1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Russland kann sehr lange durchhalten"

Jennifer Fraczek28. Juli 2014

Die EU will in der Ukraine-Krise mit weiteren Sanktionen den Druck auf Russland erhöhen. Diese Maßnahmen werden Wirkung zeigen, sagt der CDU-Politiker Mißfelder im DW-Gespräch. Ein "Allheilmittel" seien sie aber nicht.

https://p.dw.com/p/1Cjso
CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder - Foto: Soeren Stache (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Die Europäische Union will so schnell wie möglich Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängen. Sie sollen dazu führen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin zur Deeskalation in der Region beiträgt, indem er auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine einwirkt. Werden die EU-Sanktionen ihn dazu bewegen?

Die Sanktionen werden in Russland auf jeden Fall für Diskussionen sorgen. Innerhalb der Elite, aber auch in Wirtschaftskreisen stellt sich dann die Frage: Ist es uns wert, wegen der Ukraine und der Krim so viele Verluste einzugehen? Diese Debatte hat in Russland bislang nicht stattgefunden.

Von einer Ausweitung der Sanktionen wären insbesondere die russischen Oligarchen betroffen. Wie bewerten Sie deren Einfluss?

Die Oligarchen haben nicht mehr so viel Macht wie früher. Putin hat aus eigenem Interesse für ihre Entmachtung gesorgt. Es geht jetzt vor allem darum, Putins direktes Umfeld anzusprechen und zu versuchen, dort einen Prozess des Umdenkens anzustoßen.

Welche Wirkung haben die bisherigen Sanktionen schon gezeigt, etwa Einreiseverbote und Sperrungen von Konten?

Die bisherigen Sanktionen haben schon eine gewisse Wirkung entfaltet. Sanktionen werden aber eine politische Lösung nicht ersetzen. Russland hat das Potenzial, Einschränkungen sehr lange durchzuhalten und den Gürtel enger zu schnallen. Deswegen sollten wir nicht glauben, dass Sanktionen ein Allheilmittel sind.

Wie könnte die politische Lösung aussehen?

Ein Waffenstillstand ist unumgänglich. Russland muss sich dafür einsetzen, und zwar stärker als bislang. Sobald es einen Waffenstillstand gibt, können wir den politischen Spielraum nutzen, um aufeinander zuzugehen und zu versuchen, ein tragfähiges Konzept für die Gesamt-Ukraine zu entwickeln.

Präsident Putin sagt immer noch, dass er die Separatisten gar nicht direkt unterstützt.

Die US-Amerikaner haben uns gegenüber mehrfach betont, dass sie andere Erkenntnisse haben. Auch in Deutschland gibt es dazu andere Auffassungen. Im Zweifel steht hier Wort gegen Wort. Wenn der Wille auf beiden Seiten vorhanden ist, zu einer politischen Lösung zu kommen, sollten gegenseitige Schuldzuweisungen vermieden werden. Ebenso sollte es auch unterlassen werden, immer wieder zu versuchen zu definieren, wer mit dem Konflikt angefangen hat.

Inwiefern hat der Abschuss der malaysischen Passagiermaschine die EU-Politik im Ukraine-Konflikt beeinflusst?

Die EU-Politik ist immer noch sehr schleppend. Zum Teil liegt das an der katastrophalen wirtschaftlichen Situation, in der sich einige Mitgliedsstaaten befinden. Mitunter gibt es aber auch einen völlig unterschiedlichen Umgang mit einigen Fragen, zum Beispiel den Rüstungsexporten. In Deutschland diskutieren wir das Thema seit Jahren sehr kritisch. In Großbritannien und Frankreich ist das offensichtlich anders. Großbritannien ist immer am stärksten, wenn es um Kritik an Russland geht - und dann hören wir plötzlich, dass die Briten weiterhin Waffen nach Russland geliefert haben. Daran ist eine gewisse Doppelzüngigkeit in der Debatte zu erkennen.

Sollte es zu einem Waffenstillstand kommen und sollten sich die Vereinten Nationen zu einer Blauhelm-Mission in der Ukraine entschließen - wären Sie für eine deutsche Beteiligung an einer solchen Mission?

Ich bin nicht generell dagegen, aber dafür müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine solche Mission könnte nur durch einen UN-Sicherheitsratsbeschluss stattfinden. Sollte eine militärische Pufferzone eingerichtet werden, könnte das auch zu einer Situation wie in Nordzypern führen. Die UNO ist seit 40 Jahren in Nordzypern, um zwischen der Türkei und Zypern für Sicherheit und Stabilität zu sorgen, aber der Konflikt ist noch nicht gelöst. Stattdessen werden Konflikte eingefroren. Für die Ukraine wollen wir aber versuchen, eine politische und tragfähige Lösung für das ganze Land zu finden - mit der Ostukraine und nicht ohne sie.

Welche Auswirkungen wird der Rücktritt der ukrainischen Regierung auf die weitere Entwicklung in dem Konflikt haben?

Die Situation in der Ukraine ist sehr instabil. Es gibt dort viele Oligarchen, die ihr eigenes Spiel spielen und versuchen, ihre materiellen Werte in Sicherheit zu bringen. Wenn diese instabile Situation in Verbindung mit der Oligarchenherrschaft noch lange andauert, könnte dem Land ein Kollaps drohen.

Philipp Mißfelder ist seit 2005 Abgeordneter im Deutschen Bundestag und seit 2009 außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Das Gespräch führte Jennifer Fraczek.