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Menschenrechte unter die Räder geraten?

Lukas Schützenmeister20. April 2012

Nach der Absage im vergangenen Jahr macht die Formel 1 an diesem Wochenende wieder Station in Bahrain. Menschenrechtler kritisieren die Entscheidung, da die Regierung weiter brutal gegen die Opposition vorgeht.

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Mercedes-Fahrer Nico Rosberg beim Freien Training in Bahrain. Foto: Reuters
Mercedes-Fahrer Nico Rosberg beim Freien Training in BahrainBild: Reuters

Kaum hatte der Internationale Automobilverband FIA angekündigt, dieses Jahr wieder das Formel-1-Rennen in Bahrain ausfahren zu lassen, flammten in dem kleinen Golfstaat erneut Proteste auf. Bahrainische Sicherheitskräfte gingen mit Schockgranaten gegen Demonstranten vor, die zuvor eine Ausstellung im Rahmenprogramm des bevorstehenden Grand Prix gestürmt hatten. Im Anschluss daran kam es zu Straßenkämpfen zwischen Demonstranten und Polizisten.

Ähnliche Bilder gab es – in größerem Ausmaß - bereits vor einem Jahr zu sehen. Damals wurde die von Revolutionen in Tunesien und Ägypten inspirierte Protestbewegung durch Bahrains Sicherheitskräfte brutal niedergeschlagen - mit massiver Unterstützung aus Saudi-Arabien. Zahlreiche politische Gefangene sitzen seitdem in Gefängnissen. Laut Menschenrechtsgruppen gab es rund 60 Tote, zudem werden Hunderte Folteropfer beklagt.

Ein Demonstrant in Manama wirft eine Tränengas-Granate zur Polizei zurück. Foto: Reuters
Die Proteste in Bahrain gehen weiterBild: Reuters

Inner-islamische Komponente

Der Konflikt in Bahrain hat, anders als die Proteste in Ägypten, Tunesien und Libyen, eine starke inner-islamische Komponente: Die Proteste werden zwar nicht ausschließlich, wohl aber überwiegend von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit getragen – während das bahrainische Herrscherhaus traditionell in der Hand der sunnitischen Minderheit ist. Dadurch erklärt sich auch die Unterstützung des ebenfalls sunnitischen Saudi-Arabien. In Riad wird befürchtet, dass der Iran die schiitische Protestbewegung als Einfallstor für einen stärkeren Einfluss in der Golfregion nutzen könnte. Der Iran ist das größte schiitisch dominierte Land in der islamischen Welt. Saudi-Arabien wiederum ist selbst regelmäßig mit Protesten seiner schiitischen Minderheit konfrontiert.

Eine vom bahrainischen Herrscherhaus eingesetzte Experten-Kommission hat zwar längst Vorschläge zur Entspannung der politischen Konflikte vorgelegt, darunter die Abschaffung von Militärtribunalen. Menschenrechtler und Oppositionskräfte bemängeln jedoch die mangelhafte oder zumindest schleppende Umsetzung der Reformen. Die neu aufgeflammten Proteste um die Formel 1 zeigen jedenfalls deutlich, dass der politische Kernkonflikt weiter ungelöst bleibt. Die Demonstranten werfen dem Königshaus, mit Hilfe der Formel 1 der Weltöffentlichkeit "Normalität vorgaukeln" zu wollen und kritisieren die FIA-Entscheidung als "Blankoscheck" für weitere Repressionen.

"Wirtschaft wichtiger genommen als Menschenrechte"

Auch internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International kritisieren die FIA-Entscheidung: Die Sportfunktionäre spielten der Herrschaftsfamilie direkt in die Hände. Die Entscheidung der Formel-1-Verantwortlichen komme einer Legitimation der Protestniederschlagung gleich und verdeutliche die Dominanz wirtschaftlicher Interessen vor dem Gebot der Menschenrechte. "Die Weltöffentlichkeit schaut auf Bahrain als Gastgeber des Grand Prix", monierte der Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International, Wolfgang Grenz."Aber niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass sich die Menschenrechtssituation in dem Land entscheidend verbessert hat." Seine Organisation fordert zudem, ranghohe Mitglieder der Sicherheitskräfte wegen der Gewalt gegen Demonstranten zur Rechenschaft zu ziehen.

Blick von oben auf den Rennkurs in Bahrain. Foto: dpa-pa
Auf dem Rennkurs nahe Manama werden seit 2004 Formel-1-Rennen gefahrenBild: picture-alliance/Panimages

Ähnliche Kritik äußerte das "Bahrain Center for Human Rights", das eine Welle von Verhaftungen im Vorfeld der Formel-1 beklagt, und der bahrainische Menschenrechts-Aktivist Nabil Rajab, der das Rennen in einem Presseinterview als "Schande" bezeichnete, da in den Räumlichkeiten an der Rennstrecke vor einem Jahr Menschen gefoltert worden seien.

Plädoyer für friedlichen Dialog

Doch es gibt auch andere Meinungen – selbst in Menschenrechtskreisen. So sprach sich der Leiter der Organisation "Bahrain Human Rights Monitor", Hussain Al-Shafie, in einem Interview mit der arabischen DW-Redaktion zugunsten der Formel 1 aus. Das Rennen sei trotz aller Kontroversen auch eine "Chance, die unterschiedlichen Schichten der bahrainischen Gesellschaft einander näher zu bringen", sagte Al-Shafie. Zwar kritisierte auch er die "übertriebene Ausübung von Gewalt" durch die Sicherheitskräfte. "Auf der anderen Seite sind aber auch die Demonstranten aufgerufen, den Gebrauch von Gewalt zu vermeiden." Nur ein friedlicher Dialog könne die Menschenrechtlage in Bahrain verbessern.

Eindeutig positioniert haben sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Asthon und der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning: Sie riefen Bahrains Regierung anlässlich des bevorstehenden Formel-1-Grand Prixs zu politischen Reformen und einer deutlichen Verbesserung der Menschenrechtslage auf. Der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestags ging noch einen Schritt weiter und bezeichnete das Formel-1-Rennen in Bahrain als "Skandal auf Kosten der Menschenrechte".