "Wir, das Volk." Das beträfe auch Verbündete der USA wie die Ukraine, den größten Teil Europas und viele Länder darüber hinaus.

Letzten Endes wird jedes Kreuz auf einem Wahlzettel oder an der elektronischen Urne dazu beitragen, wie die USA ihre Interessensphäre und ihren Einfluss in einer sich ändernden Weltordnung gestalten.

Adaption aus dem Englischen: Beate Hinrichs