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Zahnloser Tiger

23. Juli 2009

Staatskrise in Honduras, Wirtschaftskrise, Schweinegrippe, Ablösung des US-Dollars - die Mercosur-Staaten haben sich viel vorgenommen. Aber welchen Einfluss hat die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft überhaupt?

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Mercosur: Ein Forum ohne Gewicht?

Gemeinsam füreinander kämpfen wie die drei Musketiere: Das war ihr Ziel, als Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay am 26. März 1991 die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur gründeten. Mercosur, der Name steht für "Gemeinsamer Markt des Südens – Mercado Común del Sur". Der Merscour wird als ein viel versprechendes Projekt wahrgenommen – jedoch als eines, das nie richtig in Gang gekommen ist.

Mercosur-Gipfel in Tucuman 2008: (v.l.n.r.) Venezuelas Präsident Hugo Chavez, left, Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez Kirchner und Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula Da Silva, Foto: ap
Demonstrative Einigkeit - sonst nichts?Bild: AP

In Lateinamerika fragt man sich etwa, warum er nicht als Mittler auftritt, wenn in der Region politische Spannungen - wie aktuell in Honduras - auftreten. Das Thema steht auf der Agenda des Gipfeld in Paraguay, das Problem: Wie kann der Mercosur Einfluss nehmen, wenn er nicht einmal in dem Bereich seine Ziele erreicht, der sein Schwerpunkt sein sollte – im Handel?

Ein unerfüllter Traum

"Der Mercosur ist weiterhin weder eine perfekte Freihandelszone, noch eine vollständige Zollunion", bestätigt Claudia Zilla, Lateinamerika-Expertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Dieses Integrationsbündnis hat an Bedeutung verloren. Es ist nicht mehr das Trampolin, von dem aus seine Mitglieder auf den internationalen Markt springen", fügt sie hinzu. Und auch auf politischer Ebene habe er an Profil eingebüßt. "Welche Position hat der Mercosur zum Klimawandel oder zur globalen Finanzkrise? Wir haben von der Position der G20-Länder gehört, unter denen Brasilien, Argentinien und Mexiko vertreten sind – aber welche Position bezieht der Mercosur zu diesen Themen?", fragt sie.

Die Unruhen in Honduras dauern an, Foto: ap
Wird der Gipfel Einfluss auf Honduras ausüben können?Bild: AP

Das Bündnis funktioniert nur auf zwischenstaatlicher Regierungsebene und nicht als einheitlicher Block, das könnte eine Erklärung für die geringe politische Bedeutung des Mercosur sein. Ihm fehlen Instanzen mit supranationalem Einfluss. Andererseits beeinträchtigen die Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten zwischen seinen Mitgliedsländern zusätzlich sein Potential als Sprecher für den gesamten Kontinent. Denn der Bund hat sich seit 1991 geöffnet und Länder mit so unterschiedlichen Regierungen wie Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Perú und Venezuela als Partnerstaaten aufgenommen.

Schwache Position

Um zu einem einflussreichen politischen Akteur in Lateinamerika zu werden, müsste der Mercosur im Inneren kohärenter sein und auf internationaler Bühne als homogener Block auftreten – als eine Einheit. Er müsste zeigen, dass er die politischen Konflikte zwischen den eigenen Mitgliedsstaaten schlichten kann. So wie beispielsweise den Konflikt zwischen Uruguay und Argentinien um zwei Papierfabriken. Diese wurden am Ufer des Flusses Uruguay gebaut, aber man hatte nicht jene binationale Organisation informiert, die den Verlauf des Grenzflusses verwaltet.

"Während der politischen Krise in Venezuela hat ein Mitgliedsstaat des Mercosur den Club der 'Freunde von Venezuela' gegründet", sagt Claudia Zilla. Andere Länder haben sich dieser Initiative angeschlossen. Es war aber nicht der Mercosur, der die Idee dazu hatte. Im Konflikt zwischen Kolumbien und Ecuador hat etwa die "Rio Gruppe" interveniert; in der internen bolivianischen Krise war es die "Union Südamerikanischer Nationen". "Es waren andere Intergrationsbündnisse, die politisch eingegriffen haben. Sie haben eine bedeutendere Rolle gespielt, als der Mercosur", so Zilla.

Honduras als Probe

Die institutionelle Krise in Honduras, ausgelöst durch den Militärputsch an Präsident Manuel Zelaya im Juni, könnte die Chance für den Mercosur sein, seine Vermittlerfunktion unter Beweis zu stellen. Was einige internationale Beobachter jedoch bezweifeln ist, dass der Mercosur die nötigen Voraussetzungen mitbringt, um eine Lösung herbeizuführen. "Der Mercosur ist für Honduras nicht wichtig, weil Honduras kaum Handel mit den Mercosur-Ländern treibt. Zwei Drittel der Exporte aus Honduras gehen in die USA. Und der zweitgrößte Markt für Honduras ist Zentralamerika", erklärt Peter Peetz, Wissenschaftler am German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula Da Silva, Foto: ap
Vermittler in der Krise? Brasiliens LulaBild: AP

Trotzdem glaubt er, dass Länder wie Brasilien an den Verhandlungen teilnehmen sollten, damit Honduras die Krise überwindet. "Lula, ein Präsident der moderaten Linken, ist als Vermittler gut geeignet: Ihm wird man nicht vorwerfen, die linke Agenda des Manuel Zelaya zu unterstützen, oder die konservative Regierung von Roberto Micheletti", unterstreicht Peetz, dessen Forschungsgebiet die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung Zentralamerikas ist.

Lula als Schlüsselfigur

Claudia Zilla fügt hinzu: "Es ist nicht so sehr Brasilien, sondern ganz besonders Lula, der die richtigen Voraussetzungen mitbringt, um die Rolle des Vermittlers in der Region zu übernehmen. Wichtiger noch als Brasiliens Rolle als aufstrebende Macht, ist Lulas Rolle als Politiker, der sowohl im eigenen Land als auch in ganz Lateinamerika hohe Akzeptanz genießt. Das ist sein großer Vorteil."

Aus diesem Blickwinkel, könnte die nächste Herausforderung für den Mercosur sein, nicht von charismatischen Persönlichkeiten aus den eigenen Mitgliedsstaaten in den Schatten gestellt zu werden. Luiz Inácio Lula da Silva ist einer von ihnen, Hugo Chávez ein anderer.

Autor: Evan Romero-Castillo

Redaktion: Ina Rottscheidt