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Migrantenquote für Kleingärten

20. Dezember 2011

Mit einer Ausländerquote wollte ein norddeutscher Kleingartenverein die Zahl von Migranten begrenzen. Nach bundesweiter Kritik gaben die Hobbygärtner ihr Vorhaben auf. Andere Vereine setzen auf positive Integration.

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Der Eingang zum Kleingartenverein Harksheide in Norderstedt (Foto: DW)
Winterschlaf der SchrebergärtnerBild: DW
Die Gartenanlage Friedrichsgabe (Foto: DW)
Die Gartenanlage FriedrichsgabeBild: DW

Vögel zwitschern, irgendwo kräht ein Hahn, aber ansonsten ist es ruhig. Sehr ruhig. Die große Eingangspforte des Kleingartenvereins Harksheide in Norderstedt ist verschlossen. Die Schrebergärtner halten Winterschlaf. Auch in der, gerade mal fünf Autominuten entfernten, Gartenanlage Friedrichsgabe sieht es ähnlich aus. Braune Holzhäuschen stehen hinter verblühten Sträuchern und blattlosen Bäumen. Eine schwache Wintersonne scheint auf die kleinen Parzellen. In dieser Jahreszeit kommen auch hier die Gärtner nur hin und wieder vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Auf den ersten Blick sind sich diese beiden Kleingartenvereine sehr ähnlich. Doch der Schein trügt.

Hinter dem eisernen Tor von Harksheide ging es in den vergangenen Wochen turbulent zu. Der Verein hatte mit einer Migrantenquote bundesweit für Empörung gesorgt. Im Oktober stimmte die Mehrheit der Kleingärtner dafür, die Zahl ausländischer Hobbygärtner zu begrenzen. In der Abstimmung wurde beschlossen, dass nur 12,6 Prozent der Schrebergärten an Migranten vergeben werden sollen. Als dieses Votum bekannt wurde, rollte eine Welle der Entrüstung über die schmucken Gärtchen. In der vergangenen Woche nahmen die Kleingärtner auf einer Mitgliederversammlung die geplante Quote wieder zurück. Man entschuldigte sich dafür und räumte ein, einen Fehler gemacht zu haben.

Schrebergarten als Heimatersatz

Luzia Bart, Kleingärtnerin und Migrationsbeauftrage im Kleingartenverein Friedrichsgabe (Foto: DW)
Migrationsbeauftrage im Kleingartenverein Friedrichsgabe: Luzia BartBild: DW

In Friedrichsgabe kann man über das Verhalten der Gartenfreunde nur mit dem Kopf schütteln. Hier ist ein Drittel der 116 Gärten in sozusagen "ausländischen“ Händen. So wie der Garten von Luzia Bart. Die blonde Frau stammt aus Kirgisistan, ihren Garten hat sie seit 13 Jahren. In ihrer alten Heimat sei sie es gewohnt gewesen, ein Haus mit Grundstück zu haben. "Dann kommt man hier in ein Mehrfamilienhaus, mit einem Balkon zwei mal zwei Meter klein und fragt sich‚ was mache ich jetzt." So wie ihr gehe es vielen Migranten und viele seien es eben auch gewohnt, im Garten Gemüse anzupflanzen. Das gebe einem im fremden Deutschland ein bisschen Heimatgefühl.

Die 44-Jährige, die vor 22 Jahren nach Norderstedt kam, war eine der ersten Migranten in der Gartenanlage. Doch in den folgenden Jahren kamen immer mehr hinzu. Diesem Trend durch eine Migrantenquote einen Riegel vorzuschieben, ist für den Vereinsvorsitzenden Max Stammerjohanns undenkbar. "Über so eine Quote kann und darf man eigentlich gar nicht nachdenken."

Verstoß gegen das Grundgesetz

Das meint auch der Bürgermeister von Norderstedt. Als dieser erfuhr, dass der Kleingartenverein Harksheide eine Migrantenquote einführen will, reagierte er mit einem Brief an den Vorstand des Vereins. Diese Quote stelle einen "groben Verstoß" gegen Artikel drei des Grundgesetzes dar, heißt es darin. Danach darf niemand wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Heimat und Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Stadt forderte, die geplante Quote sofort zurückzunehmen. Andernfalls werde geprüft, ob man den Pachtvertrag des Vereins kündigen kann.

