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"Ein Vorbild sein"

27. Januar 2012

Sie wollen die Gesellschaft verändern, Migrationshintergrund als etwas Positives zeigen. Der Verein SchlauFox engagiert sich in der Bildung benachteiligter Jugendlicher und wurde bereits mehrfach mit Preisen geehrt.

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Logo SchlauFox (Copyright: SchlauFox)

"Ich hoffe, dass ich für die Studenten so etwas wie ein Vorbild sein kann", sagt Sonte Moumouni. Er sagt es leise, denn direkt neben ihm sitzen einige der Studenten, die er unterrichtet. Sie sitzen vor den Laptops und versuchen, eine Powerpoint-Präsentation zu erstellen. Zuvor hat ihnen Moumouni die Basics dazu erklärt. Denn heute steht in Seminarraum 541 der wissenschaftliche Vortrag auf dem Kursplan. Der Workshop gehört zu dem Projekt "ProSMiLe", mit dem der Hamburger Verein SchlauFox Lehramtsstudenten mit Migrationshintergrund unterstützt.

Moumouni ist einer der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Dass er sich gerade in einem Projekt für Studenten mit Migrationshintergrund engagiert, hängt mit seiner eigenen Biografie zusammen. Moumouni wurde an der Côte d'Ivoire geboren, wuchs in Togo auf, studierte dort. Dann kam er 2007 nach Deutschland, um hier weiter zu studieren. "Ich kann mich gut in die Studenten hineinversetzen", sagt er. Er habe selber die Erfahrung gemacht, dass ein Migrationshintergrund in der deutschen Gesellschaft nicht als Bereicherung wahrgenommen werde. Er möchte daran mitwirken, dass sich diese Einstellung ändert. Deshalb arbeitet der 29-Jährige, neben seiner Doktorarbeit, ehrenamtlich bei SchlauFox mit. Denn genau das ist das Ziel des Vereins: Nach außen tragen, dass Migrationshintergrund etwas Positives ist.

Immense Bandbreite

Seit der Verein 2008 von acht Studenten unterschiedlicher Nationen und Kulturen gegründet wurde, ist er rasant gewachsen. Heute zählt er 30 ehrenamtliche Mitglieder. Mittlerweile gehören ebenso viele Migranten wie Deutsche dazu. So wie Katrin Gellermann. Trotzdem bringt auch sie etwas Internationales mit: Ihre Kindheit verbrachte sie in Frankreich. Mehrere Sprachen zu sprechen und sich an mehreren Orten zuhause zu fühlen, empfindet sie als große Bereicherung. Nachdem Gellermann zwei Jahre als Universitätslektorin für "Deutsch als Fremdsprache" in Avignon gearbeitet hat, koordiniert sie jetzt das Projekt "ProSMiLe". Und sie unterrichtet gemeinsam mit Moumouni in den monatlichen Workshops. Dort werden Themen rund um das Studium behandelt, aber es geht auch immer wieder um sprachliche Fragen.

Sonte Moumouni (Foto: DW / Janine Albrecht)
Moumouni: "Wenn man nicht gut deutsch spricht, glauben die Leute, man sei dumm."Bild: DW

"Die Sprache nimmt einen großen Bereich in der Unterstützung ein", sagt Gellermann. Die Bandbreite der Sprachkenntnisse sei immens. "Einige Studenten sind so fit wie ich, andere brauchen tatsächlich mehr Unterstützung, besonders bei den Wortendungen", sagt sie.

Mehr Verständnis

Die Studentin Ivana sitzt gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Katrin vor einem Laptop. Sie probieren gerade, die erste Folie ihrer Präsentation zu erstellen. Beide sind im dritten Semester. Katrins Eltern stammen aus Polen, sie wurde in Hamburg geboren. Doch zu Hause wurde polnisch gesprochen. Genauso wie Ivana hatte sie Probleme mit der deutschen Sprache. Ihre Eltern konnten ihr nicht helfen, wenn sie Fragen zu Grammatik oder Rechtschreibung hatte.

