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Menschen statt Machart

26. Mai 2003

Das Drama "Elephant" des US-Regisseurs Gus van Sant hat das 56. Filmfest von Cannes gewonnen. Die Jury zeichnete damit zum zweiten Mal in Folge einen Film über (Waffen-)Gewalt in den USA aus.

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Gus van Sant mit der "Goldenen Palme" von CannesBild: AP

"Es ist wundervoll, solch einen Preis zu erhalten, nachdem ich jahrelang versucht habe, meine Filme nach Cannes zu bringen", sagte der sichtlich bewegte Gus van Sant. Der 50-jährige Regisseur, der zuvor schon mit anderen Jugendgeschichten wie "My Own Private Idaho" oder "Good Will Hunting" überzeugen konnte, nahm auch den Preis für die beste Regie entgegen.

Van Sant drehte "Elephant" mit Kindern aus seiner Heimatstadt Portland im Bundesstaat Oregon. Er zeichnete ein eindrucksvolles Bild des Schulalltags, der sich durch zwei um sich schießende Schüler in eine Tragödie wandelt. "Ich denke, es ist kein anti-amerikanischer Film", sagte van Sant. "Er ist aus der Sichtweise meines Lebens in den USA gemacht." Erst im vergangenen Jahr hatte mit dem Film "Bowling for Columbine" des US-Dokumentarfilmers Michael Moore ein Film die "Goldene Palme" gewonnen, der auf Waffenmissbrauch in den USA aufmerksam machte.

Menschen statt Machart

Mit der Goldenen Palme für "Elephant" und dem Großen Preis für das Einsamkeitsdrama "Uzak" aus der Türkei hat die Jury unter der Leitung des Regisseurs Patrice Chéreau Filme geehrt, die sich ernsthaft für Menschen interessieren - und weniger die strenge Ausführung eines künstlerischen Konzepts verfolgen. "Elephant" untersucht ganz unspektakulär die Bedingungen, die zu Gewalt und einem Massaker an einer amerikanischen High School führen können.

Da gibt es zickige Mädchen, überhebliche Jungen. Die späteren Täter sind sensibel. Sie spielen Klavier, aber auch Killer-Spiele am PC, bestellen sich Waffen im Internet und schauen Hitler-Videos. Der Film ist in einem realistischen Stil mit Laien-Darstellern gedreht, die auch viele ihrer Dialoge selbst geschieben haben. "Es ist schon etwas abstrakt. Es ist schon eher ein Gedicht über das Leben dieser High-School-Kids", sagte der Regisseur im Nachhinein.

Lars von Trier ohne Lob und Preis

Für viele Festival-Besucher überraschend ging der mitfavorisierte Film "Dogville" des dänischen Regisseurs Lars on Trier mit Hollywood-Star Nicole Kidman in der Hauptrolle leer aus. In dem dreistündigen, düsteren Werk spielt Oscarpreisträgerin Kidman eine Frau, deren Geheimnis ein ganzes Dorf in den Rocky Mountains in Aufregung versetzt.

Der Film wurde komplett im Studio gedreht. Dabei wurden kaum Kulissen verwendet: Straßen sind beispielsweise mit Kreide auf dem Boden aufgezeichnet und die Schauspieler imitieren das Öffnen von nicht vorhandenen Türen. Dass der Provokateur aus Dänemark die Heimreise ganz ohne einen Preis antreten muss, ist die größte Überraschung nach einem Wettbewerb mit nur wenigen echten Highlights.

Cannes in der Krise?

Insgesamt stand der 56. Jahrgang des Festivals unter keinem guten Stern. Verglichen mit dem interessanten Wettbewerb des Vorjahres kam die Konkurrenz nur langsam in Fahrt. Frühere Palmen-Gewinner wie Quentin Tarantino oder Joel und Ethan Coen aus den USA hatten ihre neuesten Werke kurz vor Bekanntgabe der offiziellen Auswahl zurückgezogen. Zur Begründung hieß es, sie seien noch nicht fertig.

Während des Festivals warf das amerikanische Fachblatt "Variety" aber einen anderen Blick auf die Absagen. "Die sind nicht fertig, weil keiner fertig sein will", enthüllte der mächtige Boss des US-Studios Miramax, Harvey Weinstein ("The Hours"), in einem langen "Variety"-Bericht. Er warf Cannes unter anderem ein unklares programmatisches Profil, "überwältigenden Druck" auf die Teilnehmer und "Scheinheiligkeit" vor. Voll des Lobes war Weinstein dagegen für die Festivals in Venedig und Berlin. "Berlin ist stark, weil Cannes so schwach war", freute sich auch die deutsche Staatsministerin für Kultur, Christina Weiss, während ihres Besuches an der Cote d'Azur.