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Die CDU und ihre Migranten

Naomi Conrad, Berlin22. Oktober 2014

Die CDU lädt ins Kanzleramt, um zu zeigen: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und ihre Anliegen sind ihr wichtig. Aber den richtigen Ton zu treffen, ist nicht immer einfach.

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Angela Merkel spricht zu den Konferenzteilnehmern (Foto: Lukas Schulze/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Lukas Schulze

Jeder, sagt Peter Tauber und lächelt wohlwollend den Menschen zu, die im Innenhof der CDU-Bundesgeschäftsstelle auf den aufgereihten Stuhlreihen vor ihm sitzen, jeder dürfe der Kanzlerin nachher eine Frage stellen. Alles, das sagt er mit Nachdruck, sei erlaubt. Nein, niemand solle sich scheuen, schließlich seien er, der Generalsekretär der CDU, und die Kanzlerin doch hier, "um auch ganz persönlich ins Gespräch zu kommen." Nur Selfies mit der Kanzlerin, die müsse nun doch nicht jeder machen. Er lächelt breit und im Pressebereich verzieht eine Journalistin entsetzt das Gesicht: "Das sind doch keine Kinder hier", flüstert sie und schüttelt den Kopf.

Nein, die CDU hat nicht Kinder, sondern "Menschen mit Zuwanderungsgeschichte", so wird es die CDU-Politikerin Cemile Giousouf später formulieren, eingeladen, um einen Tag lang über das Thema "Zugewandert - Angekommen?! - Chancen der Vielfalt" zu diskutieren. Denn, so steht es in der Einladung, aus dem "U" der CDU soll ein Versprechen werden: "Wir wollen auch die Union für Zuwanderer werden." Schließlich habe bereits jeder fünfte Mensch in Deutschland ausländische Wurzeln.

Aber erst erzählt Tauber noch "vom David", dem ehemaligen CDU-Vorsitzenden in Gelnhausen, Taubers Heimatstadt. David war Engländer und immer wenn er zum Sommerfest geladen habe, da habe es geregnet, "was vielleicht daran lag, dass er Engländer war", mutmaßt Tauber. Jemand im Publikum hustet, andere flüstern, lachen tut kaum einer. Und was Tauber so schön an Davids Geschichte findet, ist, fügt er noch hinzu, "dass keiner mehr fragt, wo der David herkommt." Der Engländer, das soll wohl die Schlussfolgerung sein, ist angekommen - und zwar so richtig.

"Wir wollen keine Migranten von Beruf sein"

Ob demnach Giousouf, vor deren Namen Angela Merkel später noch eine kurze Pause einlegen muss, wohl, um sich nicht zu verhaspeln, auch angekommen ist? Sie sei, sagt die Bundestagabgeordnete, die Muslima ist, damals zur CDU gekommen, weil ihr Religion wichtig sei - und weil die christliche Partei über die Jahre "vom Nachzügler zum Musterschüler" geworden sei. Sie zählt auf: Die CDU habe die erste Islamkonferenz einberufen, CDU-Länder den staatlichen Islamunterricht eingeführt, den ersten Ministerpräsidenten mit doppelter Staatsbürgerschaft. Die Aufzählung wird unterbrochen, als Merkel in den Raum tritt und die Fotografen nach vorn stürzen. Im Publikum springen einige auf und klatschen. Andere bleiben sitzen. So wie die junge Frau, die später den Kopf schütteln wird: Immer wieder, wird sie sagen, die gleichen Diskussionen, die gleichen gegenseitigen Glückwünsche, wie viel schon getan wurde, um Migranten zu integrieren, Selbstbeweihräucherung halt. "Aber wirklich ändern tut sich doch nichts!" Sie werde trotzdem noch immer gefragt, ob sie jetzt eigentlich Deutsch sei, oder doch Türkisch. "Kann ich nicht endlich beides sein?"

Cemile Giousouf am Rednerpult (Foto: Lukas Schulze/dpa)
Cemile Giousouf: "Vom Nachzügler zum Musterschüler"Bild: picture-alliance/dpa/Lukas Schulze

Eine Frage, die auch Giousouf indirekt stellt: Sie und andere Bundestagsabgeordnete, deren Eltern in der Türkei oder vielleicht in Russland, nicht aber in Gelnhausen oder Dresden geboren wurden, wollten gerne die Vielfalt der Gesellschaft wiederspiegeln. "Aber wir wollen keine Migranten von Beruf sein." Sich also nicht immer nur um Themen wie den Doppelpass oder den Eintritt der Türkei in die EU kümmern, sondern auch um Familienpolitik oder Finanzen.

Merkel: "Einmal wurde ich als Zonenwachtel beschimpft"

Dann darf Merkel auf die Tribüne: Sie verstehe gut, sagt sie, dass Menschen nicht auf ihre Herkunft reduziert werden wollten. Auch sie, die Frau aus der DDR, die nach der Wende in der CDU Politik machte, habe erlebt, dass man "manchmal ein bisschen komisch beguckt wurde": Ob sie denn, so als Ostdeutsche, das mit den Grundrechten auch verstanden habe? Einmal sei sie als "Zonenwachtel" beschimpft worden, "da war ich gar nicht so glücklich." Oder aber: "Ach, Sie kommen aus dem Osten, interessant." Lachen und Klatschen aus dem Publikum. Aber, sagt Merkel, die Kanzlerin mit der Ostgeschichte, man dürfe sich von solchen Widrigkeiten nicht abhalten lassen. Und: man dürfe auch nicht unterschätzen, wie viel Unsicherheit manchmal da sei, wenn Menschen etwas anders aussähen als der Durchschnittsdeutsche. Ins Gespräch kommen, nicht ausweichen, das seien die Voraussetzungen für die Integration.

Deutschland, sagt sie bestimmt, werde vom Ausland dafür bewundert, dass es den Prozess der deutschen Einheit so gut geschafft habe. Genauso habe es die Möglichkeiten, ein "tolles Integrationsland zu werden". Noch hätten nicht alle die gleichen Chancen in Deutschland. Deshalb, so Merkel, müssten alle immer wieder an dieser Chancengleichheit arbeiten. Aber wie konkret das gehen soll, darauf geht sie nicht mehr ein.

Später, in der Mittagspause, als die meisten Gäste an Stehtischen lehnen, Kaffeetassen und Suppenschalen in der Hand, und die anderen sich um Merkel und Tauber drängen, schüttelt eine junge Anwältin den Kopf: Nein, insgesamt habe der Ton der Veranstaltung ihr so gar nicht gefallen. Die Gäste hier, das seien doch allesamt Menschen, die in der Gesellschaft angekommen seien, Erfolg hätten, "die muss man nicht für dumm halten." Da könne man doch ruhig ganz normal reden. Ach, beschwichtigt ihre Nachbarin, zumindest habe die CDU doch einen Versuch gestartet und den Tag überhaupt veranstaltet. "Das ist doch schon mal was." Und Deutschland habe einfach, so historisch bedingt, noch nicht so viel Erfahrung mit der Zuwanderung und Integration. Dann entschuldigt sie sich und eilt davon zum Foto mit der Kanzlerin.