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Merkels Zukunftsdialog

18. Januar 2012

In Treffen mit Bürgern und Experten will die deutsche Bundeskanzlerin Zukunftskonzepte entwickeln. Es ist nicht die erste derartige Dialogveranstaltung. Entdeckt die Politik den Bürger?

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Foto: Michaela Rehle
Dialog mit Fallhöhe - Merkel will Zukunftskonzepte diskutierenBild: AP

Noch erscheint die Meldung "Forbidden" – "Verboten", wenn man tatsächlich mit Angela Merkel in Dialog treten will. Erst ab dem ersten Februar soll die Internetseite freigeschaltet werden, die das neue Projekt der Bundeskanzlerin begleiten soll.

In einem "Dialog über Deutschland" will die Bundeskanzlerin mit Bürgern und Experten über breit angelegte Zukunftsfragen diskutieren: Wie wollen wir zusammenleben? Wie wollen wir lernen? Wovon sollen wir leben? Es soll um Grundsätzliches gehen, um Leitlinien für die Politik der Zukunft, um die Folgen des demographischen Wandels, die Herausforderungen durch die technische Entwicklung oder um Integration und den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Die Entdeckung des Bürgers

Abschlussveranstaltung des Bürgerforums 2011 mit dem Bundespräsidenten (Foto: dw)
Abschlussveranstaltung des Bürgerforums 2011 mit dem BundespräsidentenBild: DW/Michael Gessat

Und es soll um die Beteiligung der Bürger an politischen Prozessen gehen. Dreimal will Merkel im Rahmen dieses Dialogs tatsächlich mit Bürgern zusammentreffen. Je 100 von ihnen sollen in Erfurt, Heidelberg und Bielefeld in so genannten "Town-Hall-Meetings" diskutieren, über das Internet sollen sich Interessierte noch bis August einbringen können.

Die deutsche Politik findet in den letzten Jahren sichtlich Gefallen an solchen breit inszenierten Dialogen. Im vergangenen Jahr hatte Bundespräsident Christian Wulff gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung ein so genanntes "Bürger-Forum" initiiert. Per Zufallsprinzip ausgewählte Bürger diskutierten zuerst in regionalen Foren und dann gemeinsam auf einer Abschlussveranstaltung über drängende politische Fragen wie Bildung, Integration oder soziale Sicherung. Am Ende stand ein Forderungskatalog mit mehreren Punkten wie etwa dem, die Bildungssysteme der sechzehn Bundesländer zu vereinheitlichen – ein Vorschlag, der allerdings nur geringe Aussichten auf Umsetzung hat, denn es gibt kaum eine Angelegenheit an der die deutschen Bundesländer so vehement festhalten, wie an ihrer Bildungshoheit.

Eine Minute pro Bürger

Integrationskurs in Leipzig (Bild: picture-alliance)
Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird ein wichtiges Thema sein: Integrationskurs in LeipzigBild: picture alliance/ZB

Der Zukunftsdialog der Kanzlerin unterscheidet sich allerdings in einem wesentlichen Punkt von der Veranstaltungsreihe des Bundespräsidenten. Bürgerbeteiligung ist zwar vorgesehen, steht aber nicht im Mittelpunkt. Für die drei "Town-Hall-Meetings" mit der Kanzlerin und Experten sind nur jeweils neunzig Minuten eingeplant. Wenn jeder Teilnehmer einmal zu Wort kommen wollte, dann stände pro Person also knapp eine Minute für Frage und Antwort zur Verfügung.

Den Kern der Konzepte sollen stattdessen Arbeitsgruppen erarbeiten, die aus Wissenschaftlern und Experten mit praktischer Erfahrung zusammengesetzt werden – dabei sind beispielsweise ein ehemaliger Manager eines IT-Unternehmens oder eine Schulleiterin. Bürger können über das Internet Eingaben machen, die dann in die Beratungen einfließen sollen. "Am Ende soll kein Kommuniqué stehen, wie bei solchen runden Tischen üblich", sagt der Jura-Professor Stephan Breidenbach von der Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, der die Arbeitsgruppe "Wie wollen wir lernen?" koordiniert. "Wir wollen konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik erarbeiten, die auch Dissens widerspiegeln dürfen."

"Hoffen, dass die Vorschläge umgesetzt werden"

Gelegentlich werden die Arbeitsgruppen sicherlich an die gleichen Systemgrenzen stoßen wie die Bürger des Bürgerforums. Die Gruppe etwa, die sich mit der Frage des Lernens beschäftigt, soll sich beispielsweise mit der Förderung benachteiligter Jugendlicher befassen. Über die zahlreichen Probleme im Schulsystem wird sie dabei allerdings nicht reden können. Schulen sind Ländersache, das gilt auch für Expertenkommissionen. "Wir können nicht politische Zuständigkeiten außer acht lassen", räumt Breidenbach ein.

Die Ergebnisse des Prozesses sollen später als Buch erscheinen. Danach wird sich zeigen, ob sie tatsächlich in die Regierungspolitik einfließen, oder ob vielleicht doch nicht viel mehr von der Veranstaltung bleibt als klangvolle Strategiepapiere und schöne Fernsehbilder einer Bundeskanzlerin im Dialog mit den Bürgern. "Da wir viel Herzblut reinstecken," sagt Breidenbach, "hoffen wir natürlich, dass die Vorschläge auch umgesetzt werden"

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Nils Naumann