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Mexiko: Stimmung bessert sich trotz Trump

Andreas Knobloch
26. April 2017

Die Stimmung in der mexikanischen Wirtschaft hat sich seit einigen Wochen merklich gebessert. Denn die großspurigen Ankündigungen des US-Präsidenten erweisen sich immer mehr als Luftnummern.

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Präsident Trump trifft sich mit dem Finanzminister Mnuchin
Bild: Getty Images/Pool/S. Thew

Wenn Sam Polinsky alias Sam Adonis in die Arena Mexico in Mexiko-Stadt einläuft, verwandeln sich die Ränge in ein Tollhaus. Der US-amerikanische Muskelmann und Lucha Libre-Kämpfer wird mit Beleidigungen überschüttet, Bierbecher fliegen, einige spucken in Polinskys Richtung. „Trag deine Scheiße woanders umher!" schreit jemand aus dem Publikum. Polinsky scheint das nichts auszumachen. Mit einem breiten Grinsen präsentiert er seine riesige US-Flagge mit dem Konterfei von Donald Trump den aufgebrachten Zuschauern.

Ein Foto oder allein die Nennung des Namens des neuen US-Präsidenten reicht in Mexiko Ende April 2017 noch immer aus, um die Gemüter zu erhitzen. Trump hatte im Wahlkampf mexikanische Einwanderer in den USA pauschal als "Verbrecher und Vergewaltiger" verunglimpft, mit Massenabschiebungen von Einwanderern ohne Aufenthaltstitel, dem Bau einer Grenzmauer und der Aufkündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta gedroht. Der mexikanische Peso stürzte auf ein Allzeit-Tief.

Am kommenden Samstag nun ist Donald Trump 100 Tage im Amt - und das zunächst von viel Ungewissheit geprägte Szenario ist nun viel weniger pessimistisch als erwartet. Die Mexikaner haben gesehen, wie US-Richter Trumps Einreisebeschränkungen für Bürger verschiedener muslimischer Staaten einen Riegel vorgeschoben haben, dieser keine Mehrheit für seine Gesundheitsreform zusammenbekam, und Trump-Mitarbeiter in den Verdacht zu enger Kontakte zu Russland geraten sind. Gleichzeitig hat sich der Ton der Beamten in Washington gegenüber Mexiko geändert - wenn auch nicht der des US-Präsidenten selbst. Der droht weiter mit dem Ende von Nafta und dem Bau der Grenzmauer.

Exporte steigen...

Die makrookonomischen Daten wiederum verheißen Mexikos Wirtschaft eine weniger düstere Zukunft als noch kurz nach der US-Präsidentschaftswahl prophezeit. Mexikos Ausfuhren steigen; die Nicht-Öl-Exporte legten im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 5,5 Prozent zu. Und die von Trump mit Einfuhrzöllen bedrohte Autoindustrie legte das beste erste Jahresquartal seit 2011 hin. Der Peso hat sich erholt und ist auf das Niveau von vor der Wahl geklettert. Zudem erweisen sich die öffentlichen Finanzen robuster als angenommen; die Arbeitslosenquote ist auf dem niedrigsten Stand seit neun Jahren, allerdings existiert immer noch ein riesiger informeller Sektor.

"Die Aussichten haben sich in den letzten zwei Monaten erheblich verbessert", schreiben die Analysten des mexikanischen Kreditinstituts BBVA in einem kürzlich veröffentlichten Bericht über die Lage der mexikanischen Wirtschaft. "Es scheint, dass der versöhnlichere Ton der Trump-Administration in den vergangenen zwei Monaten gegenüber Nafta und Mexiko die Wahrscheinlichkeit erhöht hat, dass die mexikanische Wirtschaft positive Ergebnisse erzielt. Im Allgemeinen scheint die Situation weniger besorgniserregend, und die Märkte haben davon Notiz genommen."

Der von Mexikos Zentralbankchef Agustín Carstens befürchtete "Horrorfilm" scheint also auszubleiben. Nicht zuletzt, weil die Zentralbank mit Zinserhöhungen schnell gehandelt hat - zuletzt am 16. April. Es war bereits die vierte Zinsanhebung seit der US-Wahl. Seitdem ist der mexikanische Zinssatz von 4,75 auf 6,50 Punkte gestiegen.