Lehramtsstudentinnen Ivana (l.) und Katrin im SchlauFox-Workshop (Foto: DW / Janine Albrecht)
Katrin (rechts): "Ich hoffe, ich werde besser auf meine Schüler eingehen können."Bild: DW

Katrin möchte Grundschullehrerin, Ivana Gymnasiallehrerin werden. Sie hoffen, dass sie als Lehrerinnen mit Migrationshintergrund besser auf Schüler eingehen können, die wie sie ausländische Wurzeln haben. "In den nächsten Workshops werden wir uns mit der Frage der Migration beschäftigen", sagt Moumouni. Dabei soll es darum gehen, wie die Studenten ihren Migrationshintergrund in ihrem Beruf positiv einbringen können. "Sie bringen Mehrsprachigkeit mit, sie bringen eine kulturelle Vielfalt mit, und wenn sie später an Schulen sind, sollen sie mit diesem Potential umgehen können."

Mit der Unterstützung der Lehramtsstudenten schließt sich bei SchlauFox der Kreis seines bisherigen Einsatzes. Bisher konzentrierte sich die Hilfe auf Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen, häufig Migrations-Familien - um sie auf ihrem Bildungsweg zu begleiten und zu unterstützen. Durch das Projekt "Jedem Kind einen Abschluss" schafften bis auf einen alle von SchlauFox betreuten Schüler in diesem Jahr ihren Hauptschulabschluss. Zwei Jahre lang waren sie von ehrenamtlichen Helfern individuell unterstützt worden.

Wie wichtig zusätzliche Unterstützung ist, erfuhr auch Moumouni, als er nach Deutschland kam. In Mainz besuchte er, neben seinem Masterstudium, zunächst studienbegleitende Deutschkurse. Wie er sagt, war diese Hilfe für ihn eine sehr schöne Erfahrung, und davon möchte er nun etwas zurückgeben.

Schlechte Noten

Und das kommt an bei den Teilnehmern des Workshops. Katrin sagt, dass sie ihre sprachlichen Lücken bis ins Studium hinein nie schließen konnte. "Deshalb ist es gut, dass ich das hier wiederholen kann." Im Gegensatz zu deutschen Kommilitonen hat sie niemanden, der zum Beispiel ihre Hausarbeiten für die Uni gegenlesen könnte.

Projektkoordinatorin Katrin Gellermann (rechts) hilft Studentin Ivana bei der Erstellung einer Präsentation (Foto: DW / Janine Albrecht)
Projektkoordinatorin Katrin Gellermann (rechts): "An der Uni wird vorausgesetzt, dass die Sprache beherrscht wird."Bild: DW

Dieses Problem haben viele der Studentinnen, die im Seminar-Raum 541 sitzen. Auch wenn die Eltern Akademiker sind, so wie der Vater von Sylki. Er hatte in Afghanistan studiert, war dann aus seiner Heimat geflohen. Auch wenn der Vater schnell deutsch lernte und heute als Vermögensberater sein Geld verdient, kann er seiner Tochter im Studium wenig helfen. Daher musste sie, wie viele der Workshop-Teilnehmer, ihre Freunde bitten, ihre Arbeiten zu korrigieren. Sie ist bereits im fünften Semester. Ihre ersten Hausarbeiten seien extrem schlecht gewesen. Daher ist sie froh, dieses Projekt entdeckt zu haben. Seit April gibt es ProSMiLe, seitdem ist sie dabei. "Mittlerweile fragen mich deutsche Kommilitonen um Rat, und das freut mich", so Sylki.

Für die 22-Jährige ist SchlauFox mehr als nur eine Hilfe im Studium. Hier hat sie eine Gruppe gefunden, in der sie jede Frage stellen kann. Sie findet es schön, in lockerer Atmosphäre etwas zu lernen. Heute Abend wird sie noch gemeinsam mit den anderen essen. Was es geben wird, haben Gellermann und Moumouni noch nicht verraten, doch eins ist klar: Gekocht wird international.


Autorin: Janine Albrecht
Redaktion: Gaby Reucher