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Melodien für Millionen

Conny Paul20. Juni 2008

Entweder man mag ihn oder man mag ihn nicht, den deutschen Schlager. In der Musik gibt es nur wenige Genres, die derartig stark polarisieren. Das Haus der Geschichte in Bonn zeigt ein ganzes Jahrhundert des Schlagers.

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Bravo-Starschnitt von Freddy QuinnBild: DW/Conny Paul

Über 1000 Schlager können die Besucher auf einem chronologischen Rundgang an interaktiven Abhörstationen hören. Es gibt zahlreiche Exponate zu bestaunen: Von Caterina Valentes Gitarre bis zum gläsernen Flügel von Udo Jürgens. Alles ist verteilt auf mehrere Bühnen, die in Zeitabschnitte unterteilt sind. Die Ausstellung führt die Besucher durch ein Jahrhundert Schlagergeschichte und erzählt, wer und was hinter den oft belächelten Liedern steckt.

Austellung Melodien für Millionen - Das Jahrhundert des Schlagers im Haus der Geschichte
Prof. Dr. Hanno Sowade, Projektleiter der AusstellungBild: DW/Conny Paul

"Als Haus der Geschichte wollen wir beides zeigen: Einmal die Showbühne, wo der Star sich präsentiert, und die Zuschauer, zu denen der Sänger seine Emotionen transportiert", sagt Hanno Sowade, Projektleiter der Ausstellung. "Dann wollen wir aber genauso die Hintergründe des Schlagers präsentieren. Auch in seinen technischen Entwicklungen vom Grammophon über den Tonfilm und das Radio."

"Liebling, mein Herz lässt dich grüßen"

Unseren Rundgang beginnen wir im Zeitabschnitt Weimarer Republik. Hier erfahren wir, wie wichtig Schallplatte und Radio für die Verbreitung der Schlager waren. Außerdem, dass Gesellschaft und Zeitgeist die Themen der Schlager beeinflussten, wie zum Beispiel die Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren.

Die ersten richtigen Schlagerstars bringt der Tonfilm hervor, denn er verhilft dem Schlager zu einem Gesicht. 1930 kommt der Film "Die drei von der Tankstelle" in die Kinos. Der Komponist Werner Richard Heymann und der Texter Robert Gilbert schreiben für ihn das Lied "Liebling, mein Herz lässt dich grüßen." Gesungen wird der Evergreen von Lilian Harvey und Willy Fritsch, dem Traumpaar des deutschen Tonfilms. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten müssen Komponist und Texter Deutschland verlassen. Jüdische Autoren werden verfolgt und die Nationalsozialisten versuchen eigene, "artgemäße" Musik durchzusetzten. Und schon haben wir die zweite Bühne erreicht.

"Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen"

Bildgalerie Zarah Leander 100 Jahre Filmszene Bild 6
Zarah Leander in "Die Grosse Liebe"Bild: picture-alliance / akg-images

Viele Stars lassen sich von den Nationalsozialisten einnehmen und gleichschalten. Sie spielen in Filmen mit, die zur NS-Propaganda benutzt werden. Dann werden Filme gedreht, die vom 2. Weltkrieg ablenken sollen. Der Schauspieler Heinz Rühmann lässt sich auf Druck von Joseph Goebbels von seiner jüdischen Ehefrau scheiden, und die schwedische Künstlerin Zarah Leander singt 1942 im Ufa-Streifen "Die große Liebe" das Lied "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen." Die Musik stammt von Michael Jary und der Text aus der Feder von Bruno Balz.

Bruno Balz wird im 3. Reich aufgrund seiner Homosexualität verfolgt. 1941 ist er wieder in Gestapo-Haft. Hanno Sowade erzählt über Zarah Leander, was nur wenige wissen: "Auf Intervention von Zarah Leander und dem Komponisten Michael Jary wurde Bruno Balz aus Gestapo-Haft entlassen. Die beiden haben gegenüber Goebbels argumentiert, sie bräuchten für den Schlagerfilm 'Die Große Liebe' ihren Textdichter Bruno Balz. Sie haben ihn dadurch aus Gestapo-Haft und sicher auch vor dem Tode gerettet."

