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Politik

Merkel und der Aufstand der Rechten

24. März 2017

In Angela Merkels politisch besten Zeiten waren sie kaum zu vernehmen - die konservativen Kritiker der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin. Doch nun machen sie mobil. Merkels Politik ist vielen Rechten in der Union zu links.

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Merkel
Bild: Gallup/Getty Images

Schwetzingen könnte eine Zäsur für die Union bedeuten. Das 22.000 Einwohner zählende Städtchen nahe Heidelberg wird Gründungsort eines stillen Aufstands, einer verabredeten Revolution sozusagen. An diesem Samstag wollen rechte CDUler den Links-Kurs ihrer Partei beenden. Dafür geben sie sich eine organisatorische Plattform: "Freiheitlich-konservativer Aufbruch in der Union", soll der bundesweite Zusammenschluss der Merkel-Kritiker heißen.

Ein etwas umständlicher Name für den Versuch, die CDU wieder zu machen, was sie mal war, nämlich richtig konservativ. Damit ist klar: Merkel muss ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl nicht nur Herausforderer Martin Schulz fürchten, sie hat die Opposition auch gleich im eigenen Haus.

Kontrolle und Härte als Wesenskern der Rechten

Und die organisiert sich gerade bundesweit. Bislang rumorten unzufriedene Christdemokraten jenseits der großen Medienaufmerksamkeit in einigen Landesverbänden. Doch nun machen die programmatisch Frustrierten Ernst. Schon im Februar erklang die Ouvertüre der schwarzen Rebellen.

In Königswinter bei Bonn verabschiedeten rund 50 Vertreter aus fünf Bundesländern ein 30-Punkte-Positionspapier. Deutschland soll wieder wehrhafter werden, heißt es darin. Und: Finanziell disziplinlosen Euro-Ländern wird mit dem Rauswurf aus der Währungsunion gedroht. Eine Obergrenze für Flüchtlinge wird gefordert und mehr Kontrolle an den deutschen und EU-Grenzen. So weit, so bekannt seit Merkels Sommer-Willkommenskultur 2015, denn schon damals setzte die Kritik auch innerhalb der CDU an der Politik der offenen Grenzen ein.

Bundeskanzlerin Merkel Wolfgang Bosbach
Als sie noch miteinander redeten: Merkel-Kritiker Wolfgang Bosbach und seine Parteivorsitzende 2005.Bild: imago/McPHOTO/Luhr

Im Detail gehen die Vorstellungen der rechten Unionschristen aber weiter. Jeder Ausländer soll automatisch abgeschoben werden, wenn er vorsätzlich straffällig wird, der doppelten Staatsbürgerschaft wird das sofortige Ende angekündigt. Ebenso allen islamistischen Vereinen. Und: Zuwanderer haben sich anzupassen, die deutsche Leitkultur ist Maß der Dinge. 

Merkels Flüchtlingspolitik als konservatives Erweckungserlebnis

Die Law-and-Order-Politik soll wieder dominant werden in der Union, fordern die Rechten. Dabei hat die Politik der Mitte die CDU schon unter Helmut Kohls Führung stark und mehrheitsfähig gemacht. Kohl galt als Modernisierer, der die Partei in ihrer Programmatik auf die Höhe der Zeit gehievt hatte. Angela Merkel ist diesen Pfad weitergegangen. Christdemokratisches Tafelsilber wie die Wehrpflicht legte sie ad acta, die als Zukunftsenergie bei der CDU gefeierte Atomenergie verabschiedete sie sang- und klanglos. Dafür machte sie für die Partei Boden gut in den Städten. Auch die gleichgeschlechtliche Ehe ist längst mehrheitsfähig.

Waren das schon Zumutungen für Teile der klassischen CDU-Klientel (ländlich, christlich, konservativ), so testete sie mit ihrer Flüchtlingspolitik die Grenzen der Toleranz und Akzeptanz ihrer Partei erst richtig aus. Seitdem ist ihre politische Unfehlbarkeit dahin, der brave Kanzlerinnen-Wahlverein CDU ist längst eine zänkische Familie, in der offen darüber gestritten wird, was denn der Markenkern der Christenunion sei. Konservative, die schon vor dem Flüchtlingssommer 2015 über den Mitte-Kurs Merkels grummelten, hatten mit dem Kontrollverlust an deutschen Grenzen ihr konservatives Coming-out-Erlebnis. Gegen die inzwischen nur noch halbmächtige Vorsitzende wollen sie weg von der Mitte und Kurs nach rechts nehmen.

Audioslideshow Helmut Kohl
Zwei CDU-Modernisierer unter sich: Angela Merkel und Helmut Kohl 2005 in Dortmund Bild: imago/Kolvenbach

Ab wann ist rechts rechtsextrem?

Wenn nicht sogar darüber hinaus. Auf regionaler Ebene gibt es schon länger konservative Sammlungsbewegungen. Zum Beispiel in Schwetzingen (!). Dort ist seit 2015 die Bürgerinitiative "Aufbruch 2016" aktiv. Und die pflegt Kontakte zur AfD. Sie ist an das neue rechte Netzwerk "Ein Prozent" angegliedert, so jedenfalls liest sich die Vernetzungslandkarte von "einprozent.de". Die Initiative versteht sich als "patriotische NGO" und wird unter Kennern der Szene dem organisierten Rechtsradikalismus zugerechnet.

Wie scharf der Rechtsruck der Abtrünnigen ausfallen wird, lässt sich aktuell nicht messen. Konkret ist aber schon die derzeitige personelle Stärke der konservativen Rebellen innerhalb von CDU und auch der CSU. Rund 7000 Mitglieder sind eigenen Angaben zufolge schon registriert. Verteilt auf den schon seit 2012 existierenden "Berliner Kreis" um den früheren Vize-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Bosbach und den "Konservativen Aufbruch" in der CSU. Für den 8. April lädt Bosbach und sein "Berliner Kreis" die Schwetzinger Initiative in die Hauptstadt ein. Keine Frage, die konservativen Kreise rücken zusammen und streben sogar eine eigene Gruppe - ähnlich der Jungen Union oder der Frauen-Union - an. Zumindest in Sachsen-Anhalt.

Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe