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Mexiko statt China: US-Industrie zieht um

Rafael Roldão/Greta Hamann25. Februar 2013

China ist out, Mexiko ist in. So zumindest sehen es einige US-Unternehmen: Sie fliehen vor steigenden Kosten in China und suchen ein stabiles wirtschaftliches Umfeld in der Nähe ihrer Absatzmärkte.

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Mexikanische Arbeiter in einer Fabrik eines ausländischen Konzerns (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bei der US-amerikanischen Meco Corporation überlegte man nicht lange, als Mitte 2011 klar wurde, dass sich die Produktionskosten in China binnen vier Jahren verdoppelt hatten. Meco verlagerte die gesamte Produktion über den Pazifik nach Mexiko. Jetzt stellt sie ihre Grills und Gartenstühle im südlichen Nachbarland her. Aus den gleichen Gründen zog die New Yorker Casabella Holdings 2012 Teile ihrer Produktion aus China ab, die sie 2003 dort aufgebaut hatte. Auch Casabella lässt seine Haushaltswaren nun in Mexiko fertigen: Besen, Kartoffelschäler, Seifenspender. Meco und Casabella sind nur zwei von vielen nordamerikanischem Unternehmen, die sich für den gleichen Schritt entschieden haben: raus aus China, rein nach Mexiko.

Ernste Konkurrenz

Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren sieht es so aus, als könnte Mexiko ernsthaft mit China als Produktionsstandort konkurrieren. Das Reich der Mitte ist der weltweit größte Exporteur von Industrieprodukten. Doch viele Firmen sehen in China nicht mehr den einzigen Weg zu Gewinn und Erfolg - sie schauen auf Mexiko, das Land hinter der Süd-Grenze der USA.

Einer Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom vergangenen November zufolge gehen 40 Prozent des Zuwachses der mexikanischen Industriewaren-Produktion zwischen 2010 und 2012 auf Kosten Chinas.

Chinesische Arbeiter in blauen Kitteln hantieren an roten Plastikschalen.(Foto: AP)
In China gleichen sich die Arbeitskosten denen in Mexiko an

Vor allem auf dem US-Markt gräbt Mexiko China das Wasser ab: Heute kommen mehr als 14 Prozent der US-Importe vom südlichen Nachbarn - drei Prozentpunkte mehr als im Jahr 2005. Chinas Anteil ist seit 2009 von 29 auf 26,4 Prozent gefallen.

"Natürlich ersetzt Mexiko nicht China von einem Tag auf den anderen als Hauptlieferant der USA. Auf jeden Fall ist es aber ein ernstzunehmender Konkurrent geworden", sagt James Gerber. Der Wirtschaftsprofessor der Universität San Diego glaubt, dass Mexiko für zahlreiche Waren der attraktivere Produktionsstandort ist als China, vor allem weil das Land an die USA grenzt. Auch die Kommunikation zwischen Mexiko und den USA sei für die Firmen sehr viel einfacher. "Und auch das geistige Eigentum wird in Mexiko stärker respektiert als in China", ergänzt der Experte für die Beziehungen zwischen den USA und Mexiko.

Qualifiziertere Arbeitskräfte

Durch die Inflation in China passen sich die Kosten für Arbeitskräfte langsam an. Im vergangenen Jahrzehnt haben sie sich fast verdreifacht. Heute kostet ein chinesischer Arbeiter durchschnittlich sechs Dollar pro Stunde. Ein Mexikaner ist weniger als einen halben Dollar teurer.

Gleichzeitig werden mexikanische Arbeiter immer qualifizierter, meint Wirtschaftsprofessor Gerber. Nach Angaben der Unesco hat sich die Zahl der Architekten, Ingenieure und anderer Fachkräfte mit Universitätsabschluss im Bereich Industrieproduktion seit 2009 auf 0,8 Promille verdoppelt – ein Drittel mehr als in den USA, wo sich diese Zahl im gleichen Zeitraum nicht veränderte.

Näher dran

Einer der Hauptvorteile, die Mexiko gegenüber China hat, ist die Lage. Transporte von China in die USA können bis zu zwei Monate dauern, und sie rentieren sich nur in großer Menge. Aus Mexiko lohnt es sich dagegen, auch kleinere Bestellungen zu befördern. Und sie treffen bedeutend schneller beim Kunden ein.

Das erlaubt den Unternehmen, ihre Produktion dynamischer an die Nachfrage anzupassen: just-in-time also. Das bestätigt auch der mexikanische Analyst und Wirtschaftsexperte Jonathan Heath: "Heute gibt es weniger Gründe, um in China zu produzieren, da viele Kosten wie die für Transport und Logistik in Mexiko weitaus günstiger sind."

Der mexikanische Präsident an einem Rednerpult, im Hintergrund die US-Flagge und Herren in Anzügen. (Foto: Getty Images)
Im November 2012 sprach Mexikos Präsiden Peña Nieto in Washington vorBild: Getty Images

Doch Mexiko eignet sich nicht nur, um den US-Markt zu beliefern. Mexiko kann 12 Freihandelsabkommen mit 44 Ländern vorweisen - viermal so viele wie Brasilien, die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Die Nummer zwei, Mexiko, kann fast mit dem gesamten Kontinent zollfrei Handel treiben.

Ein paar Wermutstropfen

Um China jedoch dauerhaft die Stirn zu bieten, hat Mexiko noch einige Herausforderungen zu meistern: Die Kriminalität und der Krieg gegen die Drogen rufen bei Unternehmen Besorgnis hervor.

Auf der anderen Seite gibt es bisher keine Belege dafür, dass sich ein multinationaler Konzern von der Gewalt hätte abschrecken lassen, in Mexiko zu investieren. Wirtschaftlich gesehen stellt deshalb wohl Mexikos Infrastruktur den neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto vor die größte Herausforderung: Die Kosten für Energie und Kommunikation seien sehr hoch, sagen Experten. Ebenso ist es allgemeiner Konsens, dass weder das Eisenbahn- und Fernstraßennetz, noch die Häfen auf dem neuesten Stand sind. Eine Modernisierung der Transportwege könnte den Standortvorteil gegenüber China weiter vergrößern.