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Merkel für harte Antwort des Rechtsstaates

5. Januar 2016

Nach den massiven Übergriffen auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht zeigt sich Kanzlerin Merkel empört über die Vorgänge. Polizei und Stadt wollen die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verschärfen.

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Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs (Foto: dpa)
Der Vorplatz des Kölner HauptbahnhofsBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

In einem Telefonat mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker drückte Kanzlerin Angela Merkel ihre "Empörung über diese widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken aus, die nach einer harten Antwort des Rechtsstaats verlangen". Es müsse alles daran gesetzt werden, die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln und ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen, erklärte Merkel nach Angaben ihres Sprechers Steffen Seibert. Sie informierte sich auch über das Krisentreffen Rekers mit weiteren Spitzenpolitikern der Stadt und Polizei in Köln.

Als Reaktion auf die Übergriffe auf dem Bahnhofsvorplatz will die Stadt Köln ihre Sicherheitsvorkehrungen für Großveranstaltungen verschärfen. "Wir haben gemeinsam Maßnahmen entwickelt, die dazu führen sollen, dass es solche Vorfälle hier nie wieder gibt", machte Reker nach dem Krisentreffen deutlich.

Angela Merkel (Foto: Getty)
Kanzlerin Merkel lässt sich laufend über die Polizei-Ermittlungen informierenBild: Getty Images/A. Berry

Mehr Präsenz zu Karneval

Im Hinblick auf die bevorstehenden Karnevalsfeiern unterstrich sie, Frauen und Mädchen müssten ohne jedes Unsicherheitsgefühl in der Domstadt feiern können. "Wir wollen hier keine unkontrollierbaren Orte in Köln." Die Polizei will im Karneval stärkere Präsenz auf den Straßen zeigen und plant darüber hinaus temporäre mobile Videoüberwachungen. Außerdem werden mehr Beamte in Zivil in den Straßen unterwegs sein. Für Groß-Events, bei denen es keine Veranstalter gibt, will die Stadt künftig Sicherheitskonzepte erstellen.

Kein Bezug zu Flüchtlingen

Zugleich betonte die parteilose Reker, es sei "absolut unzulässig", Flüchtlinge mit den Taten in Verbindung zu bringen. "Es gibt keinen Hinweis, dass es sich bei den Übergriffen um Menschen handelt, die hier in Köln Unterkunft als Flüchtling bezogen haben", erklärte sie.

Oberbürgermeisterin Reker und Kölns Polizeipräsident Albers informieren die Presse (Foto: rtr)
Oberbürgermeisterin Reker und Kölns Polizeipräsident Albers warnen davor, generell Flüchtlinge zu verdächtigenBild: Reuters/W. Rattay

Auch Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers warnte vor Vorverurteilungen. Es gebe noch keine Tatverdächtigen, sagte Albers in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Reker. Polizisten vor Ort hätten lediglich beobachtet, dass es sich bei den Gruppen am Hauptbahnhof überwiegend um junge Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren gehandelt habe, die aus dem "nordafrikanisch-arabischen Raum stammen". Das stimme mit Aussagen der Opfer überein. Die Kölner Ermittler werten derzeit weiter Videoaufnahmen der Geschehnisse und Zeugenaussagen aus.

Albers wies Vorwürfe zurück, die Polizei sei in der fraglichen Nacht mit zu wenig Mann vor Ort gewesen. Man sei ordentlich aufgestellt gewesen. Der Einsatz habe damit begonnen, dass sich gut 1000 Männer auf dem Vorplatz und den Treppen aufhielten, die Pyrotechnik gezündet beziehungsweise damit von oben auf Passanten geschossen hätten. Der Leitende Polizeidirektor, Michael Temme, ergänzte, die Beamten hätten erst ab 1.00 Uhr, als der Platz vor dem Hauptbahnhof längst geräumt gewesen sei, erste Hinweise auf schwere Straftaten erhalten.

Fast 100 Anzeigen

Nach bisherigen Erkenntnissen hatten mehrere hundert Männer in kleineren Gruppen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof Frauen umringt, bedrängt, sexuell belästigt und bestohlen. Polizeipräsident Albers sprach von Sexualdelikten in sehr massiver Form und einer Vergewaltigung. Die Zahl der Anzeigen stieg am Dienstag auf fast 100. Albers ermunterte betroffene Frauen, die sich noch nicht gemeldet haben, zur Polizei zu gehen.

Auch Akgün fordert Null-Toleranz-Strategie

Die Islamexpertin und frühere SPD-Politikerin Lale Akgün appellierte an Polizei und Politik, eine "Null-Toleranz-Strategie" zu verfolgen. "Jede Frau hat das Recht, nachts allein spazieren zu gehen." Mit in der Verantwortung sieht sie auch Islamverbände und Moscheevereine in Deutschland. Deren oftmals sehr konservative Haltung begünstige ein "Macho-Verhalten" und eine pervertierte Moralverstellung auch unter jungen Muslimen, derzufolge Frauen den Kategorien "Madonnen" und "Huren" zugerechnet würden, sagte Akgün dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Sie befasst sich in Publikationen und als ehemalige Leiterin des Landeszentrums für Zuwanderung mit den Themen Migration und Integration.

Deutschland Lale Akgün, ehemalige deutsche Politikerin (
Bild: DW/M. Smajic

Ähnliche Vorfälle gab es laut Deutscher Polizeigewerkschaft in der Silvesternacht in Hamburg und Stuttgart, allerdings in geringerem Ausmaß.

se/pg (dpa, epd, afp, wdr)