...aber auch die importierte Inflation

Aber die Inflationsgefahr ist keineswegs gebannt und hängt nur bedingt von Trumps Politik ab. Die Preissteigerung lag im März bei 4,48 Prozent und damit fast anderthalb Prozentpunkte höher als vor der US-Wahl. Laut Experten könnte die Inflation in diesem Jahr auf fünf bis sechs Prozent klettern - mit Auswirkungen auf den Binnenkonsum. Der Preisauftrieb hängt vor allem mit der Liberalisierung der Benzinpreise durch die mexikanische Regierung zu Jahresbeginn zusammen - und mit dem schwachen Peso, der Importe aus den USA verteuert.

Zudem bleibt abzuwarten, was die Neuverhandlung von Nafta bringt. "Wir werden große Änderungen vornehmen oder ein für alle Mal Nafta loswerden", tönte Trump vergangene Woche bei einem Besuch in Milwaukee, Wisconsin. Nafta sei "sehr schlecht für unser Land, unsere Unternehmen und unsere Arbeiter".

Was sollen die Mexikaner erst sagen? Zwar hat Nafta viele Investitionen ins Land gebracht, ist im Großen und Ganzen aber alles andere als eine Erfolgsgeschichte für Mexiko. Mehr als die Hälfte der mexikanischen Bevölkerung lebt weiterhin unterhalb der Armutsgrenze, die Löhne stagnieren und die gewaltige Unterschied zwischen Arm und Reich im Land ist seit der Nafta-Einführung 1994 eher noch größer geworden. Vor allem der Billiglohnsektor ist gewachsen, es besteht weiterhin ein riesiger informeller Sektor, und in der mexikanischen Landwirtschaft sind aufgrund der hochsubventionierten US-Landwirtschaft mehr als zwei Millionen Jobs verloren gegangen. Mexikos Regierung hat bereits angekündigt, einen "schlechteren Deal" bei Neuverhandlungen nicht zu akzeptieren.

Mauerbau ohne US-Bundesstaaten

Am vergangenen Wochenende dann drohte Trump erneut, dass Mexiko den geplanten Bau der Grenzmauer bezahlen werde. "Schlußendlich, zu einem späteren Zeitpunkt, damit wir so schnell wie möglich beginnen können, wird Mexiko auf irgendeine Weise die so dringend notwendige Mauer bezahlen", twitterte der US-Präsident und erneuerte damit eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen. Die Mauer bleibt eine delikate Angelegenheit zwischen beiden Ländern. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto hatte einen wenige Tage nach Trumps Amtsantritt geplanten Besuch in Washington abgesagt, nachdem der Republikaner drohte: "Wenn Mexiko nicht bereit ist, die Mauer zu zahlen, wäre es besser, das Treffen abzusagen."

Zuletzt waren die Spannungen nach mehreren Treffen der beiden Außenminister Luis Videgaray und Rex Tillerson zurückgegangen. Mexikos Regierung hat wiederholt klargemacht, dass der Bau einer solchen Grenzmauer keine bilaterale Angelegenheit, sondern einzig Sache der USA sei, von Mexiko aber als "unfreundschaftliche Geste" aufgefasst werden würde. In der vergangenen Woche hatten republikanische und demokratische Abgeordnete der vier an Mexiko grenzenden US-Bundesstaaten Texas, Arizona, New Mexico und Kalifornien den Nutzen einer solchen Grenzmauer bezweifelt und eine Finanzierung abgelehnt. Vom Tisch aber ist das Thema noch nicht - es könnte die Stimmung zwischen den USA und Mexiko wieder nachhaltig trüben.

Das weiß auch US-Muskelmann Sam Polinsky. "Ich liebe Mexiko, meine Freundin ist Mexikanerin und ich möchte lange hierbleiben", sagt der 28-Jährige, der in Mexiko-Stadt lebt. Er weiß aber auch, dass er seine Kämpferpersönlichkeit wohl ändern müsste, sollte sich der Konflikt zwischen den USA und Mexiko wegen Trumps Haltung und dem Bau der Grenzmauer zuspitzen. Im Moment aber schaut Mexiko positiver in die Zukunft als noch vor drei Monaten. Und Sam Adonis könnte noch eine Weile in Mexikos Arenen provozieren.