1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zeichen für Toleranz

Monika Griebeler, zur Zeit in Jakarta10. Juli 2012

Die größte Moschee Südostasiens und die evangelische Immanuel-Kirche: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beide besucht – als Bekenntnis zur Toleranz. Doch wie harmonisch ist der interreligiöse Dialog in Indonesien?

https://p.dw.com/p/15Ulk
Merkel besucht die Istiqlal-Moschee, die größte Moschee in Südostasien (Foto: Monika Griebeler/DW)
Merkel besucht die Istiqlal-Moschee in Jakarta.Bild: DW/M. Griebeler

Alle wollen ihre Hand schütteln: Dicht drängen sich die Frauen in der Istiqlal-Moschee um die deutsche Kanzlerin. Singend, lächelnd. Angela Merkel ist zu Besuch in Indonesien - zum ersten Mal als Regierungschefin. Und dann steht sie da und staunt: dünne Söckchen an den Füßen, über ihr die Kuppel der größten Moschee Südostasiens mit Platz für 120.000 Gläubige. 90 Prozent der 240 Millionen Indonesier sind Muslime. Mehr gibt es in keinem anderen Land der Welt. Ein Moscheebesuch ist da fast ein Pflichttermin.

Aber natürlich ist es auch der Besuch der Pfarrerstochter Angela. Nur wenige Schritte von der Moschee entfernt besichtigt Merkel die protestantische Immanuel-Kirche. In der voll besetzten Kolonialkirche spricht sie davon, dass sie in einem mecklenburgischen Pfarrhaus groß geworden ist. Und sie sagt: "Wir schauen auf Indonesien als ein Modell einer friedlichen und toleranten Entwicklung."

Angela Merkel betrat Indonesien Istiqlal Moschee mit dünnen Söckchen an den Füßen. (Foto: Soeren Stache/dpa)
Angela Merkel betrat Indonesiens Istiqlal Moschee mit dünnen Söckchen an den Füßen.Bild: picture-alliance/dpa

Indonesien als muslimisches Ideal

Der Westen preist Indonesien häufig als Beispiel einer islamischen Demokratie, als Brücke zwischen dem Islam und dem Christentum. US-Außenministerin Hillary Clinton lobte bei ihrem Besuch 2009: "Wenn Sie wissen wollen, ob Islam, Demokratie, Modernität und Frauenrechte gemeinsam existieren können, gehen Sie nach Indonesien."

Seit dem Ende des diktatorischen Suharto-Regimes 1998 hat Indonesien sich rasant entwickelt. Das Land steht für eine erstarkende Wirtschaft, ein wachsendes Selbstbewusstsein und ein friedliches Zusammenleben. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Viele Indonesier sind enttäuscht von der Regierung und von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono. In den Augen vieler Wähler ist der Präsident zu führungsschwach und zu wenig entscheidungsfreudig. Und in Religionsfragen sei die Regierung realitätsfern, bemängelt Elga Sarapung, Direktorin des "Instituts DIAN/Interfidei": "Offiziell erkennt die Regierung nur sechs Religionen an. Dabei gibt es in Indonesien so viele Glaubensrichtungen. Warum sollten wir manche ausschließen?"

Getötet, geschlossen, eingesperrt

In den vergangenen Jahren nahm religiös motivierte Gewalt zu. Das indonesische "Setara-Institut für Demokratie und Frieden" berichtet von 216 Fällen in 2010 und 244 Fällen in 2011. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" kommt zu einem ähnlichen Schluss. Und eine Studie des "Centre for Strategic and International Studies" (CSIS) in Washington beschreibt die große religiöse Intoleranz: Fast 80 Prozent der Befragten in Indonesien sind etwa gegen gemischt-religiöse Ehen.

Archiv: Selbstmordanschlag in einer katholischen Kirche am 25.09.2011 in Zentraljava. (Foto: EPA/MOHAMMAD ALI)
Archiv: Selbstmordanschlag in einer katholischen Kirche am 25.09.2011 im indonesischen Zentraljava.Bild: picture-alliance/dpa

Zwar schützt die Verfassung grundsätzlich die freie Religionsausübung. Doch immer wieder werden Kirchen geschlossen, Schätzungen zufolge mehr als 400 seit dem Amtsantritt von Präsident Yudhoyono im Jahr 2004. Oft geschieht das auf Druck militanter Islamisten. Und Gerichte verweisen oft auf das umstrittene Blasphemie-Gesetz, um Atheisten, Christen oder auch Mitglieder der muslimischen Reformbewegung Ahmadiyya zu bestrafen. Erst vor wenigen Wochen wurde ein junger Mann auf dieser Grundlage zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Regierung greift nicht durch

Besonders schockierend: Im Februar 2011 wurden auf Indonesiens Hauptinsel Java 20 Anhänger von Ahmadiyya von rund 1.500 Radikalen angegriffen. Drei Ahmadis starben, fünf weitere wurden schwer verletzt. Die Täter kamen mit milden Strafen davon. "Dieses Beispiel zeigt die Schwäche der Regierung, die Rechte der Minderheiten zu schützen", kritisiert Badrus Samsul Fata vom Wahid-Institut in Jakarta.

Mirza Ghulam Ahmad gründete 1889 die islamische Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya. Die wird aber von vielen Muslimen als nicht islamisch angesehen.
Mirza Ghulam Ahmad gründete 1889 die islamische Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya. Die wird aber von vielen Muslimen als nicht islamisch angesehen.

Die Regierung scheint erstarrt angesichts des militanten Auftretens der Islamisten. Dabei sei diese Gruppe der Hardliner nicht groß - aber laut, sagt Elga Sarapung im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Durch die Medien haben sie die Möglichkeit, ihre Ansichten zu veröffentlichen. Deshalb wirkt es so, als würden sie hier herrschen."

Stumme Mehrheit als Gegenkraft

Eigentlich gilt Indonesien als tolerante Gesellschaft: In einem Land mit rund 17.000 bewohnten Inseln, mehr als 300 Volksgruppen und mindestens so vielen lokalen Glaubensrichtungen ist das auch nötig.

Badrus Samsul Fata vom Wahid-Institut in Jakarta setzt deshalb - wie viele Indonesier - im Kampf gegen die Hardliner auf die "stumme Mehrheit". Doch auch die müsse langsam aufwachen, meint er: "Die Zivilgesellschaft kann die Hardliner stoppen. Aber wenn sie das zu spät einsieht, wird das allen schaden."

Die Zivilgesellschaft als starke Kraft. Angela Merkel spricht bei ihrem Besuch in Indonesien mit mehreren Gruppen, selbst wenn Religion dabei kein Hauptthema ist. Es geht vielmehr um ein Zeichen und das hat sie gesetzt: Als Protestantin in der Riesen-Moschee, die - das nur am Rande - von einem Christen geplant wurde. Auch so geht Toleranz in Indonesien.

120.000 Gläubige beten in der Istiqlal-Moschee in Jakarta. (Foto:dpa)
120.000 Gläubige beten in der Istiqlal-Moschee in Jakarta.Bild: dpa