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Menschenrechtslage in Kroatien hat sich verschlechtert

19. Januar 2006

Die Lage der Menschenrechte in Kroatien hat sich nach zehn Jahren stetiger Verbesserung 2005 wieder verschlechtert. Der Vorsitzende des kroatischen Helsinki-Komitees, Zarko Puhovski, äußerte sich gegenüber DW-RADIO.

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Kroatische Menschenrechtler zeigen sich alarmiert

DW-RADIO/Kroatisch: Herr Puhovski, im neuesten Jahresbericht des Helsinki-Komitees über die Lage der Menschenrechte in Kroatien wird von einer Verschlechterung gesprochen. Auf welcher Grundlage beruht diese Einschätzung?

Zarko Puhovski: Wir meinen, man kann grundsätzlich sagen, dass sich die Menschenrechtslage von 1996 an bis zum Jahr 2004 langsam aber stetig verbessert hat, mit der Ausnahmesituation des Jahres 2002, das wir als einen Stillstand betrachten. Das Jahr 2005 haben wir aber als reinen Rückschritt eingestuft, Rückschritt insofern, weil sich gezeigt hat, dass zwei Schlüsselprobleme auf der Tagesordnung stehen. Das erste ist die Frage der Sicherheit: Die Zahl der Beschwerden nach Polizeieinsätzen steigt wieder. Wir meinen, dass dies zu einem großen Teil aus der Tatsache herrührt, dass die Regierung lange, zu lange immer wieder Minister, Polizeiangehörige ausgewechselt und neu eingestellt hat. Auf der anderen Seite melden sich vor allem Angehörige der Minderheiten, vor allem der serbischen Minderheit, als Opfer des, sagen wir mal so, nicht ordentlich funktionierenden grundlegenden Organs, Staatsapparates, der sich um die Sicherheit kümmert. Wir haben im letzten Jahr doppelt so viele Anzeigen wegen Vorfällen zum Schaden Angehöriger der serbischen Minderheit gehabt als vor zwei Jahren. Und das heißt etwas. Daneben ist es zu einer Verschlechterung der sozialen Rechte gekommen, was sich darin gezeigt hat, dass die Regierung mehrfach Vorgaben geändert hat, die sich auf die verwundbarsten Teile der Gesellschaft beziehen - nämlich Kinder, Alte, Arbeitslose. Das ist für uns ein Grund, von einer Verschlechterung der Menschenrechtslage im Jahr 2005 zu sprechen.

Wie beurteilen sie die Tatsache, dass bei Übergriffen auf serbische Rückkehrer die Täter meist unermittelt bleiben?

Das ist genau das, worüber wir als ein Problem der polizeilichen Arbeit reden. Denn nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft sind 60 Prozent der Anzeigen, die die Polizei an die Staatsanwaltschaft weiterleitet, Anzeigen gegen unbekannte Personen. Und dafür ist im Grunde genommen noch nicht einmal die Polizei von Nöten, das kann jeder geschädigte Bürger selbst tun. Mit anderen Worten, das ist gerade ein Beweis dafür, und dass behaupten wir auch, dass die Polizei ihre Arbeit nicht tut.

Was würden Sie der Regierung Ivo Sanaders vorschlagen?

Drei Dinge. Zum ersten ein sehr viel aufmerksamerer Umgang mit einer hierarchisch aufgebauten Organisation wie der Polizei. Zweitens die Erkenntnis, dass die Dinge - wenn Sie so wollen - nicht in Brüssel oder Zagreb geklärt werden, wo man auf irgendeinem Parkett erklärt, dass jetzt zum Beispiel die Zeit reif für eine Zusammenarbeit mit den Serben sei, während gleichzeitig, wenn es zu einer Rechtsverletzung in einer kleinen Ortschaft kommt, sagen wir zum körperlichen Angriff auf einen Rückkehrer, nicht ein einziger Zeuge gefunden werden kann, obwohl alle gesehen haben, wer das getan hat. Und viele dieser Leute sind in der Tat Mitglieder der Partei HDZ, deren Vorsitzender (Ministerpräsident Ivo Sanader) von sich behauptet, gerade er habe eine neue Grundlage für den Umgang mit der serbischen Minderheit eingeführt.

Das Interview führte Gordana Simonovic, Zagreb

DW-RADIO/Kroatisch, 18.1.2006, Fokus Ost-Südost