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Wulff und Kohl kritisieren Regierungspolitik

25. August 2011

Angela Merkel muss derzeit viel Kritik für ihre Europapolitik einstecken – nun auch noch von Altkanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Christian Wulff, so scheint es. Doch das stimmt nur zum Teil, meint Peter Stützle.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Bundeskanzlerin Merkel hat sich im Urlaub hoffentlich gut erholt. Denn seit ihrer Rückkehr springen ihr von den Zeitungs-Kiosken anklagende Schlagzeilen ins Gesicht. "Helmut Kohl: Dramatischer Appell an Merkel! Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen!" So schreit es von der Titelseite der "Bild", des Boulevard-Blattes mit der Millionen-Auflage. Und die betont seriöse "Süddeutsche Zeitung" titelt: "Kohl: Merkels Außenpolitik ohne Kompass".

Peter Stützle (Foto: DW)
Peter StützleBild: DW

Tatsächlich hat Helmut Kohl der Fachzeitschrift "Internationale Politik" ein Interview gegeben. Dabei wurde der Altkanzler auf Entscheidungen wie das Nein zum Irak-Krieg 2003 durch Gerhard Schröder und die deutsche Enthaltung bei der Libyen-Resolution des UN-Sicherheitsrats in diesem Jahr angesprochen und gefragt: "Hat Deutschland seinen Kompass verloren?" Der erfahrene und erfolgreiche Außenpolitiker antwortet darauf: "Das muss man wohl leider so konstatieren". Und er fordert, zu alter Verlässlichkeit zurückzukehren.

Egal wie sie sich entscheidet - immer ist es falsch

Kohls Kritik gilt zweifellos auch seiner aktuellen Nachfolgerin Angela Merkel, obwohl er sie nicht explizit nennt. Konkret kritisiert der Altkanzler nur seine unmittelbare, rot-grüne Nachfolger-Regierung. Ihr gibt er eine wesentliche Schuld an der heutigen Euro-Krise: Sie habe Griechenland ohne strenge Auflagen in die Euro-Zone aufgenommen sowie selbst gegen die Stabilitätskriterien der Europäischen Währungsunion verstoßen. Der nur indirekt kritisierten amtierenden Regierung Merkel gibt Kohl keinen konkreten Hinweis, was sie anders machen sollte.

Das ist in erster Linie das Problem, vor dem Angela Merkel heute steht: Es gibt viel Kritik an ihrer Handhabung der Euro-Krise, aber die Alternativ-Vorschläge - sofern sie kommen - widersprechen sich diametral. Die Bundesregierung kann sich, wie ihre europäischen Partner, nicht an Vorbildern orientieren, weil es so etwas wie die Europäische Währungsunion noch nie gab. Aber egal, wie sie entscheidet, für einen großen Teil der Öffentlichkeit ist es immer falsch.

Die nächste Wahl ist noch weit weg

So wurde nun auch eine Rede von Bundespräsident Christian Wulff vor Wirtschafts-Nobelpreisträgern von einem Großteil der Medien vor allem als Kritik an Merkel transportiert. Dabei galt die Kritik des deutschen Staatsoberhaupts zuallererst der Europäischen Zentralbank und zum Zweiten allgemein europäischen Regierungen, nicht allein und nicht einmal in erster Linie der deutschen Regierung. Im Gegenteil: Das, was Wulff in der Rede im Blick auf die Euro-Krise anmahnte, ging in die gleiche Richtung wie das, was die Bundesregierung anstrebt, aber auf europäischer Ebene nicht uneingeschränkt durchsetzen kann. Man könnte Wulffs Rede also sogar als Unterstützung Merkels interpretieren.

Aber die Laune im Blätterwald ist derzeit nicht danach. Merkel-Bashing ist angesagt, und fast alle von Links bis Rechts machen mit. Mit einem kann sich die Kanzlerin aber trösten: Die nächste Wahl ist noch weit weg, und solche Launen drehen schnell.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Michael Borgers