Lesen Sie weiter: Von sozialistischen Schlagern in der DDR und der ZDF-Hitparade...

"Ganz Paris träumt von der Liebe"

Cornelia Froboess
Cornelia FroboessBild: dpa

In der Zeit nach dem Kriegsende 1945 entsteht der Heimatfilm. Mit vielen Schlagern garniert, zeigt er die Sehnsucht der Deutschen nach der "heilen Welt." Die Stars der 1950er sind Caterina Valente, Peter Alexander oder Conny Froboess und Peter Kraus. Auch sie wirken bis in die 1960er Jahre in zahlreichen Schlagerfilmen mit. Die Themen bleiben seicht, im Wesentlichen geht es um "Liebe".

Und doch gibt es immer wieder Schlager, die sich kritisch mit der Gesellschaft auseinander setzen. "Zum Beispiel 'Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien'", erklärt Hanno Sowade. "Das ist ein beliebter Karnevalsschlager im Rheinland, der auf die Staatsform abspielt. Wir sind Besatzungszonen gewesen, es gab noch keine Bundesrepublik."

"Was willst du denn in Rio?"

In der DDR stellt sich der Schlager etwas anders dar. Hier versucht das SED-Regime einen sozialistischen Schlager zu schaffen. Ein Titel, der nach dem Mauerbau forciert wird: "Was willst du denn in Rio? Es ist doch auch zuhause schön". Günter Geißler singt dieses Lied 1962 für die DDR.

Zeitgleich bejubeln die Fans in Westdeutschland Drafi Deutscher mit "Marmor, Stein und Eisen bricht" oder Manuela, die 1963 mit "Schuld war nur der Bossa Nova" ihren Durchbruch hat. Aber auch Manuelas Abstieg wird erzählt: Verleumdung, Prozess, Medienboykott. Und vorbei ist die strahlende Sängerkarriere.

"Schön ist es auf der Welt zu sein"

Austellung Melodien für Millionen - Das Jahrhundert des Schlagers im Haus der Geschichte
Musikmanager Hans Beierlein mit Udo Jürgens im MusikmacherbereichBild: DW/Conny Paul

Die 1970er Jahre sind die Zeit von Dieter Thomas Heck und der ZDF-Hitparade. Dem Moderator widmet die Ausstellung im Haus der Geschichte ihre Hauptbühne. Es sind die originalen Kulissen der Kult-Fernseh-Show. In der Mitte steht der gläserne Flügel von Udo Jürgens, der damals mit seinen sozialkritischen Themen Aufsehen erregte.

Im Bereich unterhalb der Fernsehbühne entdecken wir die Schlagermacher: Komponisten, Texter, Verleger und Musikmanager. Ohne sie gäbe es keinen kommerziellen Erfolg. Dieser war seit den Anfängen des Schlagers wichtig und ist es bis heute. Denn alle Künstler und Macher haben eins gemeinsam: Sie wollen Geld verdienen.

"Ein bißchen Frieden"

Nicole
Nicole zeigt die Gitarre, das Kleid und die Schuhe, mit denen sie vor 20 Jahren den Grand Prix gewannBild: PA/dpa

Am 24. April 1982 gewinnt Nicole mit dem Lied "Ein bißchen Frieden" den Grand Prix de la Chanson. Ein absoluter Verkaufsschlager. Zehn Jahre später etabliert das Fernsehen den volkstümlichen Schlager, der bis heute Millionen vor den Fernseher zieht. Der moderne Schlager schwächelt allerdings. Daran ändern auch die temporären Blödelbarden wie Guildo Horn oder DJ Ötzi nichts. Auch aus diesem Zeitabschnitt gibt es jede Menge Exponate zu sehen: Vom Plattencover der Klaus Lage Band bis zur Glücksbringer-Unterhose von Florian Silbereisen.

Der erfolgreichste deutsche Schlager ist übrigens "Heimweh" von Freddy Quinn. Die Platte wurde 1956 veröffentlicht und rund acht Millionen Mal verkauft.