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Mexiko: Maßnahmenpaket gegen Trump

Andreas Knobloch Mexiko-Stadt
21. November 2016

Eine Zinsanhebung soll vor allem die Inflationsgefahr dämmen. Ausländische Unternehmen in Mexiko sind besorgt. Derweil hat die Regierung einen Plan gegen mögliche Massenabschiebungen aus den USA vorgestellt.

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Mexiko Karikaturen von Donald Trump
Bild: Getty Images/AFP/Y. Cortez

Langsam erwacht Mexiko aus der Schockstarre. Um den Trump-Effekt abzufedern, erhöhte Mexikos Zentralbank in der vergangenen Woche erneut die Zinsen - von 4,75 auf 5,25 Prozent. Der frisch gewählte künftige US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, Millionen Migranten zurück nach Mexiko abzuschieben, eine Grenzmauer zu errichten und den Freihandelspakt NAFTA neu zu verhandeln und damit in Mexiko für große Unruhe gesorgt.

Die bereits vierte Zinsanhebung in diesem Jahr erfolgte eine Woche, nachdem der Peso auf ein historisches Tief gestürzt war. Am Tag nach den US-Wahlen war die mexikanische Währung um 13 Prozent eingebrochen, hatte sich dann aber, wenn auch auf niedrigem Niveau, stabilisiert. Große Auswirkungen hatte der neuerliche Zinsschritt zunächst nicht; der Peso gab gegenüber dem US-Dollar sogar leicht nach.

"Obwohl es im Augenblick noch schwierig ist, die spezifischen Elemente einer wirtschaftspolitischen Haltung der USA in den bilateralen Beziehungen zu unserem Land ab 2017 zu bestimmen, haben die implizierten Risiken aber große Auswirkungen auf die nationalen Finanzmärkte", hieß es etwas verklausuliert in einer Erklärung der mexikanischen Zentralbank. Zentralbankchef Agustín Carstens versicherte, der Zinsschritt sei in erster Linie erfolgt, um die Inflation stabil zu halten und so die Kaufkraft der Mexikaner zu schützen.

Grenzzaun Mexiko USA
Patrouillengang am Grenzzaun zwischen den USA und MexikoBild: picture-alliance/AP Photo/G. Bull

Aussichten

Der Nachbar USA ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Mexikos. Ein schwacher Peso verteuert die Importe, was sich mittelfristig auf die Preise auswirken dürfte. Ende des Jahres könnte die Inflation laut Carstens knapp über der neuralgischen Marke von drei Prozent liegen. Auch wird allgemein ein geringeres Wirtschaftswachstum für kommendes Jahr erwartet. Die mexikanische Bank BBVA-Bancomer warnt sogar vor einer möglichen Rezession, sollte Trump all seine Drohungen wahr machen.

Die Inflationsrisiken "haben sich ausgeweitet" und die mexikanische Wirtschaft zeichne sich derzeit durch eine erhöhte Ungewissheit aus, so Carstens. Die Zinserhöhung könnte daher erst der Anfang gewesen sein. Während Mexiko in diesem Jahr den Zinssatz um zwei Punkte erhöht hat, gab es in den USA über das Jahr keinerlei Bewegung. Mexikos Zentralbank erwartet aber, dass die US-Notenbank Fed ihrerseits im Dezember die Zinsen anhebt.

Mexikos Problem mit Trump

Eine Zinswende in den USA wiederum könnte den Peso weiter unter Druck setzen, zum Abfluss ausländischen Kapitals und einem Rückgang von Investitionen führen. Analysten der britischen HSBC-Bank warnen: "Gerade Währungen von Schwellenländern, in denen es hohe Zinsen gibt, werden jetzt leiden." Seit der Jahrtausendwende waren die Zinsen in den USA und Europa stetig gefallen; aufgrund eines prognostizierten starken Wirtschaftswachstums und hoher Renditen wurden Schwellenländer wie Mexiko damit als Anlageziel interessant. Dieser Trend könnte sich nun wieder umkehren.

Ausländische Unternehmen

Die Verunsicherung ist groß. Und sie könnte noch größer werden, wenn Trump tatsächlich - wie angekündigt - NAFTA neu verhandelt oder gar aufkündigt. Besonders betroffen wäre wohl die Automobilindustrie, der Trump zudem mit Zollerhöhungen droht.

