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Merkel verurteilt Hetze gegen Flüchtlinge

Nina Werkhäuser, Berlin31. August 2015

In ihrer jährlichen Sommerpressekonferenz stellte sich Kanzlerin Merkel den Fragen der Hauptstadtjournalisten. Im Umgang mit Flüchtlingen forderte sie Flexibilität statt Gründlichkeit und harte Strafen für Gewalttäter.

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Deutschland Berlin Jahrespressekonferenz Bundeskanzlerin Merkel
Bild: Reuters/H. Hanschke

Als Angela Merkel die große Treppe zum Saal der Bundespressekonferenz hinaufsteigt, warten dort schon 200 Hauptstadtjournalisten auf sie. Dutzende Fotoapparate klicken, Kameraleute drängen sich vor dem Podium, hinter dem die Bundeskanzlerin einen Moment stehen bleibt und lächelnd in die Objektive blickt.

Hastig fangen die Fotografen den Kontrast ein, den Merkels roter Blazer zur tiefblauen Wand hinter ihr bildet, dann setzt sie sich zur ihrer jährlichen Sommerpressekonferenz, in der gut anderthalb Stunden lang Fragen zu allen Themen erlaubt sind. Gemessen an der üblichen Viertelstunde bei Presseterminen im Kanzleramt ist das eine schier endlose Zeit, und so drehen die Korrespondenten der wichtigsten in- und ausländischen Medien erwartungsvoll ihre Stifte in den Händen. Wird Merkel, so fragen sie sich, die angekündigten "aktuellen Themen der Innen-und Außenpolitik" mit den längst bekannten Satzmodulen beantworten - oder holt sie heute etwas weiter aus?

"Folgen Sie denen nicht!"

Bevor das Frage- und Antwortspiel beginnt, möchte die Kanzlerin selbst etwas loswerden - es geht um die 800.000 Flüchtlinge, die in Deutschland in diesem Jahr erwartet werden. Es geht um die Anfeindungen, denen sie vielerorts ausgesetzt sind, um Brandanschläge auf Unterkünfte, um Pöbeleien und Hassparolen.

Da holt Merkel in der Tat weit aus: Diese Übergriffe und die Hetze verurteilt sie in aller Schärfe. Im Umgang mit Flüchtlingen müssten klare Grundsätze gelten, und diese seien im Grundgesetz festgeschrieben. Politisch Verfolgte hätten das Recht auf Asyl, und auch Kriegsflüchtlingen stehe dieser Schutz zu. Dabei sei die Menschenwürde jedes einzelnen zu achten.

"Wir wenden uns mit der ganzen Härte unseres Rechtsstaates gegen die, die andere Menschen anpöbeln, die andere Menschen angreifen, die ihre Unterkünfte in Brand setzen oder Gewalt anwenden wollen", betont sie und appelliert: "Folgen Sie denen nicht, die zu solchen Demonstrationen aufrufen. Zu oft sind Vorurteile, Kälte und sogar Hass in deren Herzen. Halten Sie Abstand!"

Für Hass gibt es keine Rechtfertigung

Dass sie selbst beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft beschimpft worden sei, mache ihr nichts aus, sagt Merkel. "Aber es ficht mich an, dass wir solchen Hass und solche Stimmung in unserem Land haben." Dafür dürfe man "nicht die Spur von Verständnis" zeigen. "Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt ein solches Vorgehen."

Die These, dass die feindselige Stimmung gegenüber Flüchtlingen in den ostdeutschen Bundesländern ausgeprägter sei, möchte die Kanzlerin nicht unterschreiben. "Ich will daraus keinen Ost-West-Konflikt machen". Entscheidend sei für sie, dass ein solches Verhalten nirgendwo in Deutschland toleriert werden dürfe.

Bundeskanzlerin Merkel besucht Flüchtlingsunterkunft
Bei ihrem Besuch in der Flüchtlingsunterkunft in Heidenau wurde Merkel ausgebuhtBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Doch es sind nicht nur Sorgen und Befürchtungen, die das Thema bei der Regierungschefin weckt, sondern auch Stolz und Dankbarkeit, wie sie sagt. Dafür, dass so viele Deutsche den Flüchtlingen helfen. Dafür, dass so viele Flüchtlinge "Deutschland als ein Land der Hoffnung und Chancen" sehen.

Sogar die anwesenden Journalisten bekommen, und das ist selten, ein Lob zugeteilt für ihre Berichterstattung über die unzähligen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer und Initiativen. Erste Lacher erntet Merkel, als sie trocken feststellt, dass der Dschungel deutscher Verordnungen und Gesetze gelichtet werden müsse, um Flüchtlinge schneller als bisher unterzubringen und zu integrieren. "Deutsche Gründlichkeit ist super, aber jetzt wird deutsche Flexibilität gebraucht."

Eine große Aufgabe

Im Verlauf der Pressekonferenz wird klar, wie vieles in der Flüchtlingspolitik noch im Argen liegt. So feht es etwa den Ländern und Kommunen an Geld für die Betreuung der vielen Neuankömmlinge. Merkel kündigte weitere Hilfen an, die nächsten Beschlüsse dazu werde die Regierung am 24. September fassen. Die Rückführung abgelehnter Asylbewerber soll künftig direkt aus den Erstaufnahme-Einrichtungen erfolgen, auch das muss organisiert werden.

Eine ganz große Baustelle ist nach wie vor die Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Dass einige Länder gar keine oder nur christliche Flüchtlinge aufnehmen wollen, will Merkel nicht hinnehmen. Sie werde sich mit aller Kraft dafür einsetzen, "dass Europa in dieser Frage nicht versagt".

Für Deutschland sei es eine große Aufgabe, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, aber "wir schaffen das", sagt die Kanzlerin. Allerdings mit einem Kraftakt, der sich auch in dieser Pressekonferenz widerspiegelt: Themen wie die Finanzhilfen für Griechenland und die Ukraine-Krise, die vor wenigen Wochen noch die Schlagzeilen beherrschten, wurden nur gestreift.