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Merkel und kein Ende in Sicht

Kay-Alexander Scholz9. Dezember 2014

Mit fast 97 Prozent ist Angela Merkel als Vorsitzende der CDU wiedergewählt. Von einer Merkel-Müdigkeit ist nichts zu spüren. Schon ist die Bundestagswahl 2017 im Blick. Doch was kommt nach dem Erfolg?

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Merkel Wiederwahl beim CDU Parteitag in Köln 09.12.2014
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Ihr wisst gar nicht, was für eine große Chefin ihr habt, sagte der Präsident der Europäischen Volkspartei, Joseph Daul, zur Eröffnung des 27. Parteitags der CDU in Köln. Doch natürlich wissen das die 1001 Delegierten, die Bemerkung war auch nur halbernst gemeint. Wer Merkel erlebt, wie unaufgeregt und bescheiden sie auftritt. Wer beobachtet, wie sie im Vergleich zum US-Präsidenten Obama ohne augenfällige Sicherheitsstandards durch die Welt reist, kann schon mal vergessen, dass sie als mächtigste Frau der Welt gilt.

Zwar nicht mit einem Rekordergebnis, aber nur mit 30 Gegenstimmen, wurde sie erneut als Parteivorsitzende bestätigt. Dass sie mit 96,72 Prozent wieder nah an die 100-Prozent-Marke herankam, lag wohl auch an ihrer gut angekommenen Bewerbungsrede. "Da war viel Verve drin, so stark habe ich Merkel schon lange nicht mehr erlebt", sagte Helma Kuhn-Theis aus dem Saarland. "Sie hat viele Dinge wirklich gut auf den Punkt gebracht." Es war eine besondere Rede, weil Merkel auch persönlich wurde und vom Beginn ihrer politischen Karriere nach der Wende in der DDR 1989 erzählte, sagte der Bundestagsabgordnete Ansgar Heveling aus Nordrhein-Westfalen. Von einer denkbaren Merkel-Müdigkeit nach neun Jahren Kanzlerschaft und vierzehn Jahren CDU-Vorsitz war in den Reihen der Delegierten nichts zu hören und zu spüren. Stattdessen fühlten sich alle Flügel und Landesverbände nach der mehr als einstündigen Rede gut angesprochen.

Schon die nächste Bundestagswahl im Blick

Merkel sitzt fest im Sattel ihrer Partei und hat schon die nächste Bundestagswahl im Jahr 2017 im Blick. Mit wem wäre eine Koalition im Bund möglich? Überraschend brachte Merkel wieder die Liberalen ins Gespräch. Die FDP "ist und bleibt der natürliche Koalitionspartner" und sollte nicht "zu früh abgeschrieben werden". Aber auch eine Öffnung in Richtung der Grünen sprach Merkel an. "Wir waren nach der letzten Bundestagswahl bereit dazu, eine solche Koalition zu wagen, aber einige der Grünen nicht, schade drum". Die Sozialdemokraten, der jetzige Koalitionspartner, kamen dagegen gar nicht gut weg. Sie halte es für eine "Bankrotterklärung" der SPD, mit der Nachfolgepartei der SED aus der DDR, im Bundesland Thüringen eine Koalition einzugehen und der Linkspartei den Posten des Ministerpräsidenten zu überlassen. "Wie viel kleiner will sich die SPD eigentlich noch machen?", fragte Merkel und bekam dafür Rekord-Applaus. Thüringen soll Testfall für eine solche Koalition im Bund werden, warnte Merkel. Auf die "Alternative für Deutschland", der neuen rechtspopulistisch auftretenden Partei in Deutschland, ging Merkel mit keinem Wort ein.

Merkel beim CDU Parteitag in Köln 09.12.2014
Unumstritten! Die CDU feiert ihre Parteichefin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Auch programmatisch blickte Merkel in die Zukunft. Deutschland dürfe sich in Zeiten des digitalen Wandels, in der die Karten "ganz neu" gemischt würden, "keinen Tag auf dem Erreichten ausruhen". "Ich will, dass wir Deutschlands Zukunft gestalten", versprach Merkel. Leitplanken dafür müssten die soziale Marktwirtschaft sein, die gelernte Balance aus Freiheit und Sicherheit und die Achtung der Würde des Einzelnen. Eine kommerzielle Sterbehilfe lehnte Merkel ab. "Auch Sterben ist ein Teil der Pflege von Menschen", so Merkel.

Die Leerstelle nach Merkel

Doch was oder wer kommt nach Merkel? Seit Jahren wird darüber spekuliert, wer ihr einmal folgen könnte. Wer in die Unions-Reihen schaut, kann derzeit kaum Aspiranten entdecken. Unter den Bundesministern waren zuletzt zwei im Gespräch: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Doch beide strahlen derzeit nur wenig Kanzlerformat aus. Von der Leyen steckt knietief im Umbau der Bundeswehr. De Maiziere wirkt zunehmend blasser. Die Riege der 16 Ministerpräsidenten, eine andere Nachwuchsschmiede für potentielle Kanzler, ist auf vier geschrumpft. Inzwischen sind die Grünen an mehr Landesregierungen beteiligt als Merkels CDU.

Unter ihren fünf Stellvertretern in der CDU stechen nur zwei hervor. Volker Bouffier aus Hessen probiert derzeit ein Regierungsbündnis mit den Grünen aus - ein wichtiger Testballon für ein mögliches schwarz-grünes Bündnis im Bund. Das machte Merkel in ihrer Rede auch noch einmal deutlich. In Rheinland-Pfalz muss Julia Klöckner wohl erst einmal die kommende Wahl zur Ministerpräsidentin gewinnen. Doch viele in der Partei trauen ihr Höheres zu - sie bekam bei der Stellvertreter-Wahl mit Abstand das beste Ergebnis.

Signal nach außen

Merkel selbst, so hieß es noch vor kurzem, werde im Laufe ihrer jetzigen Amtsperiode zurücktreten. Doch inzwischen dreht sich die Diskussion darum, ob Merkel bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal antritt. Dann könnte sie den bisherigen Rekord von 16 Amtsjahren, aufgestellt von Helmut Kohl, brechen.

Die CDU ist seit Jahren auf Angela Merkel zugeschnitten. Die konstant sehr hohen Zustimmungswerte der Kanzlerin und der CDU in Meinungsumfragen sorgen auch nicht gerade für Handlungsdruck, inzwischen werden junge Erwachsene sogar schon als "Generation Merkel" bezeichnet. Doch hinter all dem steckt auch die Angst vor der Frage, was danach kommt. All zu lange aber wird die Partei dieser Frage nicht mehr aus dem Weg gehen können. Sonst läuft sie Gefahr, Merkel-süchtig zu werden, der Entzug könnte schmerzhaft werden.

Doch diese Anfälligkeit der CDU kalkuliert Merkel ein. Denn sie kann in Europa nur deshalb so machtvoll auftreten, weil sie Ruhe im eigenen Haus hat - auch hier beim Parteitag in Köln. Knapp vor dessen Beginn hat sie deshalb den Streit um die Abschaffung der sogenannten kalten Progression, einer für Steuerzahler ärgerlichen Besonderheit im deutschen Steuerrecht, die bei mehr Brutto zu weniger Netto führen kann, befriedet.