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Merkels Koalition rückt zusammen

5. November 2012

Ein Jahr vor der Wahl müsse man Regierungsfähigkeit beweisen, hatten Spitzen von Union und FDP gefordert. Nun erzielte man einen Kompromiss in mehreren Streitfragen. Vor allem FDP-Chef Rösler brauchte den Erfolg.

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Philipp Rösler und Angela Merkel, jeweils mit Hand am Kinn, auf der Regierungsbank (foto:AP/dapd).
Bild: dapd

Unter dem Druck des aufziehenden Wahlkampfs haben sich die Spitzen der Koalition von Union und Liberalen zusammengerauft und finanzielle Entlastungen der Bundesbürger in Milliardenhöhe vereinbart. Nach acht Stunden Beratungen im Berliner Kanzleramt erläuterten sie in der Nacht die gefundenen Kompromisse. Die Generalsekretäre von CDU, CSU und FDP sprachen von einer "sehr guten Atmosphäre". Der Koalitionsausschuss einigte sich in mehreren Konfliktpunkten, die das Regierungslager monatelang belastet hatten:

Betreuungsgeld kommt, Praxisgebühr geht

Das von der CSU ultimativ verlangte Betreuungsgeld soll zum 1. August 2013 kommen. Das Betreuungsgeld sollen Eltern bekommen, die ihre kleinen Kinder nicht in eine staatlich geförderte Einrichtung schicken. Zunächst wird es 100 Euro betragen. Das Geld kann demnach aber auch zum sogenannten "Bildungssparen" für spätere Ausbildung oder Studium verwendet werden, wie die FDP gefordert hatte. 750 Millionen Euro mehr würden in Verkehrswege investiert, verlautete aus Teilnehmerkreisen.

Im Gegenzug wird die Praxisgebühr von zehn Euro im Quartal angesichts der Milliarden-Überschüsse bei den gesetzlichen Krankenkassen wieder abgeschafft und damit dem Hauptanliegen der Liberalen entsprochen. Termin ist hier der 1. Januar 2013. Eine Senkung der Krankenkassenbeiträge wie von der CSU favorisiert wird es hingegen nicht geben.

Über Konzepte gegen die Altersarmut wurde in der Runde bis zuletzt gerungen. Entscheidungen für das Rentensystem fielen jedoch noch nicht. Eine bessere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten werde noch geprüft, wurde klargestellt. Angestrebt sind Leistungsverbesserungen für Geringverdiener, bezahlt mit Steuermitteln.

Der Haushalt 2014 soll laut dem Kompromiss strukturell ohne Neuverschuldung auskommen. Das heißt, dass Konjunkturschwankungen sowie Einmalzahlungen wie die 4,3 Milliarden Euro an den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ausgeklammert werden. Damit hat die Regierung immer noch Spielraum für neue Schulden. Für das Einhalten der Schuldenbremse entscheidend ist aber nur das strukturelle Defizit.

Für Rösler eine Frage des politischen Überlebens

Die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philip Rösler (FDP) hatten sich zwischenzeitlich zu gesonderten Beratungen zurückgezogen. Dann wurden in der Nacht die Fraktionsvorsitzenden und Generalsekretäre einbezogen. Besonders Rösler war im Vorfeld unter Druck geraten. Mehrere liberale Politiker hatten vom angeschlagenen Vorsitzenden verlangt, er müsse "endlich liefern", sprich: sich durchsetzen im Koalitionskreis. Die Abschaffung der Praxisgebühr war quasi Röslers Prestigeobjekt geworden.

Der erhoffte Befreiungsschlag?

CSU-Chef Seehofer hatte zuvor gesagt, für eine Wiederauflage der schwarz-gelben Koalition nach der Bundestagswahl 2013 seien Entscheidungen dringend notwendig. Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erklärte, die Regierung müsse sich "handlungsfähig" zeigen. Wiederholt hatte es in Regierungskreisen gelautet, mit der bisherigen Arbeit könne man beim Wähler nicht auf Zustimmung hoffen.

Die SPD-Opposition hatte schon vor der Sitzung des Koalitionsauschusses von einem "Kuhhandel" und einem "vorweihnachtlichen Basar" gesprochen. Es würden "Wahlgeschenke verteilt ohne Rücksicht auf den Haushalt", beklagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Die Sozialdemokraten wollen gegen die Zahlungen an Eltern, die ihre Kinder nicht in die Krippe schicken, vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Auch die Grünen schließen eine derartige Klage nicht aus.

SC/kle (dpa, dapd, rtr)