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Chefsache: Deutsch-chinesisches Wirtschaftsforum

17. Juli 2010

Die Kritik der Wirtschaftsbosse aus Deutschland und China war deutlich, von Visa-Bestimmungen bis zu Tiefwasserhäfen. Merkel und Wen Jiabao versprachen mehr Zusammenarbeit der Exportnationen - und neues Vertrauen.

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Angela Merkel (li.) und Wen Jiabao auf dem Wirtschaftsforum in Xi'an. (Foto: picture-alliance/dpa)
Angela Merkel und Wen JiabaoBild: picture alliance/dpa

Das öffentliche Wirtschaftsforum beider Länder in Xi'an war am Samstag (17.07.2010) einer der Höhepunkte des zweiten und abschließenden Besuchstages von Bundeskanzlerin Angela Merkel in China. Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao, der Merkel an ihrem 56. Geburtstag auf dem Abstecher zur weltberühmten Tonkrieger-Armee in der zentralchinesischen Provinzhauptstadt begleitet, warb ebenso wie die Kanzlerin um das Verständnis der Wirtschaftsvertreter. Beide Regierungschefs betonten zugleich, dass sich die Beziehungen verbessert hätten.

BASF-Chef Jürgen Hambrecht (Foto: picture-alliance/dpa)
Jürgen Hambrecht beschwert sichBild: picture-alliance/dpa

Deutliche Worte

Auf dem Forum in Xi'an beklagten deutsche Topmanager mangelnden Patentschutz und Zugangsbeschränkungen zum chinesischen Markt. BASF-Chef Jürgen Hambrecht sprach von einer "erzwungenen Offenlegung von Know-How" im Gegenzug für die Genehmigung von Investitionen. Ein solches Vorgehen entspreche "nicht ganz unseren partnerschaftlichen Vorstellungen". BASF will nach Angaben der Agentur dpa eine Milliarde US-Dollar investieren, um in China Vorprodukte für Kunststoffe herzustellen. Wen Jiabao versicherte, die chinesische Regierung prüfe die BASF-Unterlagen gewissenhaft und betonte, man arbeite gut mit dem Konzern zusammen.

Siemens-Chef Peter Löscher sagte, chinesische Unternehmen müssten in Deutschland und in Europa fair behandelt werden. Man erwarte aber gleiche Bedingungen im Bereich der öffentlichen Ausschreibung in China. Die noch bestehenden Beschränkungen für Handel und Investitionen - etwa in der Automobilindustrie und bei Finanzdienstleistungen - müssten zügig abgebaut werden.

Chinesische Wünsche

Kritikpunkt für chinesische Unternehmen waren vor allem die deutschen Visa-Bestimmungen. Dazu verwies Merkel, die ähnliche Klagen bereits zuvor in Russland gehört hatte, auf den Abstimmungsbedarf mit den anderen Schengen-Ländern.

Containerschiff COSCO Guangzhou (Foto: picture-alliance/dpa)
Containerschiff COSCO GuangzhouBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Einen weiteren Grund für chinesische Klagen bildet der Zugang zum Hamburger Hafen. Die Elbe sei vor dem Hafen nicht tief genug für die großen chinesischen Schiffe, betonte der Chef der größten Reederei des Landes COSCO, Wei Jiafa. Auch seien die Entladekapazitäten nicht ausreichend, sagte Wei und bekundete Interesse, sich an einem Ausbau des Hafens zu beteiligen. Im Vorjahr habe man dort noch 60 Prozent der Ladung gelöscht und 40 in Rotterdam. "In diesem Jahr werden es noch 20 Prozent in Hamburg und 80 Prozent in Rotterdam sein", so Wei.

Auch den von Merkel als Alternative angepriesenen Ausbau des Tiefseewasserhafens in Wilhelmshaven sieht der COSCO-Chef offenbar nicht als Alternative. Andererseits gehört die gewünschte Elbvertiefung zu den Dauerstreitpunkten der Hamburger Politik

Angela Merkel bei den Terrakotta-Figuren in Xi'an: Nach chinesischem Horoskop wurde sie im Jahr des Pferdes geboren. (Foto: dpa)
Merkel mit Terrakotta-Pferden in Xi'an: Sie wurde im Jahr des Pferdes geborenBild: picture alliance/dpa

Neue Ebene der Beziehungen

Merkel, die von vom chinesischen Ministerpräsidenten zum Geburtstag die Nachbildung einer silbernen Weinkaraffe aus der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) erhalten hatte, deren Original Xi'an zu sehen ist, lud Wen zu einem Besuch nach Berlin ein. Dass Wen die Kanzlerin auch auf dem Abstecher nach Xi'an begleitet, wird in China und von Seiten der Bundesregierung als Zeichen der besonderen Wertschätzung gewürdigt. Die zweitägige Visite ist bereits der vierte China-Besuch der Bundeskanzlerin seit ihrem Amtsantritt 2005.

In Peking hatten beide Regierungschefs am Freitag ein 28 Punkte-Kommuniqué vorgelegt, das eine engere Zusammenarbeit in der Politik - speziell auch beim Klimaschutz - sowie in Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft vorsieht. Vieles davon bleibt im Bereich von Absichtserklärungen, doch demonstrierten beide Willen zur besseren Kooperation. Merkel und Wen wollen sich von nun an jährlich treffen.

Spannungen offenbar vom Tisch

Damit gelten die Spannungen nach dem Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt 2007 als endgültig überwunden. Peking hatte dies damals als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten empfunden. Im Kommuniqué hieß es nun: "Die deutsche Seite bekräftigt ihr Festhalten an ihrer Ein-China-Politik und ihre Achtung der territorialen Integrität Chinas; dies würdigt die chinesische Seite."

Die Verhandlungsdelegationen in Peking (Foto: AP)
China und Deutschland wollen enger zusammenarbeitenBild: AP

Am Rande der Gespräche wurden mehrere Wirtschaftsverträge in Milliardenhöhe unterzeichnet. So schloss Daimler mit dem chinesischen Lkw-Hersteller Beiqi Foton Motor Co. ein Abkommen zur Lastwagenproduktion im Wert von rund 730 Millionen Euro. Siemens stockte seinen Anteil an einem Joint Venture mit der Shanghai Electric Power Generation von 33,7 Prozent auf 40 Prozent auf. Mit Merkel reisen rund 25 hochrangige Wirtschaftsvertreter sowie mehrere Bundesminister. Umweltminister Norbert Röttgen unterzeichnete in Peking zwei Abkommen zur Zusammenarbeit in den Bereichen Elektromobilität, Energieeinsparung, Ausbau erneuerbarer Energien und Gewässerschutz.

Exportnationen unter sich

Bei ihren Gesprächen in Peking hatten Wen und Merkel internationale Kritik an den Exportüberschüssen von China und Deutschland zurückgewiesen. Wen sagte: "China und Deutschland sollte man nicht beschuldigen, sondern würdigen." Merkel erklärte, es handle sich um zwei Länder mit starker Realwirtschaft. Man könne Produkte nur verkaufen, wenn sie wettbewerbsfähig seien. "Deutschland ist stolz auf seine Wettbewerbsfähigkeit", sagte Merkel. Als “sehr wichtiges Signal“ bezeichnete die Kanzlerin Chinas Vertrauen in den Euro. Wen hatte versichert, sein Land baue weiter auf die Gemeinschaftswährung. Der europäische Finanzmarkt "war, ist und wird in Zukunft" einer der Hauptorte für chinesische Devisenreserven sein.

Autoren: Hartmut Lüning, Naima El Moussaoui (dpa, afp, apn, rtr)
Redaktion: Oliver Samson

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