Auch wenn die Laubenpieper daraufhin zurückruderten, will die Stadt diesen Vorfall nicht einfach auf sich beruhen lassen. Sobald die Gartensaison im Frühjahr wieder losgeht, werde sich die Integrationsbeauftragte der Stadt mit den Kleingärtnern zusammensetzen, erklärt Stadtsprecher Hauke Borchardt. Gemeinsam sollten dann Schritte erarbeitet werden, wie Integration in Zukunft besser funktionieren könne. Das wichtigste Thema sei dabei die Kommunikation, sagt Borchardt. "Es gab Dinge, die dort möglicherweise unausgesprochen latent vorhanden waren, und ich glaube es ist wichtig, dass man dort offen und ehrlich miteinander redet, damit man auch weiß, was das Gegenüber von einem erwartet."

Migrationsbeauftragte im Kleingarten

Max Stammerjohanns, Luzia Bart, Hans-Dieter Schiller, Uwe Waschulewski und Klaus-Dieter Eich im Vereinsheim Friedrichsgabe (Foto: DW)
Freizeit unter vielen im GartenvereinBild: DW

Im Kleingartenverein Friedrichsgabe ist man da schon weiter. Für Uwe Waschulewski ist es kein Problem, dass er inmitten von Polen, Russen und Türken seine Freizeit verbringt. "Gute Nachbarschaft pflegen, sich austauschen, klönen, ich habe da keine Probleme mit der ganzen Geschichte", sagt Waschulewski. Dass es jedoch Streit geben kann, weiß man auch in Friedrichsgabe. Deshalb hat der Vorstand Luzia Bart gebeten, sich als Migrationsbeauftragte mit den Leuten zusammenzusetzen. Für sie sind das meist Meinungsverschiedenheiten, die nichts mit der Nationalität zu tun haben. Wichtig sei nur, dass man kleine Auseinandersetzungen nicht erst zu großen Problemen anwachsen lasse.

Bundesweit gibt es etwa vier Millionen Kleingärtner. 7,5 Prozent davon, also 300.000, sind Migranten. "Mir ist kein ähnlicher Fall wie der in Harksheide bekannt", sagt der Präsident des Bundesverbandes deutscher Gartenfreunde, Norbert Franke. Für ihn sind Kleingärten ein guter Spiegel der Gesellschaft. In den vergangenen Jahren kamen die einst als spießig verschmähten Grünflächen wieder in Mode. Immer mehr junge Familien bewerben sich um eine solche Parzelle. Darunter sind natürlich auch Migranten. Gerade in Großstädten bieten Schrebergärten eine Alternative zum unbezahlbaren Haus mit eigenem Garten.

Interkulturelle Gärten

Die Migrantenquote in Norderstedt sei ein Schock gewesen, sagt Franke. Gerade in Schleswig-Holstein gebe es viele positive Initiativen im Bereich Integration. In Lübeck kümmert sich Hans-Dieter Schiller, der Präsident des Landesverbandes, um Projekte, die genau das Gegenteil von dem sind, was man in Harksheide vorhatte. Nämlich mehr Migranten in die deutschen Schrebergärten zu holen. "2012 werden in Lübeck vier interkulturelle Gärten eingerichtet", sagt Schiller. Und zwar in Stadtteilen, in denen viele Migranten überwiegend in Mehrfamilienhäusern leben. Hier seien Kleingärten als grüne Oasen sehr wichtig. "Wenn die Idee gut ankommt, wollen wir weitere solcher Gärten gründen."

Auch ein Seminar zum Thema Migration in Kleingärten habe er bereits gehalten. Darin wollte er die Vereinsvorstände für das Thema sensibilisieren. "Ich habe mich allerdings geärgert, weil es kaum auf Resonanz stieß", sagt Schiller. Doch auf Bitte des Bundesverbandes bereitet der pensionierte Polizist gerade ein neues Seminar zu dem Thema vor. Nach Harksheide dürfte das Interesse vielleicht etwas größer sein, hofft er.

Autorin: Janine Albrecht
Redaktion: Pia Gram