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Menschenrechte oder Öl?

Daniel Scheschkewitz19. September 2002

Die amerikanischen Motive für einen möglichen Krieg im Irak sind Gegenstand heftiger Spekulationen: Geht es wirklich nur um die Bedrohung durch tatsächliche oder vermeintliche Massenvernichtungswaffen?

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"Schwarzes Gold" in FässernBild: AP

Zweifel daran werden vor allem deshalb laut, weil der Irak nach Saudi-Arabien über die zweitgrößten Erdöl-Vorkommen in der Region verfügt. Von einer Ausbeutung der Ölreserven und einer Aufhebung des Handels-Embargos nach einem Sturz Saddam Husseins könnten vor allem amerikanische Ölfirmen profitieren. Franzosen und Russen haben jedoch ebenfalls Interessen, die zum Teil denen der USA entgegenstehen.

Nur auf den ersten Blick spielt der Irak für die US-Ölimporte keine große Rolle: Im Jahr 2001 beliefen sie sich auf nur 8,5 Prozent und gingen im Laufe dieses Sommers sogar auf rund drei Prozent zurück. Doch wenn sich die politischen Rahmenbedingungen änderten, böte das Land an Euphrat und Tigris ein enormes Potenzial: Die Ölreserven des Irak belaufen sich auf rund 110 Milliarden Barrel. Mehr Öl hat nur Saudi-Arabien. “Der Irak schwimmt im Öl", sagt David Nabb, Herausgeber der US-amerikanischen Fachzeitschrift "Global Oil Market Analysis". "Große Mengen sind schon entdeckt und gefördert worden, aber es gibt noch immer riesige Reserven."

Politische Waffe

Technologisch sind viele Öl-Bohranlagen des Iraks entweder veraltet oder im Krieg mit dem Iran sowie im Golfkrieg von 1991 beschädigt worden. In der Zwischenzeit hat man jedoch Methoden entwickelt, mit denen tiefer und billiger gebohrt werden kann, als es im Irak zurzeit der Fall ist. Ahmed Chalabi vom "Center for global Energy Studies” schätzt, dass der Irak etwa sieben Mal mehr fördern könnte als die gegenwärtige Tagesmenge von rund 1,5 Millionen Barrel. Doch das hätte Auswirkungen auf den Ölpreis. “Wenn der Irak wieder mehr Öl produziert und die weltweite Nachfrage schwach bleibt, dürfte der jetzige Ölpreis kaum zu halten sein“, so Chalabi.

Saddam Hussein hat das Öl als politische Waffe längst erkannt: In Geschäften mit französischen und anderen europäischen Abnehmern verzichten die Iraker seit kurzem wieder auf Zuschläge in Höhe von 50 Cent pro Barrel, die sie wegen der Sanktionen und im Rahmen des "Öl für Lebensmittel"-Programms der UN erhoben hatten.

Hoffnungen der USA

Während sich die USA nach einem Sturz Saddam Husseins billigere Ölimporte erhoffen, könnten Russen und Europäer bei einem Regime-Wechsel im Irak das Nachsehen haben: Der französische Konzern “Total Elf Fina” hat bereits die Lizenz zur Nutzung des großen Majnoon-Ölfeldes an der Grenze zum Iran erworben und damit den Zugang zu Ölvorkommen in Höhe von bis zu 30 Milliarden Barrel. Der Rohöl-Lieferant Russland muss befürchten, dass bei einer erhöhten Produktionsmenge nicht nur der Weltmarktpreis für Öl sinken, sondern auch die kostenintensivere Förderung der eigenen Reserven unattraktiv würde. Außerdem besitzt der russische Konzern Lukoil die Bohr-Rechte am südirakischen West-Qurna-Ölfeld mit einer geschätzten Fördermenge von 15 Milliarden Barrel. Ob sich aber eine neue irakische Regierung an diese Verträge halten würde, ist ungewiss.

Klar ist zumindest eines: Die Bush-Regierung beabsichtigt, die Kosten für einen Wiederaufbau des Iraks nach einem möglichen Krieg nicht zuletzt aus den irakischen Öl-Einkünften zu finanzieren. Das deutete Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vor dem US-Kongress am Mittwoch (18.9.) an: "Der Unterscheid zwischen dem Irak und Afghanistan liegt darin, dass der Irak über große Öl-Einkommen verfügt. Finanziell ist das ganze also ein weitaus geringeres Problem als in Afghanistan wo über Jahrzehnte Krieg geherrscht hat und wo es kein Öl gibt."