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Migranten in der Meisterschule

Martina Sabra4. Februar 2009

Anerkannte handwerkliche Meisterbetriebe in der Hand von Einwanderern sind in Deutschland noch immer die Ausnahme. Eine junge Türkin hat mit viel Ausdauer und Kraft gezeigt, wie es dennoch geht.

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Kopf wird in einem Frisiersalon gewaschen (Foto: AP)
Bild: AP

Der kleine Ort Elsenfeld bei Aschaffenburg: In zentraler Lage am Marktplatz befindet sich der weitläufige Frisiersalon von Hatice Maloglu. Pastellfarbener Wischputz an den Wänden, ein eleganter Springbrunnen und dicke orientalische Kissen sollen für eine stilvolle Atmosphäre sorgen. Die sechs Mitarbeiter, davon drei Azubis, haben auch kurz vor Feierabend noch alle Hände voll zu tun. "Wir sind immer ausgebucht, und unsere Kundschaft ist zu 90 Prozent deutsch", erzählt Hatice nicht ohne Stolz.

Eine türkischstämmige Friseurin in Süddeutschland ist auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Dennoch stellt Hatice Maloglu in ihrer Branche eine Ausnahme dar, denn sie besitzt als Migrantin einen deutschen Meisterbrief. Die große Urkunde hängt sorgfältig gerahmt an der Wand im Frisiersalon.

Hauptschulabschluss verpasst

Handwerkszeugs für einen Friseur (Foto: DPA)
Handwerkszeugs für einen FriseurBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Dass sie Friseurin werden wollte, habe sie schon als 13-Jährige gewusst, erzählt Hatice. Damals ging sie nachmittags nach der Schule unentgeltlich in Salons arbeiten, um sich Tricks und Kniffe abzuschauen. Doch ihre Qualifikation musste sich Hatice hart erkämpfen. Wie viele andere türkischstämmige Einwanderer in Deutschland auch hatte sie wegen ihres späten Einstiegs in die deutsche Sprache den Hauptschulabschluss verpasst.

Am Anfang habe man sie nicht einmal als Lehrling gewollt, erinnert sich die zierliche, aber energisch wirkende Frau: "Ich habe mindestens 20 Friseurgeschäfte abgeklappert, und die Argumente waren immer dieselben. Mal war meine Aussprache angeblich nicht gut genug. Oder es hieß: Türkische Mädchen sind nicht zuverlässig, die heiraten und gehen für immer in die Türkei. Es war wirklich schwierig."

"Angst vor der eigenen Courage"

Dank ihrer Beharrlichkeit gelang es Hatice schließlich doch noch, einen Ausbildungsplatz zu finden. Aber aus familiären Gründen konnte sie die Lehre nicht beenden. Ihrer Begeisterung für den Friseurberuf tat das keinen Abbruch. Sie jobbte einfach weiter, erwies sich als sehr talentiert. Mit 24, ihr kleiner Sohn war gerade fünf Jahre alt, fasste sie allen Mut zusammen und beschloss, sich zum Meisterkurs für das Friseurhandwerk anzumelden. "Kein Gesellenbrief, gebrochenes Deutsch und 10.000 D-Mark Schulden für den Lehrgang - ich hatte manchmal Angst vor der eigenen Courage", erinnert sie sich.

Dass sie es dennoch geschafft hat, verdankt Hatice unter anderem ihrer Mutter, die auf den Sohn aufpasste und einer engen deutschen Freundin, die ihr in kritischen Zeiten immer wieder Mut zusprach. Entscheidend jedoch sei die Flexibilität ihrer Prüfer gewesen. "Ich bin direkt auf meinen Prüfer zugegangen und habe ihn gefragt, ob ich trotz meiner Probleme mit der deutschen Sprache eine Chance hätte. Er gab mir zu verstehen, dass es daran nicht scheitern sollte. Ich muss sagen, ich hatte wirklich großes Glück, auf so ausländerfreundliche Prüfer zu treffen."

Integration durch Qualifizierung

Friseurstühle (Foto: DPA)
Das deutsche Handwerk leidet unter Fachkräftemangel - dennoch kriegen Migranten nur schwer einen AusbildungsplatzBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Sprachprobleme und mangelnde Schulabschlüsse hindern viele Migranten daran, sich als Meister oder anderweitig formal zu qualifizieren. Dabei wären sie fachlich durchaus geeignet. Die Handwerkskammern haben das Problem mittlerweile erkannt und sich mit der so genannten "Charta der Vielfalt" bereits 2007 verpflichtet, Migranten besonders zu fördern.

Dazu wurde unter anderem eine Initiative mit dem Titel "Integration durch Qualifizierung" neu aufgelegt. Talentierte Migrantinnen und Migranten sollen hier die Chance bekommen, sich ohne große bürokratische Hürden fortzubilden; Lehrlinge mit Migrationshintergrund sollen spezielle Beratung erhalten.

Schlummernde Talente

Wolfgang Fehl koordiniert das Netzwerk bei der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk in Düsseldorf: "Wir wären schlecht beraten, wenn wir diese Chance vertäten", sagt der studierte Volkswirt und Experte für Erwachsenenbildung. "Da sind Menschen, die nur darauf warten, dass sie bei uns gut arbeiten, gut Geld verdienen, gut Karriere machen können und die damit dazu beitragen, dass die Integration gelingt."

Fehls Mitarbeiterin Seda Rass-Turgut hat mehrere Jahre an einem Projekt gearbeitet, das jungen Migranten den Zugang zu den deutsch dominierten Handwerksbetrieben erleichtern soll. Dabei beobachtete sie, dass nicht nur viele deutsche Handwerksmeister Vorurteile gegenüber Jugendlichen mit Migrationshintergrund hatten. Auch die Jugendlichen selbst und ihre Eltern hätten Vorbehalte gehabt. Zum Beispiel wenn es darum ging, sich Beratung zu holen. "Die meisten Migranten wissen gar nichts über die Angebote", erzählt sie. "Nur sehr wenige finden den Weg zur Handwerkskammer und lassen sich beraten. Die das machen, die sind schon sehr weit."

Klagen allein hilft nicht

Hatices Meisterprüfung ist mehr als zehn Jahre her. Sie darf mittlerweile selbst Prüfungen bei der Kammer abnehmen. Wegen ihrer fachlichen Kompetenz und wegen ihres ehrenamtlichen Engagements für Jugendliche mit Schulproblemen ist sie in Elsenfeld und darüber hinaus anerkannt und respektiert. Doch Hatice weiss, dass die Bedingungen für Migranten, die sich qualifizieren wollen, nach wie vor schwierig sind. Sie weiß, dass ausländische Meisterschüler mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert sind, vor allem in den männlich dominierten technischen Berufen. Und sie findet, dass die Meisterkurse nach wie vor mit Lernstoff überfrachtet sind, den man in der Praxis überhaupt nicht braucht - eine Tatsache, unter der alle Meisterschüler leiden, die die Migranten aber besonders hart trifft.

Doch es sei nicht richtig, nur zu klagen und Forderungen zu stellen, findet Hatice. Migranten sollten auch selbst aktiver werden. "Ich muss auch auf die Menschen zugehen, und signalisieren, dass ich offen bin. Wir leben in Deutschland, und wir müssen uns in bestimmten Lebenssituationen anpassen."