Mexiko ist heute der siebtgrößte Produktionsstandort der Autobranche weltweit. Ein Drittel der in die USA importierten Autos kommt von dort. Bis 2020 wollen Autokonzerne aus aller Welt insgesamt 17 Milliarden US-Dollar in Mexiko investieren. Auch die deutschen Autobauer Daimler, BMW und Audi investieren kräftig in neue Fabriken in Mexiko. "Die Hoffnung ist, dass zwischen Wahlkampf und der Präsidentschaft eine möglichst breite Kluft herrscht", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche kürzlich. Aber sicher ist dies natürlich nicht.

Zwar haben US-Autohersteller Ford oder General Motors angesichts der Trump-Kampagne versprochen, ihre Investitionspläne für Mexiko beizubehalten; einige Unternehmen aber verkaufen bereits Aktiva, reduzieren die Ausgaben oder bemühen sich, angesichts der Schwäche des mexikanischen Peso Wechselkursrisiken zu minimieren.

Alexander Wehr, Exekutivdirektor von BMW in Mexiko, erklärte gegenüber dem Wall Street Journal, sein Unternehmen sei dabei, die Geschäftsstrategie neu auszurichten. Der deutsche Autokonzern hatte im Juni mit dem Bau einer eine Milliarde US-Dollar teuren Fertigungsfabrik in San Luís Potosí begonnen. Siebzig Prozent der 150.000 Autos, die dort einmal vom Band gehen sollen, sind für den US-Markt bestimmt. Das Engagement von BMW in Mexiko sei stabil, so Wehr, sein Unternehmen werde jedoch analysieren, inwieweit es seine Geschäftspläne an mögliche Maßnahmen der neuen US-Regierung anpasse. Die grundlegende Idee aber sei, in Mexiko zu bleiben. Gegebenenfalls werde man in andere Weltregionen wie Europa, Asien oder Lateinamerika exportieren.

Sofortmaßnahmen

Derweil hat die mexikanische Regierung angesichts möglicher Massenabschiebungen von Mexikanern aus den USA einen Plan von elf Sofortmaßnahmen vorgestellt, das den bezeichnenden Titel "estamos contigo" (Wir sind an deiner Seite) trägt. Trump hatte nach der Wahl bekräftigt, eine seiner ersten Amtshandlungen werde die Deportation von zwei oder drei Millionen "kriminellen" Migranten sein. Insgesamt leben in den USA mehr als elf Millionen Einwanderer ohne gültige Aufenthaltspapiere, darunter mehr als fünf Millionen Mexikaner.

Zu den von Mexikos Regierung angekündigten Maßnahmen gehört neben der Ausweitung des Konsularservices die Empfehlung an die Landsleute, Konfliktsituationen zu vermeiden, ebenso wie Handlungen, die zu "behördlichen oder strafrechtlichen Sanktionen" führen können. Es soll eine direkte Durchwahl eingerichtet werden, "um jegliche Bedenken über migratorische Maßnahmen zu bearbeiten und Vorfälle zu melden". Ziel sei es, in den USA lebenden Mexikanern Informationen und Orientation zu geben, um zu verhindern, dass sie Opfer von Missbrauch und Betrug werden.

"Ruhe bewahren"

Mexikos Außenministerin Claudia Ruiz Massieu bat ihre Landsleute in den USA, Ruhe zu bewahren, nicht auf Provokationen zu reagieren und sich von der derzeitigen Ungewissheit nicht täuschen zu lassen.

Präsident Enrique Peña Nieto, der während des US-Wahlkampfes Donald Trump in Mexiko empfangen hatte, versprach, die Interessen Mexikos trotz sich möglicherweise extrem verschlechternder Großwetterlage zu verteidigen: "Wir werden mit enormem Pragmatismus arbeiten, um zu vereinbaren, was nützlich und günstig für Mexiko und Nordamerika ist; immer in Verteidigung grundlegender, nicht verhandelbarer Prinzipien, wie unsere Souveränität, das Staatswohl und der Schutz unserer Landsleute". Angesichts des sich ankündigenden Sturms erscheinen da Zinsanhebung, eine Telefonhotline und Beruhigungsformeln für verunsicherte Migranten aber recht dürftig.