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Merkel bekennt sich zur EU-Verfassung

11. Mai 2006

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer ersten Regierungserklärung zur Europapolitik eine Neubegründung des "Projekts Europa" gefordert und sich klar zur EU-Verfassung bekannt.

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"Ich will diesen Vertrag": Angela MerkelBild: AP

"Wir müssen die Bürger in den Mittelpunkt stellen", sagte die CDU-Chefin am Donnerstag (11.5.2006) in einer Regierungserklärung im Bundestag. "Man muss schon feststellen, Europa steht bei den Europäerinnen und Europäern nicht so hoch im Kurs", räumte Merkel ein. Für die Menschen müsse deutlich werden, dass Europa die Dinge besser macht und kein Bremsklotz sei. "Europa muss zeigen, dass es in einer globalen Welt Politik nach seinen Wertvorstellungen gestaltet", betonte die Kanzlerin.

Dynamik, Sicherheit, Handlungsfähigkeit

Die Erfolge der Europäischen Union (EU) müssten in vier Bereichen sichtbar werden, forderte die Regierungschefin: bei der wirtschaftlichen Dynamik, im Bereich der Sicherheit nach innen und nach außen und in der Handlungsfähigkeit. Deutschland sei die größte Volkswirtschaft in Europa. Es sei nicht in Ordnung, wenn die Bundesrepublik zum wiederholten Male den Stabilitätspakt verletze, "weil wir damit unseren eigenen Ansprüchen nicht genügen".

"Ich möchten diesen Verfassungsvertrag"

Merkel bekannte sich eindeutig zur europäischen Verfassung. Europa brauche eine Verfassung, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Der vorliegende Entwurf benenne die Grundwerte der Gemeinschaft und schaffe klare Zuständigkeiten. "Ich möchte diesen Verfassungsvertrag, die Bundesregierung möchte diesen Verfassungsvertrag", sagte Merkel. Die Kanzlerin warnte zwar vor Schnellschüssen, mahnte aber neue Impulse im festgefahrenen Verfassungsprozess an. Die EU werde durch den Verfassungsvertrag erst arbeitsfähig gemacht. "Die deutsche Präsidentschaft wird sich spätestens damit befassen." Im Januar 2007 übernimmt Deutschland turnusgemäß für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft.

Merkel betonte erneut die Grenzen der EU-Erweiterung. Die Gemeinschaft müsse die Nachbarschaftspolitik weiter entwickeln und enge Partnerschaften als Alternative zur Aufnahme in die EU anbieten. Beitrittsverhandlungen dürfen keine Einbahnstraße sein.

"Das sind unsere Stärken"

Europa müsse vorne sein bei Bildung, Innovation und Forschung: "Das sind unsere Stärken." Die europäischen Strukturen dürften nicht nach regionalpolitischen Interessen ausgerichtet werden, sondern nach Leistung. Auch sei der Bürokratieabbau die Forderung der Stunde.

Die Menschen hätten Bedürfnisse nach Sicherheit im Innern und nach Rechtssicherheit, erklärte die Kanzlerin. Vielen Ländern falle es aber schwer, nationalstaatliche Kompetenzen an die Europäische Union abzutreten. Die Vereinheitlichung müsse trotzdem weiter vorangetrieben werden.

"Vernünftig denkende Menschen"

Erforderlich seien laut Merkel auch eine europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Terrorismus und Fundamentalismus seien neue Bedrohungen nach dem Ende des Kalten Kriegs. Europa habe viel lernen müssen. So habe die EU nicht rechtzeitig genug auf dem Balkan reagiert. Doch man habe aus den Fehlern gelernt.

Heute sei es für die überwiegende Mehrheit der "vernünftig denkenden Menschen" selbstverständlich geworden, dass Verantwortung übernommen werden müsse, erklärte die Regierungschefin. "Europa hat gelernt, es muss eingreifen, bevor es zu spät ist." Deswegen engagiere man sich jetzt auch bei der Absicherung der Wahlen in Kongo.

Kritik der Opposition

Die Opposition hat der Regierung vorgeworfen, der Krise der EU nicht angemessen zu begegnen. Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Renate Künast, meinte Merkel habe keine klaren Wege für einen Ausweg aus der Krise gezeigt. Die EU brauche einen deutlichen Kurs in der Energiepolitik und anderen Bereichen, zu dem die Bundesregierung aber nicht ausreichend beitrage. Sie warf CDU und CSU vor, weiterhin Skepsis gegenüber der EU zu schüren.

Für die Linkspartei forderte Fraktionschef Gregor Gysi grundlegende Veränderungen an der geplanten Verfassung und der EU-Politik: "Denken Sie darüber nach, dass der Neoliberalismus aus der Verfassung verdrängt wird." Weiter kritisierte er die Pläne der EU für eigene militärische Fähigkeiten. "Wir brauchen eine EU des Friedens und eine EU der Abrüstung und eine EU der Wohlfahrt. Dann wird es auch ein Ja zu einer veränderten und brauchbaren Verfassung geben!"

Die FDP drängte die Regierung, Auswege aus der Krise der EU zu suchen. "Der Zustand der EU ist Besorgnis erregend", sagte ihr außenpolitische Experte, Werner Hoyer. Er forderte die Bundesregierung auf, durch weit reichende Reformen in Deutschland ihr politisches Gewicht in Europa zu stärken, um die EU aus ihrer Krise zu führen. "Sonst werden viele Hoffnungen zerstört, die sich auf Deutschland richten." (sams)