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Merkel weicht NSA-Skandal aus

Mathias Bölinger19. Juli 2013

Traditionell stellt sich die Bundeskanzlerin vor ihrem Sommerurlaub der Presse. Das alles beherrschende Thema war dieses Jahr der NSA-Skandal, der ihr einige Manöver abverlangte.

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Angela Merkel (Bild: Reuters)
Bild: Reuters

"Acht!", murmelt ein Journalist, als Angela Merkel zum wiederholten Mal betont, dass für sie zähle, dass "auf deutschem Boden deutsches Recht gilt". "Neun!", verbessert sein Kollege. Am Ende wird Merkel diesen Satz zehn Mal in ihre Antworten eingebaut haben. Es ist ihre Reaktion auf die Fragen zum Abhörskandal des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Dass sie nicht vorhat, wesentlich Neues zu diesem Thema zu sagen, hatte Merkel gleich zu Anfang der Pressekonferenz klar gemacht. "Wer heute mit der Erwartung hierhergekommen ist, dass ich das Ergebnis einer Aufklärungsarbeit hier vorstellen werde, der ist mit einer falschen Erwartung hergekommen."

Kanzlerin enttäuscht Journalisten mit Auskünften über die Spähaffäre

Merkel in die Enge treiben

Einmal im Jahr, kurz vor ihrem Sommerurlaub, besucht Angela Merkel die Bundespressekonferenz in Berlin, um sich den Fragen der Hauptstadtjournalisten zu stellen. Angela Merkel, die nur selten Interviews gibt, nutzt diese Gelegenheit gerne, um gute Laune, Schlagfertigkeit und Humor unter Beweis zu stellen – Eigenschaften, die ihr lange abgesprochen wurden, die sie aber in den Vorjahren durchaus vorführen konnte. Für die Journalisten dagegen ist es eine der wenigen Gelegenheiten, die Kanzlerin, die bisher aus allen Schwierigkeiten und Skandalen ihrer Regierung unbeschadet herausgekommen ist, in die Enge zu treiben – oder vielmehr zu versuchen, sie in die Enge zu treiben. Ob sie Herrn Snowden dankbar dafür sei, dass er die Ausspähung von Bundesbürgern durch die NSA öffentlich gemacht hat, will eine Journalistin wissen.

- "Ich habe doch gesagt, dass durch die Ausführungen von Herrn Snowden Themen auf dem Tisch liegen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben und das ist das, was für mich zählt."

- "Das ist aber keine Antwort."

- "Es ist vielleicht eine Antwort, die sie nicht zufrieden stellt, aber es ist meine Antwort."

Merkel wiederholt die Dinge, die sie oder andere Regierungsmitglieder schon zuvor gesagt haben. Sie wolle sich für eine strengere europäische Datenschutzrichtline einsetzen und für ein internationales Abkommen über Datenschutz. Das Auswärtige Amt führe Gespräche über die Aufhebung eines Übereinkommens, das den USA Spionage in Deutschland erlaubt – das aber nach Aussage der Bundesregierung seit der Wiedervereinigung ohnehin nicht mehr angewandt wird. Ansonsten flüchtet sie sich in die Formulierung, dass den USA ein detaillierter Fragenkatalog vorgelegt worden sei. Auf die Frage, ob die amerikanische Regierung ihr denn nun zusichern können habe, dass sie sich "auf deutschem Boden an deutsches Recht halten" werde, antwortet sie: "Ich kann nur zur Kenntnis nehmen, dass unsere amerikanischen Partner Zeit für die Prüfung brauchen." Wie denn die Planung eines neuen NSA-Geheimdienstzentrums in Wiesbaden mit diesem Anspruch in Einklang zu bringen sei, möchte ein Korrespondent wissen. "Das muss dann im Detail geklärt werden", antwortet Merkel. Mehr ist tatsächlich in eineinhalb Stunden nicht aus ihr herauszubekommen. Sie bleibt defensiv, vermeidet jede Antwort, die sie gegenüber Washington in Zugzwang bringen könnte.

Merkel in der Bundespressekonferenz (Bild: Reuters)
Merkel kann Auftritte vor der Presse durchaus genießen. Lächeln in die Kameras zum Beginn der VeranstaltungBild: Reuters

Merkel meidet Wahlkampf-Aussagen

Wenig Erfolg haben die Journalisten auch damit, sie zu konkreten Wahlkampfaussagen zu treiben. Es ist Angela Merkels voraussichtlich letzte Pressekonferenz in dieser Legislaturperiode. Im September sind Wahlen, und glaubt man den Umfragen, besteht die Chance, dass sie ihre konservativ-liberale Koalition fortsetzen kann. Merkel weiß, dass ihre Chancen besser stehen, je weniger sie sich in den politischen Nahkampf begibt. Welche Themen im Wahlkampf wichtig seien, wird sie gefragt. "Wahlkampf findet nicht so statt, als könnten sich die Politiker aussuchen, welche Themen sie gerne hätten. Sondern Wahlkampf findet über die Dinge statt, die die Menschen beschäftigen."

Etwas greifbarer wird Merkel nur, wenn es um die Euro-Krise geht. Das Thema begleitet sie seit dem Beginn der Legislaturperiode. Hier hat sie ein klares Profil – auch wenn sie Positionen, die sie als unverrückbar bezeichnet hatte, immer wieder räumen musste. Nun erklärt sie, der Kontinent sei auf dem Weg der Besserung. Die Defizite sänken, Irland habe sich neulich am Kapitalmarkt refinanzieren können. Einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland lehnt Merkel noch einmal ab. Dann würden, so glaubt sie, sofort andere Staaten Schuldenverzicht verlangen. "Das würde unsere ganze bisherige Arbeit zunichte machen."

Merkel vor der Hauptstadtpresse

Gemeinsame Werte in Europa

Dann betont sie noch, wie wichtig es sei, dass Europa in der Globalisierung zusammenhalte und beschwört die gemeinsamen Werte des Kontinents. Sie könne, erzählt sie, nach Griechenland oder Portugal fahren, ohne Angst zu haben. Merkel wird von hämischem Lachen unterbrochen. Alle haben noch die Fernsehbilder von den massiven Protesten im Kopf, die die jeweiligen Besuche der Bundeskanzlerin im vergangenen Jahr begleitet haben. Merkel wartet kurz, bevor sie fortfährt. Sie brauche, führt sie aus, keine Angst zu haben, "dass die Menschen, die gegen mich demonstrieren, hinterher im Gefängnis landen. In vielen anderen Ländern habe ich diese Sorge." Anerkennende Stille im Saal. Es ist einer der wenigen Momente, in den es ihr gelingt, die Journalisten zu überrumpeln.

Dann verabschiedet sie sich in den Sommerurlaub, der angesichts von NSA-Affäre und bevorstehendem Wahlkampf nicht wirklich erholsam zu werden verspricht. Sie nimmt das mit einem typischen Merkel-Satz hin: "Mit der Erholung bei der Bundeskanzlerin ist es so, dass der sicherste Weg ist, dass man sich bei der Arbeit erholt."