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Eskalierende Gewalt

Jegor Winogradow12. Februar 2009

Dagestan ist zum Schauplatz eskalierender Gewalt im Nordkaukasus geworden. Menschenrechtlern zufolge ist die Führung der Teilrepublik für Entführung, Folter und Mord mitverantwortlich.

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Swetlana Gannuschkina von Staatsmacht enttäuschtBild: AP

Erst Tschetschenien, dann Inguschetien und nun Dagestan? In Tschetschenien ist inzwischen eine gewisse Ruhe eingekehrt. In der Nachbarrepublik Inguschetien wurde nach Unruhen die politische Führung ausgewechselt. Nun scheint sich die Situation in der ebenfalls zu Russland gehörenden nordkaukasischen Republik Dagestan zu zuspitzen.

Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden 2008 in Dagestan so viele Menschen entführt, gefoltert und ermordet wie nie zuvor. Dem Menschenrechtszentrum Memorial liegen Beweise für 12 Fälle aus dem vergangenen Jahr vor, in denen Menschen "verschwanden". Und das seien lediglich Fälle, in denen Angehörige der Opfer Menschenrechtler um Hilfe gebeten hätten. In den meisten Fällen werde geschwiegen, in der Hoffnung auf diese Weise das Leben der Opfer zu retten, teilte das Menschenrechtszentrum mit.

Gewalt erzeugt Gegengewalt

Das Memorial-Mitglied Alkesandr Tscherkasow glaubt, auch die Föderalen Rechtsschutzorgane im Nordkaukasus seien für die Gewalt mitverantwortlich: "Nach Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges gab es in Dagestan viele Menschen, die der Mitgliedschaft in illegalen bewaffneten Gruppierungen verdächtigt wurden. Sie wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt. Nach einigen Jahren kamen sie wieder frei. Aber sie waren nun erst recht gewaltbereit."

Als Racheaktion sei es in der Folge zu regelrechten "Erschießungen" von Milizionären gekommen, so Tscherkasow. "Als Antwort darauf erfand die Staatsmacht offensichtlich die Entführungen, als Mittel zur Bekämpfung der Gewaltaktionen sozusagen. So wurde eine Todesmaschine in Gang gesetzt, die auch von den Machtorganen in Bewegung gehalten wird", sagte der Menschenrechtler.

Verantwortung der Zentralmacht

Das Vorgehen der Rechtsschutzorgane in Dagestan wäre, so sagen Menschenrechtler, ohne Billigung der zentralen Staatsmacht unmöglich. "Anfangs dachte ich, in Dagestan gebe es eine Miliz, die die Behörden nicht mehr im Griff haben", sagte die Vorsitzende des Komitees "Bürgerhilfe", Swetlana Gannuschkina. Inzwischen sei sie von der Staatsmacht vollkommen enttäuscht: "Ich glaube, das Problem liegt nicht nur bei der Miliz, sondern insgesamt in der Verwaltung. Ich habe das Gefühl, Behörden und Miliz sind miteinander zu einer Art Mafia verschmolzen." Gannuschkina zufolge muss die Führung Dagestans, in erster Linie der Innenminister, ausgewechselt werden, damit die Lage stabilisiert werden kann. "Wenn der dagestanische Innenminister immer noch im Amt ist, dann nützt das irgendjemandem", sagte Gannuschkina.

Inguschetien als Vorbild?

Allerdings teilen nicht alle Menschenrechtler Gannuschkinas Meinung. Die Leiterin der Moskauer Helsinki Gruppe, Ljudmila Aleksejewa, ist überzeugt, dass nur ein Dialog zwischen Bürgern und der Staatsmacht eine Lösung bringen kann: "In Inguschetien geht man inzwischen einen für Russland ungewöhnlichen Weg: Die Menschen werden nicht mehr eingeschüchtert, sondern es wird mit ihnen ein Dialog geführt. Ich glaube, dass dies der einzige Weg ist, der Gewalt ein Ende zu setzen. Die Bürger und die Behörden müssen gemeinsam entscheiden, was zu tun ist, um den schon lange andauernden Bürgerkrieg in Dagestan zu stoppen."

Vorerst setzen die dagestanischen Sicherheitsorgane ihre Operationen fort. Die jüngste endete am 5. Februar mit dem Tod dreier Menschen, die offiziell als "Kämpfer" bezeichnet wurden. Nach Angaben des Föderalen Sicherheitsdienstes soll sich unter den Toten der Führer der islamischen Organisation Scharia, Omar Schejhulajew, befunden haben.