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"Mich fasziniert die Vitalität Afrikas"

14. April 2010

Ausgestattet mit einer winzigen Kompaktkamera begleitete Filmemacher Volker Schlöndorff die Afrikareise von Außenminister Westerwelle und Entwicklungsminister Niebel. Ein Gespräch mit dem Regisseur.

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Schlöndorff mit Zigarre und Kamera auf einem Schiff (DW/ Ute Schaeffer)
Bild: DW/Ute Schaeffer

In Südafrika sprach Schlöndorff vor Filmstudenten an der Universität. In Ruanda engagiert sich der deutsche Filmemacher an einer kleinen Filmhochschule. An Afrika fasziniert ihn die umwerfende Vitalität der Menschen. Im DW-Interview spricht Schlöndorff über seine Begeisterung für den Nachbarkontinent Europas.

DW-WORLD.DE: Herr Schlöndorff, Sie waren gemeinsam mit dem Außenminister und dem Entwicklungsminister ein paar Tage in Afrika. Verraten Sie uns doch zunächst, was hat Sie eigentlich mit dem afrikanischen Virus infiziert? Wie kommt der Bezug zu Afrika?

Volker Schlöndorff: Kurioserweise durch eine andere solche offizielle Reise. Und zwar hat Bundespräsident Köhler mich vor zweieinhalb Jahren mitgenommen nach Uganda und Ruanda. Er hat ja einen missionarischen Eifer für Südafrika und er hat mich angesteckt. Es war eine ganz andere Reise. Da ging es in Flüchtlingslager und in Schulen und es hatte nicht so einen offiziellen, politischen Anstrich wie jetzt, aber ich bin da irgendwie hängen geblieben. Speziell in Ruanda, wohin ich inzwischen schon ein paar Mal zurückgegangen bin und angefangen habe, mich dort um eine kleine Filmschule zu kümmern. Dadurch war ich natürlich auch interessiert an diesen anderen Ländern, Tansania, morgen Dschibuti – da käme man ja nie hin – aber auch Kapstadt und Johannesburg, was wieder eine Entdeckung war. Man meint ja, wenn man 70 ist, dann kennt man sich in der Welt aus, und dann ist es immer wieder ganz anders, wenn man dort hin kommt.

Außenminister Westerwelle und Entwicklungsminister Niebel mit Schlöndorff im Hintergrund in der Delegation auf Robben Island, der ehemaligen Gefängnisinsel an der Antlantikküste Südafrikas (DW/ Ute Schaeffer)
Bild: DW/Ute Schaeffer

Man hat Sie im Laufe der Reise mit einer sehr kleinen Kamera filmen sehen. Das waren Impressionen, vielleicht auch Inspirationen, was haben Sie denn hier aufgenommen? Was ist das, was man notiert, wenn man zwischen Dar Es Salam und Kapstadt unterwegs ist?

Das ist ein elektronisches Tagebuch. Das ist nur für mich, um mein Gedächtnis frisch zu halten – Eindrücke. Was mich immer wieder überrascht an Afrika, ist nicht das Elend, sondern das ist die Vitalität und die Lebensfreude, bis hin zu Townships, in denen es wirklich entsetzlich aussieht, wenn man von außen davor steht. Und wenn man sich dann in die Gässchen hinein bewegt und der Eine und der Andere lacht einem zu und schüttelt einem die Hand, und man fängt an zu sprechen, das sind die Momente die ich gerne festhalte, weil mich das in meiner eigenen Lebensfreude bekräftigt. Aber auch in Diskussionen, zum Beispiel gestern in Johannesburg mit Studenten, die vielleicht auch Filmstudenten werden. Dort merkt man, das ist ja nicht nur schwarz und weiß, sondern es sind alle Schattierungen dazwischen, also Inder und Asiaten, und wie eine solche Völkermischung eine immer größere Dynamik, mehr Energie und mehr Offenheit bringt. Dagegen leben wir (Anm. d. Red.: in Deutschland) ja fast schon in der Apartheid.

In Deutschland setzten Sie sich für die UFA-Studios ein. Wenn Sie auf die Filmindustrie hier schauen, es gibt "Nollywood", aber ansonsten gibt es in Afrika ja nicht viel. Wie sind da Ihre Eindrücke?

Volker Schlöndorff im Gespräch mit einem Teilnehmer der Delegation vor einem Hafen im Hintergrund (DW/ Ute Schaeffer)
Bild: DW/Ute Schaeffer

Hier in Südafrika gibt es schon eine richtige Filmindustrie, vor allem eine Dienstleistungsindustrie, weil viele Europäer und viele Amerikaner hier her kommen, weil es billiger ist. Das ist nicht so das, was mich interessiert. Mich interessiert – mit einer kleinen Videokamera – zum Beispiel in Ruanda mit den Studenten zu sehen, wie sie ihre eigenen Geschichten erzählen können. Da geht es nicht um die Technik, die kann heute jeder, sondern es geht darum: Wie erzähle ich eine Geschichte, wie baue ich das auf? Wie sehe ich mit meinen Schauspielern, dass sie nicht wie im Bauerntheater wirken, sondern dass sie möglichst eine dokumentarische Wahrheit haben. Das ist sehr schön, denn sie haben einen ganz anderen Rhythmus als wir.

Darauf zielt meine letzte Frage hinaus. Was unterscheidet afrikanisches Erzählen, mit einer ganz langen oralen Erzähltradition, von unserer europäischen Erzählweise?

Bei uns läuft immer alles auf Drama hinaus, manchmal auf Melodrama, möglichst in drei Akten strukturiert, und in Afrika ist es poetischer. Es ist der Erzähler, es ist ein "Sing-Sang", es ist ein Rhythmus, es muss nicht unbedingt zu einem Ende oder zu einem Höhepunkt kommen, sondern jeder Augenblick zählt für sich.

Also die verrinnende Zeit, sozusagen?

So kann man es auch sehen. Oder die Zeit, die eben immer wieder kehrt und die im Grunde nie aufhört.

Das Gespräch führte Ute Schaeffer

Redaktion: Conny Paul